Jurassisch war diese Welt ja nie besonders. Das galt bereits für die Stars aus dem ersten Kinofilm über gentechnisch wiedererweckte Urzeitechsen aus dem Jahr 1993. Namentlich der Tyrannosaurus rex sowie die beliebten Gattungen Velociraptor und Triceratops lebten nicht im Jura, sondern zig Millionen Jahre später in der Kreidezeit. In der sechsten Ausgabe der Filmreihe, „Jurassic World: Dominion“, war 2022 sogar ein Dimetrodon zu sehen, ein sogenannter Synapsid aus dem Perm, der letzten Epoche der Erdurzeit, als es noch überhaupt keine Dinosaurier gab.
Andererseits haben die Production-Designer Kritik und Anregungen vonseiten der Forschung nicht immer völlig ignoriert: Nachdem sich im Laufe der Neunzigerjahren herauszustellen begann, dass manche Dinosaurier über Federn verfügten, stattete man 2001 in „Jurassic Park III“ die Velociraptoren mit Ansätzen von Gefieder aus, und in „Dominion“ tritt ein Pyroraptor in prächtigem, knallrotem Federkleid auf.
Spuren vor den Toren von Denver
Nun kommt also das neueste, siebte Saurier-Spektakel in die Kinos, „Jurassic World: Rebirth“, und vielleicht mehr als auf den Plot darf man darauf gespannt sein, ob und, wenn ja, welche neuen paläontologischen Erkenntnisse eingeflossen sind. Immerhin stellte sich 2023 heraus, dass T. rex vermutlich Lippen besaß, also nicht ständig mit gebleckten Zähnen durch die Gegend lief.
Insbesondere aber könnten die Filmemacher eine Studie rezipiert haben, die im Januar 2016 in „Scientific Reports“ erschien. Dort untersuchte ein Team um den 2023 verstorbenen Paläontologen Martin Lockley von der Universitiy of Colorado in Denver charakteristische, bis zu zwei Meter lange, zumeist zweiteilige Vertiefungen. Sie treten an mehreren Stellen Nordamerikas zutage, zumeist im sogenannten Dakota Sandstone , dessen Sedimentmaterial vor etwa 97 Millionen Jahren, zu Beginn der Oberkreide, am westlichen Rand eines großen flachen Meeres abgelagert wurde, das Nordamerika damals in zwei Landmassen teilte. Wie Lockley und Kollegen aus ihren Untersuchungen ableiteten, müssen dort damals Dinosaurier Balzrituale abgehalten haben.
Schauplatz kreidezeitlichen Scharrens
In einer unlängst im Fachjournal „Cretaceous Research“ erschienenen Auswertung neuer Beobachtungsdaten an einem der Fundorte Lockleys – der „Dinosaur Ridge“ vor den Toren Denvers – hat nun ein Team um Caldwell Buntin von der Old Dominion University in Norfolk, Virginia, weitere von Dinosauriern hinterlassene Vertiefungen entdeckt und ihre Interpretation solcher Befunde als Balzspuren bestätigt. Insgesamt kennt man nun 136 dieser oft in Clustern auftretenden versteinerten Ausschabungen an insgesamt fünf Fundorten in Colorado sowie eine weitere an der Grenze zwischen den kanadischen Provinzen Alberta und British Columbia.
Lockley und seine Mitautoren hatten sie als Gruben identifiziert, die Theropoda ausgescharrt haben, Dinosaurier, die wie T. rex auf zwei Hinterbeinen liefen. Solches Scharrverhalten hätten die Tiere vermutlich auch beim Anlegen von Nestern gezeigt, doch könne es sich hier nicht um wirkliche Nester handeln – nirgends gibt es Spuren von Eiern – und auch nicht um das Ergebnis einer Suche nach Nahrung oder Wasser. Vielmehr, so die Hypothese Lockleys und seiner Mitautoren, habe man hier die Spuren von etwas vor sich, das Vogelkundler „Nestkratzverhalten“, „Kratz-Zeremonie“ oder „Pseudo-Nestbau“ nennen – ein bei vielen heutigen bodenbrütenden Vögeln verbreitetes Balzverhalten.
Die Ahnen der Vögel
Es handele sich also um versteinerte Stätten paarungsanbahnender Praktiken, die Ornithologen als „Lek“ bezeichnen. Das Wort ist schwedisch und mit dem dänischen „leg“ verwandt, das auch im Markennamen „Lego“ steckt. Beides bedeutet „Spiel“. Ein Lek ist bei Arten mit Nestkratzverhalten ein Ort, an dem Männchen den Weibchen ihre Fähigkeit demonstrieren, einen geeigneten Nistplatz zu schaffen, um sich als kompetenten Brutpartner anzubieten. Das erinnert dann zuweilen an einen Tanz, den die Männchen aufführen.
Tanzten auf dem Sand, der später zur Dakota-Formation versteinerte, also die Dinosaurier? Die Entdeckung von Dinosaurier-Leks ist insofern bedeutend, als es sich um Spuren des Verhaltens einer ausgestorbenen Tiergruppe handelt, also von etwas, das selbst nicht versteinern kann. Ein Balzverhalten bei Theropoden selbst ist indes nicht ganz so überraschend, stammen doch sämtliche heute lebenden Vögel, vom Kaiserpinguin bis zum Kolibri, von theropoden Dinosauriern ab. Die Vögel entwickelten sich aus ihnen noch vor dem Aussterben der kultigen Reptiliengruppe am Ende der Kreidezeit.
Einen zusätzlichen Befund liefern nun die 25 neuen Kratzgruben, die Caldwell Buntin und Kollegen mit Drohnen auf der Dinosaur Ridge entdeckt haben. Sie finden sich in zwei Schichten. „Diese wurden von demselben Flusssystem an gegenüberliegenden Ufern geschaffen“, sagt Buntin. Der geologische Befund lege dabei eine Langlebigkeit dieser Landschaft nahe – vielleicht ein paar Tausend bis einige Zehntausend Jahre.
Das Auftreten von Nestkratzspuren in mehr als einem Felsbett an zwei verschiedenen Orten im Osten und im Westen Colorados verrate zudem, dass die betreffende Dinosaurierarten zu diesen Orten zurückkehrten. „Das kann Zufall sein oder Absicht“, sagt Buntin. „War es Absicht, würde ich das als Standorttreue interpretieren. Die gibt es auch bei einigen Vögeln, die in jeder Paarungssaison immer wieder dieselben Stellen aufsuchen.“
Bleibt die Frage, um welche Dinosaurier es sich handelte. „Das wissen wir nicht genau“, sagt Caldwell Buntin. „Im Dakota Sandstone finden sich zwar viele versteinerte Laufspuren von Dinosauriern, aber Körperfossilien fehlen.“ Aus den Dimensionen der Kratzspuren der Leks leiten die Forscher eine Hüfthöhe der verursachenden Tiere zwischen einem und zwei Metern und eine Gesamtlänge zwischen zweieinhalb und fünf Metern ab. Und da im Dakota-Sand kaum ausgesprochene Raubsaurier unterwegs waren, vermutet Buntin einen Pflanzen- oder Allesfresser. Die meisten der Laufspuren im Dakota Sandstone werden ornithomimiden Dinosauriern zugerechnet, die äußerlich heutigen Straußen ähnelten. Das macht sie für prominentere Auftritte im Kino vielleicht nur bedingt geeignet.