An Shells Ladesäulen für Elektroautos schwanken jetzt die Preise

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Lieber abends tanken als morgens: Autofahrer sind daran gewöhnt, dass die Preise für Benzin und Diesel an den Tankstellen stark schwanken. Durchschnittlich 13 Cent beträgt der Preisunterschied laut ADAC im Tagesverlauf. Die Mineralölkonzerne versuchen damit, ihren Umsatz zu maximieren.

Was im Falle des Tankens schon lange die Regel ist, gilt nun auch für das Laden von Elektroautos: Seit dieser Woche variieren die Preise auch an den gut 1600 Schnellladepunkten von Shell – und orientieren sich stärker an den Schwankungen des Preises an der Strombörse. Bei niedriger Stromnachfrage und hoher Erzeugung aus erneuerbaren Energien – etwa mittags an sonnigen Tagen – sind die Preise dort tendenziell niedriger als in Zeiten, in denen wenig Wind weht und keine Sonne scheint. Bis zu sechs Cent je Kilowattstunde betrug der Preisunterschied zum Start von Shells neuer Preispolitik am Montag.

„Wer zu Zeiten lädt, in denen viel erneuerbare Energie im Netz ist, hilft, das Stromnetz zu stabilisieren, und wir können zu diesen Zeiten etwaige Preisvorteile an die Kunden weitergeben“, lässt sich der zuständige Manager Florian Glattes zitieren. Ziel sei es, Fahrern von Elektroautos einen finanziellen Anreiz zu bieten, dann zu laden, wenn der Strom vergleichsweise günstig ist. In den frühen Abendstunden, wenn private Haushalte besonders viel Strom verbrauchen, kann das Laden hingegen teurer sein als gewohnt.

Shell betreibt 1600 der bundesweit gut 36.000 Schnellladesäulen mit Gleichstrom (DC). Jeweils ein Drittel davon haben eine Leistung von 150, 300 und 360 Kilowatt – deutlich mehr also als die gängigen 11 Kilowatt privater Wallboxen. Die Schnellladesäulen befinden sich an Tankstellen sowie auf manchen Parkplätzen der Supermärkte Rewe und Penny . Shell ist nach eigenen Angaben der erste Ladesäulenbetreiber, der ein solches dynamisches Preismodell einführt. Es gilt für alle privaten Kunden, die per App oder Ladekarte bezahlen. Zusätzlich zu 35 Cent pauschaler Gebühr je Ladevorgang werden zwischen 59 und 64 Cent je Kilowattstunde Strom fällig. Die Zahlung mit Giro- oder Kreditkarte ist weiter möglich, das ist mit 79 Cent je Kilowattstunde aber noch teurer – auch wenn dann die pauschale Gebühr entfällt. Von dem neuen Preismodell nicht betroffen sind zunächst Kunden, die an den etwa 1000 AC-Ladesäulen von Shells Tochtergesellschaft Ubitricity laden. Sie zahlen nur 52 Cent je Kilowattstunde, dafür dauert das Laden deutlich länger.

Das Unternehmen spricht von einem „Pilotprojekt“, welches man nach „geraumer Zeit“ auswerten wolle. Ein Sprecher sagte am Montag auf Nachfrage, die neue Preispolitik sei als „Mittel der Kundenbindung“ gedacht, deren Akzeptanz man zunächst erforschen wolle. Fragen nach der aktuellen Zahl der Kunden möchte das Unternehmen allerdings nicht beantworten.

Dynamische Stromtarife sollen nach dem Willen der Politik dafür sorgen, dass der Stromverbrauch in Deutschland insgesamt flexibler wird, in Folge die Preise sinken und das Netz besser ausgelastet wird. Seit Jahresbeginn sind herkömmliche Stromversorger dazu verpflichtet, solche Tarife anzubieten. Weder bei Stadtwerken noch bei Kunden sind sie bislang allerdings sonderlich beliebt.

Auch regional können sich die Preise an Shells Ladepunkten heute schon unterscheiden: An Autobahntankstellen und in manchen Landkreisen – das Unternehmen spricht von „weniger als 20 Prozent“ – waren die Preise in der Vergangenheit höher als an den sonstigen Ladesäulen. Der Bundesverband der Verbraucherzentralen (vzbv) bemängelt an öffentlichen Ladesäulen vor allem die fehlende Preistransparenz, die Union und SPD im Koalitionsvertrag versprechen. Helfen könnte eine zentrale Plattform, an die die Ladesäulenbetreiber ihre Preise melden müssen – ähnlich wie die heute schon existierende, vom Bundeskartellamt betriebene Markttransparenzstelle für Kraftstoffe. Denkbar wäre auch eine Aufhängung bei der bundeseigenen NOW GmbH. „Auf einer Karte wären dann idealerweise alle Ladesäulen in der eigenen Umgebung samt aktuellen Preisen zu sehen“, sagt vzbv-Referent Daniel Weber. „Auf den schon existierenden Webseiten sind die Daten oft mangelhaft oder gar nicht verfügbar.“

Insgesamt ist das Laden an öffentlichen Ladesäulen mit im Schnitt 54 Cent im Falle von Wechselstrom (AC) beziehungsweise 64 Cent je Kilowattstunde bei Gleichstrom dem vzbv zufolge deutlich teurer als das Laden zu Hause, wo der Preis an privaten Wallboxen meist rund 30 Cent beträgt. Besonders Menschen ohne Eigenheim würden dadurch vom Umstieg auf ein Elektroauto abgeschreckt, kritisiert der Verband. Zwar könnten vertragsbasierte Tarife helfen, Kosten zu senken, doch diese seien oft mit hohen Grundgebühren verbunden und böten nur an wenigen Ladepunkten echte Preisvorteile.