Was ist „The One Big Beautiful Bill“?
Das ist der Name für ein umfangreiches Steuer- und Ausgabengesetz, mit dem Donald Trump die Richtung für seine zweite Amtszeit als US-Präsident vorgeben will. Es vereint eine ganze Reihe seiner Prioritäten in einem einzelnen Paket – darauf spielt auch seine Bezeichnung als der „eine große, schöne Gesetzentwurf“ an. Trump hat selbst gesagt, das Gesetz solle seine „volle Agenda“ widerspiegeln.
Wie nahe ist das Gesetz daran, verabschiedet zu werden?
Nach zähen Verhandlungen hat der von der Republikanischen Partei kontrollierte Senat dem Gesetz am Dienstag mit der kleinstmöglichen Mehrheit zugestimmt, nachdem eine frühere Version des Gesetzes im Mai vom Abgeordnetenhaus gebilligt wurde. Jeweils 50 Senatoren waren dafür und dagegen, in dieser Pattsituation bekam Vizepräsident J.D. Vance die entscheidende Stimme. Das im Senat modifizierte Gesetz, das mehr als 900 Seiten hat, muss nun zurück zum Abgeordnetenhaus. Dort hat es noch immer Hürden zu überwinden, aber es könnte am Mittwoch zu einer Abstimmung kommen. Donald Trump will das Gesetz bis zum Freitag unterzeichnen, dem amerikanischen Nationalfeiertag. Er hat gesagt, das wäre eine „wunderbare Feier für unser Land“.
Was sind Kernelemente des Gesetzes?
Ein Hauptziel ist es, den Fortbestand der Steuerreform zu sichern, die 2017 in Trumps erster Amtszeit beschlossen wurde. Einige der damals vereinbarten Steuersenkungen würden Ende dieses Jahres auslaufen, das neue Gesetz würde sie dauerhaft verankern. Darüber hinaus enthält es zusätzliche Steuersenkungen. Mit dem Gesetz werden auch Initiativen von Trumps Vorgänger Joe Biden zurückgefahren, zum Beispiel auf Gebieten wie Elektromobilität und erneuerbare Energien. Das Gesetz würde Ausgaben für Verteidigung und Grenzsicherung deutlich erhöhen, dafür soll es anderswo Einsparungen geben, zum Beispiel bei Medicaid, der staatlichen Krankenversicherung für Geringverdiener und Menschen mit Behinderungen.
Welchen Effekt hätte das Gesetz auf die Staatsverschuldung in den USA?
Es würde sie wohl enorm erhöhen. Das Congressional Budget Office (CBO), eine als parteiunabhängig geltende Rechnungsprüfungsstelle des Kongresses, schätzt, dass der im Senat vorangebrachte Gesetzentwurf die Staatsverschuldung bis 2034 um 3,3 Billionen Dollar anhebt. Das ist noch einmal deutlich mehr als die im Abgeordnetenhaus gebilligte Version, bei der von 2,8 Billionen Dollar die Rede war. Die Staatsverschuldung in den USA liegt derzeit bei 36,2 Billionen Dollar – und damit in etwa auf Höhe der gegenwärtigen Schuldenobergrenze. Das Gesetz sieht auch vor, diese Obergrenze um 5 Billionen Dollar anzuheben.
Was sagt Trump zu dem Vorwurf, mit dem Gesetz die Schulden zu erhöhen?
Er bestreitet das und nennt es einen „Mythos“. In einer Mitteilung des Weißen Hauses wird sogar behauptet, das Gesetz werde die Schulden um zwei Billionen Dollar senken und für „historischen Wohlstand“ sorgen, weil es das Wirtschaftswachstum beschleunige und Ausgaben kürze. Das Weiße Haus stellte auch die CBO-Schätzungen infrage. Das CBO habe eine „schreckliche Bilanz“ mit seinen Vorhersagen und verdiene nicht die Aufmerksamkeit, die ihm Medien schenkten.
Welche steuerlichen Veränderungen sind geplant?
Das Gesetz würde dafür sorgen, dass die 2017 beschlossenen Steuersenkungen für Einzelpersonen, die Ende dieses Jahres auslaufen würden, dauerhaft beibehalten werden. Die damals beschlossenen Steuersenkungen für Unternehmen waren ohnehin schon permanenter Natur. Von der Steuerreform aus Trumps erster Amtszeit profitierten Fachleuten zufolge wohlhabende Amerikaner am meisten, und diese Gruppe kann sich nun darauf freuen, dass die Erleichterungen permanent sein werden. Das Gesetz würde aber auch einige von Trumps Wahlversprechen umsetzen, die stärker auf niedrigere Einkommensklassen abzielen. Es würde zum Beispiel dafür sorgen, dass bis zu einem bestimmten Betrag keine Steuern mehr auf Trinkgelder und Überstunden gezahlt werden müssen.
Welche Ausgaben werden aufgestockt?
Das Gesetz beinhaltet mehr als 150 Milliarden Dollar an zusätzlichen Rüstungsausgaben. Ein Teil davon soll in das von Trump angekündigte Raketenabwehrsystem „Golden Dome“ fließen. Rund 150 Milliarden Dollar sind auch für die Grenzsicherung vorgesehen. Damit sollen unter anderem Kapazitäten zur Inhaftierung von Einwanderern ausgeweitet werden. Ein anderer neuer Ausgabenposten sind steuerbegünstigte „Trump Accounts“. Das sind Aktiendepots für Neugeborene, die von der Regierung mit einem Startkapital von 1000 Dollar ausgestattet werden.
