Union und SPD haben sich auf Vorschläge für drei Bundesverfassungsrichter verständigt. Nach F.A.Z.-Informationen sollen der Bundesarbeitsrichter Günter Spinner und die Staatsrechtsprofessorinnen Frauke Brosius-Gersdorf und Ann-Katrin Kaufhold auf die Karlsruher Richterbank wechseln. Spinner gilt als CDU-nah, Brosius-Gersdorf und Kaufhold sind Kandidatinnen der SPD.
Beide Fraktionen streben eine Wahl der drei Kandidaten in der kommenden Woche an. Für kommenden Montag wurde der zuständige Wahlausschuss des Bundestages zu einer Sitzung eingeladen. Die Wahl durch die Abgeordneten soll am 10. Juli – dem vorletzten Sitzungstag vor der Sommerpause – erfolgen.

Seit mehreren Monaten gibt es eine Hängepartie um einen der zu besetzenden Posten. Nachdem im November die Amtszeit des CDU-nahen Verfassungsrichters Josef Christ abgelaufen war, schlug die Union zunächst Bundesverwaltungsrichter Robert Seegmüller für seine Nachfolge vor. Seine Wahl scheiterte vor der Bundestagswahl aber am Widerstand der Grünen. Die notwendige Zweidrittelmehrheit der Abgeordneten galt deshalb als unsicher, die Wahl wurde abgesagt.
Wie die Linke ins Spiel kam
Nach der Bundestagswahl wurde es nicht einfacher: Da Schwarz-Rot keine Absprachen mit der AfD treffen will, ist die neue Regierung zusätzlich auf die Linken angewiesen, um eine Zweidrittelmehrheit zu erreichen. Eine Zusammenarbeit mit den Linken widerspricht aber einem CDU-Parteitagsbeschluss. Seit Wochen wird in CDU und CSU darüber diskutiert, ob es für eine Verfassungsrichterwahl eine Ausnahme geben könnte.

Ende Mai beschloss das Plenum des Bundesverfassungsgerichts eine eigene Vorschlagsliste für die Christ-Nachfolge. Die Richter setzten damit eine Drei-Monats-Frist in Kraft, nach deren Ablauf das Recht zur Richterwahl vom Bundestag an den Bundesrat wechseln würde. Damit war klar: Wollen die Abgeordneten ihr Wahlrecht nicht verlieren, müssen sie sich vor der Sommerpause einigen.
Eine solche Einigung liegt auch deshalb im Interesse von Union und SPD, weil am Montag die Amtszeit von Doris König, Vizepräsidentin des Gerichts, endete. Verfassungsrichter Ulrich Maidowski möchte Ende September in Karlsruhe ausscheiden. Für die Nachfolge der beiden SPD-nahen Richter sieht die SPD die beiden Professorinnen vor.
Seegmüller ist aus dem Rennen
Die Union hat bereits vor einigen Wochen signalisiert, nicht mehr auf den Vorschlag Robert Seegmüller zu bestehen. Er ist derzeit nach Informationen der F.A.Z. als beamteter Staatssekretär im Bundesinnenministerium im Gespräch. Die CDU/CSU favorisiert stattdessen nun Bundesarbeitsrichter Günter Spinner, der an der Spitze des Karlsruher Vorschlags stand. Er erhielt im Mai die Zustimmung aller anwesenden Verfassungsrichter.

Ob eine Einigung mit den Linken gelingt, ist ungewiss. Deren Verhandler haben die Fraktionsvorsitzenden von Union, SPD und Grünen in einem Brief um weitere Gespräche gebeten. „Ohne die Linke geht es diesmal nicht – und genau deshalb braucht es einen demokratischen Konsens. Doch die Union blockiert bisher Gespräche und versucht, uns mit der AfD in einen Topf zu werfen“, sagte Clara Bünger, rechtspolitische Sprecherin der Linken der F.A.Z. Die Zustimmung der Linken könnte einen Preis haben: „Wir fordern perspektivisch ein eigenes Vorschlagsrecht für die Linke zur Verfassungsrichterwahl“, sagt Bünger. Die nächste Richterwahl durch den Bundestag steht allerdings erst nach der Bundestagswahl 2029 an. Möglicherweise könnte dies der Union erleichtern, der Linken eine „Perspektive“ auf einen Richterplatz zuzugestehen.
Sollten Spinner, Kaufhold und Brosius-Gersdorf gewählt werden, könnten sich auch die inhaltlichen Schwerpunkte des Bundesverfassungsgerichts verschieben: In der vergangenen Wahlperiode gehörte die Staatsrechtsprofessorin Brosius-Gersdorf der von der Ampelkoalition eingesetzten Kommission zur Reform des Schwangerschaftsabbruchs an. Brosius-Gersdorf hält es ebenso wie die anderen Kommissionsmitglieder für möglich, den Abtreibungsparagraphen aus dem Strafgesetzbuch zu streichen. Dies widerspricht der bisherigen Rechtsprechung des Verfassungsgerichts.