Die Bahn und die grün-schwarze Landesregierung haben für den Fern- und Regionalverkehr in Baden-Württemberg vereinbart, die Digitalisierung der Signal- und Steuerungstechnik auszubauen und weiter in Ausbau von Strecken und in die Sanierung von Bahnhöhen zu investieren. Das kündigten Ministerpräsident Winfried Kretschmann (Grüne) und der Bahn-Vorstandsvorsitzende Richard Lutz am Dienstag in Stuttgart an.
Kretschmann erklärte: „Wir modernisieren die Bahnhöfe und Bahn im Land, denn wir wollen ja die Fahrgastzahlen bis 2030 verdoppeln – verglichen mit dem Jahr 2020.“ Die dritte Stufe der Digitalisierung sei dringend nötig, um die notwendige Pünktlichkeit und Verlässlichkeit zu erreichen.
Bahnchef Lutz sagte, Deutschland habe viele Baustellen, eine sei auch die Bahn. Die Menschen vermuteten auch dahinter einen „nicht funktionierenden Staat“, deshalb werde die Bahn das auch mit den Geldern aus dem Sondervermögen Infrastruktur und Klima ändern. Wichtigste Ziele sind die vollständige Digitalisierung des neuen Bahnknotens in Stuttgart und der Bau des Pfaffensteigtunnels.
Allein der Bau der dritten Stufe des digitalen Zugsteuerungssystems ETCS erzeugt eine Kapazitätssteigerung von jeweils 15 Prozent im Fern- und Regionalverkehr. Insgesamt soll mit dem neuen Bahnknoten ein Kapazitätszuwachs von bis zu 40 Prozent erreicht werden; der Bau des Pfaffensteigtunnels im Süden Stuttgarts ermöglicht dauerhaft eine durchgehende Zugverbindung von Stuttgart über Singen nach Konstanz. Beide Vorhaben unterstützt die Bundesregierung im Haushaltsentwurf, es fehlt aber die endgültige Freigabe der Gelder durch den Bundestag.
Stuttgarter Bahnknoten als Pilotmodell
Bahnchef Lutz sagte: „Die Finanzierung der Digitalisierung liegt deutlich oberhalb der Linie der alten Regierung. Das erlaubt uns, die Digitalisierung in allen Ausbaustufen zu realisieren.“ Man habe die realistische Erwartung, dass sich die Finanzierungserwartung erfülle und man dann schnell mit der Planung, Genehmigung und Umsetzung beginnen könne. Die Bahn habe entschieden, eine Metropolregion als Pilotmodell zu digitalisieren – das sei der neue Stuttgarter Bahnknoten; auch der Pfaffensteigtunnel sei „integraler Bestandteil“ des Projekts Stuttgart 21, damit sei man aber „noch nicht ganz so weit“ wie bei der Digitalisierung.
In der gemeinsamen Erklärung von Bahn und Land zur Digitalisierung heißt es: „Wenn der Bund im Bundeshaushalt die entsprechenden Mittel bereitstellt, können im Laufe des Jahres alle erforderlichen Vereinbarungen einschließlich der nötigen Gremienzustimmungen abgeschlossen werden.“ Andreas Schwarz, Fraktionsvorsitzender der Grünen im baden-württembergischen Landtag, sagte der F.A.Z.: „Die Digitalisierung des Schienenverkehrs ist das wichtigste Ziel, nur so erreichen wir die erforderlichen Steigerungen im Regional- und S-Bahn-Verkehr auf der vorhandenen Infrastruktur. Politisch gibt es die Zusagen, jetzt muss der Bund endlich die Gelder freigeben.“
Am 17. Juli findet eine Sondersitzung des Lenkungskreises für das Projekt Stuttgart 21 statt, dann soll entschieden werden, ob eine Inbetriebnahme des neuen Bahnhofs Ende 2026 tatsächlich realistisch ist. Diskutiert wird über eine Fortführung des Betriebs im Kopfbahnhof für weitere zwei Jahre, weil der Anschluss des unterirdischen Durchgangsbahnhofs an den Regionalbahnhof Bad Cannstatt technisch kompliziert ist. Die Bahn will eine Teilinbetriebnahme vermeiden.
Nach der Aussage der Stuttgart-21-Projektgesellschaft hat die Eröffnung des Durchgangsbahnhofs „oberste Priorität“, man werde Mitte Juli das Inbetriebnahmekonzept vorlegen. Der Bahnvorstandsvorsitzende Lutz und der baden-württembergische Verkehrsminister Winfried Hermann (Grüne) sagten, man könne der Entscheidung des Lenkungskreises nicht vorgreifen und bitte um Geduld. Hermann erklärte, „wir kommentieren das nicht, das wird der Lenkungskreis entscheiden, wir sind sowieso nicht fertig, wenn wir den neuen Bahnhof im nächsten Jahr in Betrieb nehmen.“ Es gehe darum, einen großen Bahnknoten „wirklich gut zu machen“.