Notenbanker sind gemeinhin eher nüchterne Menschen, überbordende Gefühlsäußerungen sind ihre Sache nicht. Umso bemerkenswerter, wie leidenschaftlich die Unterstützung für den amerikanischen Notenbankchef Jerome Powell auf dem Notenbankertreffen im portugiesischen Sintra in diesem Jahr ausfällt. In dem malerischen Ort kommen einmal im Jahr Notenbanker aus aller Welt zum EZB Forum zusammen, um sich über Geldpolitik auszutauschen.
Powell ist in diesem Jahr der Stargast. Sein Dauerstreit mit US-Präsident Donald Trump, in dem sich der Vorsitzende der Notenbank Federal Reserve (Fed) bisher gegenüber allen Einmischungsversuche als standhaft erwiesen hat, macht ihn zum Helden der Notenbankwelt. Trump will, dass die Fed die Zinsen senkt. Weil Powell das nicht macht, beschimpfte Trump ihn als „Mr. zu spät“ und als „Dummkopf“ und drohte ihm wiederholt mit Rauswurf.
Powell will sich auf seine Arbeit konzentrieren
Schon das Eröffnungsdinner in Sintra gerät zur Feier des Amerikaners. Am Ende ihrer Dinnerrede bittet EZB-Präsidentin Christine Lagarde um Applaus für den tapferen Kollegen. Sie beschreibt ihn als Inbegriff des „mutigen Notenbankers“. Die Konferenzteilnehmer, Notenbanker und Wissenschaftler aus aller Welt, geben „Standing Ovations“.
Powell selbst wirkt sehr gefasst für jemanden, der gerade solche Konflikte durchzustehen hat. Aber das kann auch eine Fassade sein, die der heute Zweiundsiebzigjährige sich im Laufe eines umkämpften Lebens zugelegt hat. Powell hebt abermals hervor, die Effekte der Trump-Zölle auf die Inflation seien nach wie vor unklar, man müsse „abwarten“. Er konzentriere sich ganz auf seinen Job. Die Frankfurter Notenbanker jedenfalls fühlten mit ihm, hieß es. EZB-Direktoriumsmitglied Isabel Schnabel nannte die Fed derzeit „den Inbegriff der Unabhängigkeit“. Es geht ihnen auch um die Berufsehre ihrer Zunft: Unabhängigkeit ist für Notenbanker zentral, das Rütteln daran macht allen Sorgen. Lagarde hob hervor: „Wir würden an seiner Stelle genau das gleiche machen wie Powell.“
Notenbanker sind bei Inflation zuversichtlich
Es dürfte trotz allem vermutlich Powells letzter Auftritt in Sintra gewesen sein. Seine Amtszeit endet im Mai nächsten Jahres. Zuletzt hatte Trump angedeutet, er könnte womöglich schon im September oder Oktober einen Nachfolger präsentieren und Powell so als „lame duck“ schwächen. „Ich wüsste schon drei oder vier Leute“, hatte Trump gesagt. Bemerkenswerterweise ist einer der Kandidaten, die als mögliche Powell-Nachfolger genannt werden, auch in Sintra: Fed-Mitglied Christopher Waller, 66 Jahre, hält sich auf der Konferenz aber eher im Hintergrund.
Auch wenn die Folgen der US-Zollpolitik für die Inflation im Euroraum noch nicht endgültig klar sind, äußern sich die Notenbanker zuversichtlich. Die Inflationsrate ist im Juni zwar von 1,9 auf 2,0 Prozent leicht gestiegen, wie das europäische Statistikamt Eurostat am Dienstag verkündete. Ziel der EZB sind zwei Prozent. Bundesbankpräsident Joachim Nagel sagte am Rande der Konferenz, die Notenbank habe die Inflation weitgehend unter Kontrolle gebracht, man solle sich aber nicht in Sicherheit wiegen.
Pünktlich zur Sintra-Konferenz hat die EZB zudem die Ergebnisse ihrer Strategieüberprüfung vorgelegt. Es soll graduelle Änderungen geben, die der Tatsache Rechnung tragen sollen, dass die Notenbank künftig mehr geopolitische Schocks und mehr Unsicherheit erwartet. „Ein Wort dominiert die öffentliche Debatte der vergangenen Wochen, das ist Unsicherheit“, sagte Lagarde. Auch der Klimawandel, die Alterung der Gesellschaft und die Fragmentierung im Welthandel könnten die Arbeit der Notenbank schwieriger machen. Darauf will die EZB reagieren, indem sie „agiler“ wird. Auf starke Abweichungen vom Inflationsziel werde sie entschieden reagieren, „unvermeidliche kurzfristige Abweichungen“ vom Inflationsziel dagegen will sie zulassen. Das Inflationsziel von zwei Prozent hatte die EZB, wie erwartet, nicht angerührt.
Diskussionen hatte es im EZB-Rat hingegen gegeben, wie man künftig mit den Anleihekäufen umgehen soll. Direktoriumsmitglied Schnabel hatte geäußert, diese hätten sich für Krisen bewährt, als Dauerinstrument aber seien die Kosten sehr hoch. Jetzt sollen die Anleihekäufe weiter Bestandteil des Instrumentenkastens bleiben. Aber wenn man sie einsetzt, soll eine stärkere Abwägung mit anderen Instrumenten erfolgen. Auch um die Forward Guidance gab es Debatten, um die Ankündigungen der Notenbank für den weiteren Kurs. Die Notenbank hatte sie zuletzt kaum noch eingesetzt und stattdessen darauf verwiesen, man entscheide „datenabhängig“ von Sitzung zu Sitzung. Die Forward Guidance soll nun Bestandteil des Instrumentenkastens bleiben. Im Ausblick will man aber stärker mit unterschiedlichen Szenarien arbeiten.