Geld verdienen macht Spaß, noch viel mehr, wenn man damit ganz nebenbei das Richtige tut. Wer den ökonomischen Nutzen maximieren und zugleich das politisch-moralische Gebot der Stunde befolgen will, sollte sich dem europäischen Rüstungssektor zuwenden. Unternehmer wie Investoren wissen: Diese Branche wird in den kommenden Jahren viele Leute sehr reich machen. Und sie ist zugleich der Schlüssel, um Europas Abhängigkeit von den Vereinigten Staaten in der Verteidigung zu reduzieren.
Mehr Europa, weniger Amerika – das ist der Anspruch, den nicht zuletzt die Industrie selbst gern nach vorne stellt. Getan hat sich in der Branche zuletzt einiges. In Rekordzeit ziehen Rüstungshersteller wie Rheinmetall neue Fabriken hoch, zahlreiche Start-ups entwickeln Technologien, um Europas Sicherheits- und Fähigkeitslücken in der Verteidigung zu schließen.
„Eine Einschränkung des Souveränitätsgedankens“
Allerdings: Bei der Finanzierung mischen die Amerikaner, von denen man sich eigentlich unabhängiger machen will, kräftig mit. Laut einem Bericht des niederländischen Daten- und Analyseunternehmens Dealroom stammte 2024 rund ein Viertel des Wagniskapitals für europäische Verteidigungs- und Sicherheits-Start-ups aus Nordamerika. Im Vorjahr war es erst ein Achtel gewesen. Und vor wenigen Tagen hat das Münchner Start-up Isar Aerospace, das Trägerraketen für kleine und mittlere Satelliten baut, den Einstieg des Investors Eldridge Industries aus Florida bekannt gegeben. Insgesamt 150 Millionen Dollar sollen über eine Wandelschuldverschreibung fließen. Damit erreicht das Münchner Unternehmen eine Bewertung von mehr als einer Milliarde Euro, darf sich nun „Einhorn“ nennen. Eigentlich betont Chef Daniel Metzler gern, wie wichtig europäische Unabhängigkeit sei. Noch im März, beim ersten Testflug einer Rakete, hieß es, man wolle Europa helfen, „einen wichtigen blinden Fleck in seiner Sicherheitsarchitektur zu beseitigen: den Zugang zum Weltraum“.
Isar Aerospace ist nur das jüngste Beispiel unter vielen. Kapitalgeber aus den USA haben das Potential längst erkannt, das in Europas Verteidigungsunternehmen steckt. Kürzlich hat das Softwareunternehmen Helsing eine Finanzierungsrunde über 600 Millionen Euro abgeschlossen. Dabei stützte sich die Firma vor allem auf internationale Investoren, etwa den Wagniskapitalgeber General Catalyst aus Massachusetts, der sein Investment weiter ausbaute. General Catalyst hat weitere Beteiligungen im Verteidigungsbereich, etwa an Alpine Eagle, einem Münchner Start-up für Drohnenabwehr.
Sequoia Capital, gegründet 1972 im Silicon Valley, soll seit letztem Jahr an Stark Defence beteiligt sein, einem Münchner Start-up, das bewaffnete Drohnen entwickelt. Der umstrittene US-Investor Peter Thiel soll ebenfalls zu den Geldgebern gehören. Künftige Finanzierungsrunden wolle man „wenn möglich“ europäisch halten, sagte Gründer Florian Seibel Anfang April der F.A.S., er hält sich damit auch andere Optionen offen. Ein ehemaliger CIA-Mitarbeiter hat die Investmentfirma „201 Ventures“ gegründet, die gezielt europäische Verteidigungs-Start-ups finanzieren soll. Unter den bisherigen Investments sind mindestens zwei deutsche Unternehmen.
Susanne Wiegand war lange Chefin des Rüstungsunternehmens Renk und berät heute Start-ups wie den Drohnenhersteller Quantum Systems, ebenfalls ein Unternehmen von Seibel. „Wollen wir bei der Verteidigung in Europa unabhängig sein, dann müssen wir auch das Thema Finanzierung mitdenken“, sagt sie. „Es gibt selten Geldgeber, die nicht in irgendeiner Form Einfluss aufs Geschäft nehmen wollen.“ Das müsse nicht zwingend schlecht sein – „aber es ist eine Einschränkung des Souveränitätsgedankens“.
Zurückhaltung hiesiger Kapitalgeber
Wie groß der Einfluss ist, das unterscheidet sich von Fall zu Fall. Ein Branchenkenner sagt, die Amerikaner seien nicht gerade dafür bekannt, passive Investoren zu sein. Bei Isar Aerospace soll der Milliardär Todd Boehly, der Chef von Eldridge Industries ist, nun einen Platz im Aufsichtsgremium des Unternehmens bekommen, was nicht ungewöhnlich ist. Wer dort sitzt, kann über die Besetzung von Posten und wichtige strategische Fragen mitentscheiden. Situationen, in denen die Interessen des deutschen Unternehmens denen des amerikanischen Investors widersprechen, sind durchaus denkbar. Etwa in Bezug auf die Frage, welche Technologie vorangetrieben werden soll – und ob es diejenige ist, die vor allem die Amerikaner gut gebrauchen können, oder diejenige, die den Europäern nützt.
Dass amerikanische Investoren in Deutschlands Rüstungsbranche leicht Fuß fassen, hat auch mit der Zurückhaltung der hiesigen Kapitalgeber zu tun. Zwar ist die Offenheit in den vergangenen Jahren deutlich größer geworden, moralische Bedenken und Angst vor einem Imageschaden haben die meisten Investoren nicht mehr. Die Zahl der europäischen Fonds, die zu Investitionen in Verteidigungstechnologien prinzipiell bereit sind, ist stark gestiegen. Doch die Risikobereitschaft ist insgesamt geringer als bei den Amerikanern, sagt Susanne Wiegand. Überspitzt gesagt müsse die Rakete hier erst einmal zeigen, dass sie fliegen kann, bevor investiert wird. Und noch etwas hält Wiegand für entscheidend: „Amerikanische Wagniskapitalgeber sind nicht nur zahlreicher, sie sind teilweise auch leichter zu adressieren und schneller in ihren Entscheidungsprozessen.“ Dies sei für Start-ups attraktiv.
Klar ist: Die Nachfrage nach Rüstungsgütern und Technologien zur Verteidigung wird hoch bleiben. Gerade erst beschlossen die NATO-Staaten, 3,5 Prozent ihrer Wirtschaftsleistung in Verteidigung und Militär zu stecken und weitere 1,5 Prozent in verteidigungsrelevante Infrastruktur. Die Auftragsbücher der Unternehmen dürften sich also weiter füllen. Das gefällt auch den Investoren.