Steuerrabatt für Strom statt für die Gastronomie?

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Bleibt es dabei, dass nur das produzierende Gewerbe von der reduzierten Stromsteuer profitiert, oder wird der Kreis der Begünstigten doch noch erweitert? Vor der Sitzung des Koalitionsausschusses am Mittwoch wächst der Druck auf die schwarz-rote Koalition, ihre Finanzplanung zu überdenken. Nicht nur innerhalb der Koa­lition knirscht es. Auch die ökonomischen Berater der Regierung zeigen sich verwundert über das bisherige Vorgehen.

Einer davon ist Jens Südekum, seit Kurzem Berater von Finanzminister Lars Klingbeil (SPD). „Hätte die Koalition auf den Start der Mehrwertsteuersenkung in der Gastronomie zum 1. Januar 2026 verzichtet, wären sofort rund vier Milliarden Euro mehr zu verteilen und die komplette Senkung der Stromsteuer finanzierbar gewesen“, sagt Südekum und fügt hinzu: „Volkswirtschaftlich hätte das mehr gebracht.“ Die Mehrwertsteuersenkung für die Gastronomie hatte maßgeblich die CSU in den Koalitionsvertrag verhandelt. Bislang ist keine Partei davon abgerückt.

Auch die Vorsitzende des Sachverständigenrats sieht anders als Klingbeil und Kanzler Friedrich Merz (CDU) durchaus Spielraum für eine breitere Entlastung der Stromkunden. „Hätte man sich für die Stromsteuersenkung und gegen die Abschaffung der Gasspeicherumlage entschieden, wäre dies unter dem Strich ähnlich teuer gewesen, aber es würde die besseren Anreize für den Umstieg auf strom­basierte Technologien setzen“, sagt Mo­nika Schnitzer: „Andere offensichtliche Kandidaten wären, auf die Mehrwertsteuersenkung für die Gastronomie oder die Erhöhung der Mütterrente zu verzichten.“ Die verursachten ähnliche Kosten. In der aktuellen Haushaltsplanung sind für die Mütterrente Mehrausgaben von jährlich fünf Milliarden Euro von 2028 an vorgesehen. Der CSU-Vorsitzende Markus Söder pochte aber kurz vor dem Koa­litionsausschuss ein weiteres Mal auf ei­nen früheren Starttermin, obwohl die Rentenversicherung dies für technisch nicht machbar hält.

Deutsche Haushalte zahlen zweithöchste Strompreise in der EU

Die Stromsteuersenkung ist zum Poli­tikum geworden. Nachdem Wirtschaftsministerin Katherina Reiche (CDU) Anfang vergangener Woche eher beiläufig vor Wirtschaftsvertretern erwähnt hatte, der Kreis der Begünstigten könne entgegen dem Koalitionsvertrag vorerst nicht erweitert werden, wurde nicht nur aus dem nichtproduzierenden Teil der Wirtschaft, sondern auch innerhalb der CDU Kritik laut, etwa von Generalsekretär Carsten Linnemann und Fraktionschef Jens Spahn. Das Bundesfinanzministerium beziffert die Kosten einer Entlastung aller Stromkunden auf 5,4 Milliarden Euro im kommenden Jahr.

Clemens Fuest, einer der Architekten der hohen Neuverschuldung der schwarz-roten Koalition, zeigt dagegen mehr Verständnis. Die Senkung der Stromsteuer für alle Verbraucher hielte er zwar wegen der Lenkungswirkung – weg von Kohle und Gas, hin zu Strom – prinzipiell für richtig. Fuest sagt aber auch: „Die Senkung der Stromsteuer für private Haushalte hätte nur geringe Wachstumseffekte, wäre aber fiskalisch teuer. Daher habe ich Verständnis, dass die Bundesregierung Prioritäten woanders sieht.“ Unabhängig davon fände es aber auch Fuest richtig, auf die Mehrwertsteuersenkung für die Gastronomie zu verzichten: „Diese Steuersenkung ist noch schlechter begründbar als die Stromsteuersenkung.“

Die hohen Strompreise gelten als ein Grund für die schleppende, zum Erreichen der Klimaziele aber notwendige Verbreitung von Elektroautos und Wärmepumpen. So klagt etwa der Wärmepumpenverband regelmäßig über das ungüns­tige Verhältnis von Strom- zu Gaspreisen. In der Tat zahlen deutsche Haushalte mit im Durchschnitt knapp 40 Cent je Kilowattstunde die zweithöchsten Strompreise in der EU. Das liegt auch an der hohen Belastung mit Steuern, Abgaben, Umlagen sowie Netzentgelten, die zu den ei­gent­lichen Kosten für Beschaffung und Vertrieb kommen , während die Industrie vielfach von Befreiungen pro­fitiert. Insbesondere der für die Inte­gration von immer mehr Ökostrom wichtige Netzausbau wird die Kosten in den kommenden Jahren weiter in die Höhe schnellen lassen.

Wirtschaftsministerin Reiche verteidigt Vorgehen

Schätzungen der Denkfabrik Agora Energiewende zufolge könnten die Netzentgelte und netzfinanzierenden Umlagen trotz steigender Stromnachfrage bis 2045 um durchschnittlich 20 Prozent ansteigen. Doch auch die Kosten für die Beschaffung von Strom im Großhandel sowie den Vertrieb sind mit gut 16 Cent immer noch etwa doppelt so hoch wie vor der Energiekrise. Das liegt unter anderem daran, dass Gaskraftwerke am Strommarkt häufig den Preis setzen und Deutschland nicht mehr auf günstiges russisches Gas zurückgreift. Ein weiterer Grund sind die gestiegenen Preise im europäischen Emissionshandel.

Reiche verteidigte ihr Vorgehen am Dienstag abermals. „Wir stärken mit dieser Maßnahme den Industriestandort Deutschland“, sagte sie und verwies auf die 3,4 Milliarden Euro Entlastung durch den Wegfall der Gasspeicherumlage, die für 2026 geplanten 6,6 Milliarden Euro Zuschuss zu den Netzentgelten sowie 14 Milliarden Euro für den Ausbau der erneuerbaren Energien. Die EEG-Umlage wird seit drei Jahren nicht mehr auf die Stromverbraucher umgelegt, sondern aus dem Bundeshaushalt finanziert. Union und SPD hatten im Wahlkampf zur Entlastung von steigenden CO2-Preisen zudem ein Klimageld versprochen; dieses hatte es jedoch nicht in den Koalitionsvertrag geschafft.