Als größte Volkswirtschaft der Welt sind die USA ein Treiber für das globale Wachstum. Allein Deutschland exportierte zuletzt Waren im Wert von 161 Milliarden Euro in die Vereinigten Staaten. Geht es nach der US-Regierung, soll die Steuerreform die Nachfrage deutlich steigern: Der Wirtschaftsrat des Weißen Hauses, der Council of Economic Advisors, erwartet Wachstumsraten von 4,6 bis 4,9 Prozent. Unabhängige Institute zeigen sich deutlich skeptischer.
Die Wirtschaftsinstitute der Penn University und der Yale University progonstizieren Wachstumsraten von 0,4 beziehungsweise 0,6 Prozent über die nächsten Jahre. Das Congressional Budget Office liegt mit 0,5 Prozent dazwischen. Der Think Tank Tax Foundation kam in seinen Berechnungen auf 1,1 Prozent Wachstum. Die Abweichungen erklären sich unter anderem daran, dass die Insititute unterschiedliche Annahmen darüber treffen, welche Auswirkungen die Reform und die höheren Staatsschulden langfristig auf Zinskosten haben könnten.
Konsens unter den unabhängigen Analysten scheint zu sein, dass der Wachstumsboost vor allem in den ersten Jahren eintreten wird, in denen Trump Präsident ist, danach aber seine Wirkung abflacht oder sogar ins Negative kippe. „Über zehn Jahre gerechnet, beträgt das BIP-Wachstum real null“, heißt es daher vom Budget Lab der Yale University.
Staatsschulden werden weiter steigen
Rund 36,2 Billionen Dollar beträgt die Staatsverschuldung der USA, das entspricht rund 121 Prozent des Bruttoinlandsprodukts. Mit der „One Big Beautiful Bill“ dürften weitere 3,3 Billionen Dollar Schulden bis 2034 dazukommen, hat das überparteiliche Congressional Budget Office (CBO) errechnet. Nicht eingepreist sind dabei allerdings höhere Zinsausgaben, womit der Betrag auf knapp vier Billionen Dollar steigen dürfte. Damit hat der Senat die Reform nochmals verteuert. Die Kosten des Gesetzentwurfs aus dem Repräsentantenhaus hatte das CBO noch auf 2,8 Billionen Dollar bis 2034 beziffert.
Die steigende Verschuldung kollidiert mit der Schuldenobergrenze (debt ceiling), Finanzminister Scott Bessent hatte erst kürzlich dem Kongress geschrieben, die Obergrenze müsse noch unbedingt angehoben werden, bevor die Abgeordneten im August in die Sommerpause gehen, „um das volle Vertrauen und die Kreditfähigkeit der USA zu bewahren“, denn ansonsten könne die Regierung ihre Rechungen nicht bezahlen.
2011, 2021 und 2023 hatten die Republikaner im Kongress eine Anhebung der Obergrenze teils monatelang blockiert, 2011 stimmten sie einer Anhebung des Schuldendeckels um 2,4 Billionen zu, wenn der demokratische Präsident Barack Obama zugleich die Staatsausgaben in ähnlicher Höhe kürzt. 2023 einigten sich beide Parteien, die Obergrenze bis Januar 2025 auszusetzen, im Gegenzug zu Haushaltskürzungen. Ratingagenturen hatten nach diesen Krisen die USA zeitweise herabgestuft, womit sich die Zinskosten für die Aufnahme neuer Schulden verteuerten.
Die jetzige Steuerreform der Republikaner sieht vor, die Schuldenobergrenze von aktuell 36,1 Billionen um fünf Billionen Dollar anzuheben.
Folgen für den Dollarkurs
Steigende Staatsschulden und schwaches Wirtschaftswachstum werden Folgen für den Dollarkurs und damit für Anleger in aller Welt haben. Trumps „One Big Beautiful Bill“ erhöhe das Risiko einer selbst verschuldeten Finanzkrise urteilten Anfang Juni die Analysten von Allianz Trade. Im Extremfall, etwa wenn Anleger das Vertrauen in die Zahlungsfähigkeit der USA verlören, könne dies „zu einer höheren Inflation und einem schwächeren US-Dollar führen“. Die Ratingagentur Moody’s hat bereits die Bewertung der USA von Aa1 auf Aaa herabgestuft: Man erkenne zwar die wirtschaftliche und finanzielle Stärkte der USA weiterhin an, diese könnten aber „nicht länger die Verluste der Finanzindikatoren ausgleichen“.
Dass das Land nicht noch weiter herabgestuft werde, liege auch an der „sehr effektiven Geldpolitik durch die unabhängige Federal Reserve“, heißt es von Moody’s. Trump drängt allerdings seit Wochen den Notenbank-Chef Jerome Powell zum Rückzug, weil dieser nicht die Leitzinsen senkt, um die Konjunktur zu unterstützen. Powell kann nicht vom Präsidenten gefeuert werden, seine Amtszeit endet im Mai 2026. Allerdings könnte Trump seinen Nachfolger schon im Sommer benennen, als eine Art Schatten-Fed-Chef, und damit Powell zumindest symbolisch schwächen.
