Deutschland trifft Vorbereitungen für den Wassernotstand

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Angesichts der Hitzewelle, die auch Deutschland erfasst hat, mahnen Fachleute zu besserer Vorsorge gegen Wasserknappheit. „In Hitzewellen rechnen wir lokal mit einer bis zu 60 Prozent höheren Beanspruchung der technischen Versorgungsanlagen“, sagte Martin Weyand, Hauptgeschäftsführer Wasser und Abwasser des Bundesverbands der Energie- und Wasserwirtschaft (BDEW). In den heißen Sommern der Jahre 2022 und 2023 hatten nach Angaben des Deutschen Städtetages jeweils rund 80 Kommunen die Nutzung von Trink- oder Grundwasser für bestimmte Zwecke beschränkt oder das Ableiten von Wasser aus Flüssen oder Seen zeitweise untersagt.

Der BDEW fordert die Bürger auf, Trinkwasser „bewusst und sparsam zu nutzen“, etwa indem sie duschten statt zu baden. Deutschland verfüge grundsätzlich über ausreichend Wasserressourcen, sagt Weyand. Aber der Klimawandel mache sich auch hierzulande bemerkbar, „bis hin zu akuter Wasserarmut in einigen Regionen“, sagt der Hauptgeschäftsführer des Städte- und Gemeindebundes (DStGB), André Berghegger. Gemeinden in trockenen Regionen rät er, sie sollten die Bürger auch auf Verbote vorbereiten.

Nahrungsmittelproduktion und Trinkwasser haben Vorrang

„Wenn die Daten eine akute Wasserarmut belegen, darf kein Wasser für die Freizeitgestaltung genutzt werden, dann muss das Bewässern von Golf- und Tennisplätzen oder Gärten für eine begrenzte Zeitspanne untersagt werden. Nahrungsmittelproduktion und ausreichend Trinkwasser müssen immer Vorrang haben“, sagte Berghegger der „Neuen Osnabrücker Zeitung“. Konkrete Entscheidungen, etwa den Zugang zu Wasser zu begrenzen, sollte nicht der Bund, sondern die jeweiligen Gemeinden und Landkreise treffen.

Das Bundesumweltministerium arbeitet daran, gemeinsam mit den Bundesländern priorisierte Maßnahmen aus der Nationalen Wasserstrategie umzusetzen und weiterzuentwickeln. Als vordringlich gelten unter anderem bundesweite Leitlinien für den Umgang mit Wasserknappheit. Konkret geht es um die Frage, wer Vorrang bekommen soll, wenn auf lokaler oder regionaler Ebene über Einschränkungen zu entscheiden ist.

DSGVO Platzhalter

Der Deutsche Bauernverband (DBV) fordert, eine Priorisierung der Landwirtschaft in der Wassernutzung. Neben der Trinkwasserversorgung müsse die Ernährung und damit die Bewässerung landwirtschaftlicher Kulturen sowie der Wasserbedarf für die Tierhaltung „oberste Priorität“ haben, argumentiert der DBV-Umweltbeauftragte und Präsident des Bauern- und Winzerverbandes Rheinland-Pfalz Süd, Eberhard Hartelt. Im Übrigen würden nur rund drei Prozent der gesamten landwirtschaftlichen Fläche, rund 500.000 Hektar, bewässert, teilte Hartelt mit.

Das meiste Wasser kommt auf die Energieversorgung

Grundwasser werde zu rund 51 Prozent von der öffentlichen Wasserversorgung entnommen und anschließend an die Wirtschaft und die privaten Haushalte weiterverteilt, schreibt das Statistische Bundesamt. Zusätzlich ziehen Energieversorger, verarbeitendes Gewerbe, Landwirtschaft und Privathaushalte selbst Wasser aus Flüssen, Seen oder Talsperren, aus dem Grundwasser sowie aus Uferfiltrat, Quellwasser oder Meer- und Brackwasser. Der Anteil der Landwirtschaft an der Wasserentnahme betrage nur zwei Prozent, hebt der Bauernverband hervor. Das meiste Wasser entnehmen nach Angaben des Statistischen Bundesamtes Betriebe der Energieversorgung, gefolgt vom verarbeitenden Gewerbe, vor allem für die Herstellung chemischer Erzeugnisse.

Allerdings fehlt in Deutschland bislang eine Gesamtübersicht zur Wasserentnahme. Auch gibt es je nach Bundesland sehr unterschiedliche Kostenregelungen. Das niedrigste Entnahmeentgelt verlangen Nordrhein-Westfalen und Sachsen-Anhalt mit fünf Cent je Kubikmeter. Das höchste Entgelt erhebt Berlin mit 31 Cent. In Bayern, Hessen und Thüringen können Unternehmen und Privathaushalte bislang kostenlos Grund- oder Oberflächenwasser ziehen. Der Deutsche Städtetag fordert, im Wasserhaushaltsgesetz des Bundes klarer zu regeln, von welcher Grenze an die Wasserentnahme genehmigt werden müsse. Außerdem sollten Bund und Länder gemeinsam für bundesweit möglichst einheitliche Entnahmeentgelte für Industrie, Gewerbe und Landwirtschaft sorgen und dabei Anreize zum Wassersparen setzen.

Auch die EU-Kommission dringt auf einen besseren Schutz der Wasserressourcen. Anfang Juni präsentierte die Brüsseler Behörde ihre Strategie zur Wasserresilienz. Unter anderem sollen die Mitgliedstaaten unterstützt werden, den Wasserkreislauf zu stärken, den Zugang zu sauberem und erschwinglichem Wasser sicherzustellen und die Wasserinfrastruktur zu ertüchtigen. Nach Angaben der EU-Kommission besteht eine Finanzierungslücke von mindestens 23 Milliarden Euro jährlich, um den gesetzlich erforderlichen Schutz der Wasserressourcen in der EU sicherzustellen. Wissenschaftler und Umweltschützer sagen, es sei noch weit mehr Geld erforderlich. Zur Finanzierung soll nach den Plänen der EU-Kommission unter anderem ein neues Wasserprogramm der Europäischen Investitionsbank im Umfang von 15 Milliarden Euro bis 2027 beitragen.

Hohe Kosten verursacht unter anderem eine verbesserte Abwasserreinigung. Nach der EU-Kommunalabwasserrichtlinie, die am 1. Januar 2025 in Kraft getreten ist, sollen Pharma- und Kosmetikhersteller mindestens 80 Prozent der Kosten für eine zusätzliche Reinigungsstufe in Kläranlagen übernehmen. Doch mittlerweile rudert die Kommission zurück und will sich die wirtschaftlichen Folgen genauer anschauen.