Wo wird gespart?
Der wichtigste Posten ist Medicaid. Das Gesetz sieht strengere Anforderungen für dieses weithin genutzte Programm vor, nach CBO-Angaben würde es dafür sorgen, dass bis 2034 insgesamt 11,8 Millionen Amerikaner ihre Krankenversicherung verlieren. Trump bestreitet auch diese Zahl. Für das staatliche Programm „Snap“, das bedürftigen Amerikanern Lebensmittelmarken gewährt, soll es ebenfalls mehr Restriktionen geben, außerdem sollen die einzelnen Bundesstaaten einen größeren Teil der Kosten übernehmen.
Was bedeutet das Gesetz für die Energiepolitik?
Das Gesetz würde eine Reihe von Förderprogrammen für umweltfreundliche Technologien wegfallen lassen, die unter Biden im Gesetzespaket Inflation Reduction Act eingeführt wurden. Beispielsweise sollen Steuergutschriften für den Kauf von Elektroautos sowie für Solar- und Windanlagen auslaufen. Zeitweise war sogar eine neue Steuer für Solar- und Windprojekte vorgesehen, wenn dabei ein bestimmter Anteil von Komponenten aus China verwendet wird. Dies wurde aber gestrichen.
Stehen die Republikaner geschlossen hinter dem Gesetz?
Nein, viele Republikaner hatten ernsthafte Bedenken, das spiegelt sich auch in der knappen Mehrheit für das Gesetz in beiden Kammern des Kongresses wider. Dabei gab es zwei sehr verschiedene Lager. Eine Gruppe von Fiskalkonservativen forderte mit Blick auf den drohenden Anstieg der Staatsverschuldung zusätzliche Ausgabenkürzungen. Moderatere Republikaner äußerten die Sorge, dass die Einschnitte bei der staatlichen Krankenversicherung zu weit gehen. Es könnte deshalb auch noch Widerstände geben, wenn das Gesetz jetzt wieder im Abgeordnetenhaus landet. Trump forderte die dortigen Republikaner am Dienstag auf, Einigkeit zu demonstrieren und “gelegentliche Wichtigtuer“ zu ignorieren.
Was sagen Amerikaner zu dem Gesetz?
Sie zeigen sich überwiegend kritisch. In einer in der vergangenen Woche veröffentlichten Umfrage der Quinnipiac University gaben 55 Prozent der Befragten an, sie seien gegen das Gesetz, nur 29 Prozent waren dafür. Auch in einer Umfrage des Fernsehsenders Fox News äußerte sich eine Mehrheit von 59 Prozent ablehnend. 49 Prozent der Befragten gaben außerdem an, sie rechneten damit, dass das Gesetz ihrer Familie schaden werde. Dem standen 23 Prozent gegenüber, die bekundeten, das Gesetz werde ihrer Familie helfen.
Was hat Elon Musk mit dem Gesetz zu tun?
Das Gesetz war Auslöser für den Bruch zwischen Trump und dem reichsten Menschen der Welt. Musk hat Trump im Wahlkampf unterstützt und war zeitweise einer seiner engsten Berater. Nachdem er das Gesetz öffentlich kritisierte, kam es zum Zerwürfnis. Musk warf Trump Undankbarkeit vor und sagte, ohne seine Hilfe wäre er nicht zum Präsidenten gewählt worden. Nachdem er sich zwischenzeitlich etwas zurückgehalten hatte, hat Musk in den vergangenen Tagen seine Attacken wieder verschärft. Er sagte, das Gesetz werde „die höchste Schuldenerhöhung der Geschichte“ bringen, und er drohte damit, in kommenden Wahlkämpfen Gegenkandidaten von Politikern zu unterstützen, die für das Gesetz stimmen. Trump konterte, Musk bekomme womöglich mehr Subventionen „als jeder andere Mensch in der Geschichte“, und er drohte zum wiederholten Mal, Musks Unternehmen Staatsaufträge zu entziehen. Auf eine entsprechende Frage von Journalisten schloss er nicht aus, Musk in sein Heimatland Südafrika abzuschieben. Musks Kritik an dem Gesetz kommt nicht aus einer neutralen Warte, es würde den von ihm geführten Elektroautohersteller Tesla treffen.
Warum war Künstliche Intelligenz ein Streitpunkt?
Das Gesetz enthielt zwischenzeitlich ein Moratorium für KI-Regulierung, das wenig mit seinen anderen Elementen zu tun hatte und entsprechend wie ein Fremdkörper wirkte. Es war Bestandteil des Entwurfs, der ursprünglich im Abgeordnetenhaus verabschiedet wurde, fiel jetzt aber in der Version des Senats heraus. Demnach hätten auf der Ebene von Bundesstaaten in den nächsten zehn Jahren keinerlei Gesetze zur KI-Regulierung verabschiedet werden dürfen. Da es bisher vor allem Bundesstaaten waren, die solche Vorschriften erlassen haben, wäre das wohl de facto darauf hinausgelaufen, dass es in den USA auf absehbare Zeit kaum Regulierung auf diesem Gebiet gegeben hätte. Das Gesetz wäre also der Technologiebranche entgegengekommen, die freie Bahn gehabt hätte, ihre KI-Anwendungen zu entwickeln. Das Moratorium war sehr umstritten, Gegner haben argumentiert, es würde die Rechte von Bundesstaaten beschneiden, und ein auf zehn Jahre angelegter Regulierungsstopp sei auf diesem sich rasant entwickelnden Gebiet viel zu lang.