Wie KI die Wettervorhersagen verändert

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Stand: 01.07.2025 15:53 Uhr

Ein neues europäisches KI-Wettermodell übertrifft bisherige Wettervorhersagen. Wetterdienste können weltweit auf die neue Methode zugreifen und so in Zukunft die Vorhersagen verbessern.

Extreme Wetterlagen wie Starkregen, Wirbelstürme oder Gewitter früher und präziser vorhersagen – das ist eines der Ziele des neuen KI-Modells des Europäischen Zentrums für mittelfristige Wettervorhersage (ECWMF). Es ist einer der nächsten großen Schritte ins Zeitalter der KI-Wettervorhersage. Das KI-Modell berechnet 51 Vorhersage-Szenarien gleichzeitig. Diese Art der Wettervorhersage ist wichtig, um die Zuverlässigkeit der Prognosen abschätzen zu können.

Erstes offen verfügbare KI-Ensemble-Wettermodell

In Zukunft wird das ECWMF das neue KI-Modell allen Wetterdiensten weltweit zur Verfügung stellen und es unter einer Open-Source-Lizenz veröffentlichen. Die Wetterdienste können die neuen Daten dann für ihre Vorhersagen und Wetterwarnungen nutzen.

Die Entwickler versprechen sich viel von dem neuen Modell namens AIFS (Artificial Intelligence Forecasting System). Bei wichtigen Wetterparametern wie der Oberflächentemperatur liefert das Modell im Durchschnitt bis zu 20 Prozent bessere Ergebnisse als bisherige Modelle – abhängig von der Wetterlage, wie Florian Pappenberger, zuständiger Direktor für Vorhersagen vom ECWMF, erklärt: “Das ist jetzt ein Durchschnittswert. Das wird von Wetterlage zu Wetterlage verschieden sein.” In bestimmten Wetterlagen könnte das KI-Modell auch 40 Prozent besser sein, in anderen vielleicht auch schlechter.

Die Wetterdienste müssen nun lernen, in welchen Situationen das KI-Modell zuverlässiger ist als bisherige Verfahren. “Das hat viel mit Vertrauen zu tun”, sagt Pappenberger. Gerade bei Unwetterwarnungen müssten sich die Wetterdienste sicher sein, dass die Vorhersagen auch stimmen.

Viel schneller und effizienter

Noch muss sich also herausstellen, in welchen Wetterlagen das neue KI-Modell den bisherigen Modellen überlegen ist. Bei der Leistungsfähigkeit hat das KI-Wettermodell aber klare Vorteile. Es berechnet die Vorhersagen zehnmal schneller und ist viel effizienter. Im Vergleich zu herkömmlichen Vorhersagemodellen kann die KI den Energieverbrauch um das etwa 1.000-Fache reduzieren.

In den vergangenen beiden Jahren haben auch Tech-Konzerne wie Google mit neuen KI-Wettermodellen für Aufsehen gesorgt. Eine 2024 im Fachmagazin Nature veröffentlichte Studie zeigt, dass auch das Google-KI-Modell GenCast nicht nur mit klassischen Wettermodellen mithalten kann, sondern diese teilweise sogar übertrifft. Das KI-Modell GraphCast von Google war zum Beispiel schneller bei der Vorhersage von Wirbelstürmen als herkömmliche Wettermodelle.

Erste Erfolge erstmal ohne Wetterphysik

Die Tech-Konzerne waren auch ohne meteorologische Expertise erfolgreich – zumindest zu Beginn, sagt Pappenberger: “Die Anfangserfolge vom reinen Daten-Modellieren waren recht gut, doch dann kam es darauf an, ob man auch Expertise hat.”

Das Training des ersten KI-Modells von Google erfolgte zunächst nach einem recht simplen Prinzip: Die KI hat sich mit Beobachtungsdaten der vergangenen Jahrzehnte selbst trainiert. Sie hat selbst nach Mustern gesucht, indem sie kontinuierlich mit Wetterdaten Vorhersagen berechnet und dann direkt überprüft hat, wie präzise das KI-Modell war.

Das funktioniert erstmal ohne komplexe Physik – zum Beispiel für das Verhalten von Wolken in der Atmosphäre. KI-Modelle finden also ganz unabhängig von den bisherigen Vorhersagemethoden ihren eigenen Weg. Doch schnell zeigte sich, dass auch KI-Modelle von etwas physikalischem Hintergrundwissen profitieren können. Deshalb geben die Entwickler den neueren Modellen bestimmte physikalische Regeln als Grundlage auf den Weg.

Physik-Nachhilfe verbessert KI deutlich

Wenn die KI selbstständig nach Mustern für die Vorhersage sucht, gibt es für sie keine physikalischen Einschränkungen: “Zum Beispiel Regen. Jeder normale Mensch weiß, dass es keinen negativen Regen geben kann: Das weiß aber KI nicht.” So sind auch negative Regenmengen von minus fünf Litern für die KI zumindest denkbar. Deswegen hat das Entwicklungsteam des ECWMF damit begonnen, einfache physikalische Regeln der KI vorzuschreiben, also zum Beispiel: Regenwerte beim Niederschlag können nie negativ sein.

“Es klingt super einfach, aber hat die Vorhersagequalität für Regen in dem KI-Modell unglaublich verbessert”, sagt Pappenberger vom ECWMF. Es ist ein recht simples Beispiel, aber auch durch kompliziertere Regeln konnte das KI-Modell profitieren. Inzwischen gehen auch die Tech-Konzerne bei ihren Modellen so vor.

Europäisches KI-Modell aktuell Spitzenreiter

Aktuell ist das europäisches KI-Ensemble-Wettermodell besser als das von Google, sagt Pappenberger: “Wir sind da auch relativ offen damit. Auf unserer Webseite finden wir zum Beispiel die Vergleiche dieser verschiedenen Modelle.”

In allen Bereichen können KI-Modelle allerdings noch nicht mit herkömmlichen Wettermodellen mithalten. So haben sie beispielsweise eine etwas geringere Auflösung und berechnen das Wetter für weniger Datenpunkte auf der Erde. Für eine genauere Auflösung wäre der Trainingsprozess nochmal aufwendiger und teurer. Außerdem scheitern KI-Modelle auch noch bei der Vorhersage von Nebel. Es gibt also noch kleine Schwachstellen, aber es ist sicher nur eine Frage der Zeit, bis genauere Modelle vorgestellt werden.

Im Februar 2025 hat das ECMWF das erste kleinere KI-Modell offiziell gestartet, das bisher immer nur eine einzelne Vorhersage berechnet. Der nächste große Schritt ins KI-Zeitalter ist nun das neue Ensemble-Modell mit vielen Vorhersagen gleichzeitig – eine Möglichkeit, auf die viele Wetterdienste gewartet haben. Dank KI können sie das Wetter nun noch genauer prognostizieren. Und im besten Fall treffen die Wettervorhersagen bald noch häufiger zu.