Energiewende gestoppt, Importe gefährdet
Während die Regierung von Joe Biden noch auf die Förderung von erneuerbaren Energien setzte, planen die Republikaner das Gegenteil. Die bisherigen Steuerrabatte gemäß dem Inflation Reduction Act werden zu großen Teilen gestrichen. Steuernachlässe sind nur noch für Projekte möglich, die bis Ende 2027 in Betrieb gehen. Das trifft auch Zulieferer in Europa: Die größten Exporteure von Windkraftanlagen sind Deutschland und Dänemark. Etwa jede sechste Windkraftanlage aus der EU wird in die USA exportiert, damit sind bislang die Vereinigten Staaten nach Großbritannien der zweitwichtigste Abnehmer europäischer Ökotechnologie.
Ursprünglich sollten künftige Ökostrom-Projekte sogar mit einer Zusatzsteuer belegt werden, sofern sie Bauteile aus dem Ausland verwenden. Betroffen von der Zusatzabgabe wären alle Solar- und Windanlagen gewesen, die von 2027 an in Betrieb gegen sollen. Dies richtet sich insbesondere gegen Kompententen aus chinesischer Produktion. China ist der weltgrößte Produzent von Solaranlagen. Allerdings beziehen die USA den Großteil ihrer Solarmodule nicht mehr aus China, sondern aus Malaysia, Vietnam und Thailand, auch weil der Import aus China seit der Biden-Regierung bereits mit 50 Prozent besteuert wird. Der Senat hat die Zusatzsteuer jedoch in letzter Minute gekippt.
Ebenfalls eingeschränkt werden Steuerrabatte für Elektroautos, sie sollen schon zum 30. September diesen Jahres auslaufen. 2024 wurden rund 1,3 Millionen neue E-Autos in den USA verkauft, bei insgesamt 16 Millionen Neuwagen. Langfristig gefördert werden sollen dagegen Kernkraft, Geothermie, Wasserstoffproduktion und Kokskohle.
Doch keine „Rachesteuer“ für ausländische Investoren
Mit der Reform sollte die US-Regierung die Möglichkeit erhalten, passive Gewinne aus US-Besitz in ausländischer Hand zusätzlich mit bis zu 20 Prozent zu besteuern. Das beträfe Dividendenzahlungen von Aktienunternehmen oder auch Investmentsfonds. Abschnitt 899 des Haushaltsentwurfs kann dann aktiviert werden, wenn andere Staaten „unfaire ausländische Steuern“ von amerikanischen Unternehmen fordern, etwa Digitalsteuer in Kanada oder die Mehrwertsteuersätze in der EU. Der Plan richtete sich auch gegen die Initiative von US-Präsident Joe Biden, dass alle Industriestaaten Unternehmen mit mindestens 15 Prozent besteuern.
Nach Turbulenzen an den Finanzmärkten und Warnungen, dass Investoren ihre Anlagen aus den USA abziehen können, hat Finanzminister Bessent die Republikaner aufgerufen, auf diese „Rachesteuer“ in Abschnitt 899 zu verzichten, er wurde von den Senatoren gestrichen.
Migranten zahlen mehr für Überweisungen
Rund 80 Milliarden Dollar schicken Migranten aus den USA jedes Jahr in ihre Heimatländer. Diese Geldüberweisungen sind für viele Staaten zu einer wichtigen Einnahmequelle geworden: Im Libanon tragen sie mehr als ein Drittel zum Bruttoinlandsprodukt bei, in Nepal, Honduras und Haiti zu mehr als einem Fünftel, wie Zahlen der Weltbank zeigen. Die größten Summen gehen nach Indien, China und Mexiko. Auf diese Geldflüsse will der Kongress nun eine Steuer erheben, in Höhe von 3,5 Prozent. Zahlen müssten sie alle Ausländer im Land, unabhängig von ihrem Aufenthaltsstatus. US-Bürger sind von der Steuer befreit.
Kritiker argumentieren, eine Besteuerung der Überweisungen könnte zu mehr illegaler Migration in die USA führen: Da die Überweisungen teurer würden, käme deutlich weniger Geld in armen Regionen im Ausland an, die lokale Wirtschaft würde leiden, und in der Folge dürften mehr Menschen versuchen, zum Geldverdienen in die USA zu gelangen. Geldsender könnten versuchen, die Beträge über andere, riskantere Kanäle abzuwickeln, etwa Kryptowährungen.
Milliarden statt Regulierungsmoratorium für Künstliche Intelligenz
Sollte Künstliche Intelligenz eingeschränkt werden? In mehreren US-Bundesstaaten, aber auch anderen Ländern wird dies diskutiert, etwa aus Gründen des Datenschutzes oder zum Schutz des geistigen Eigentums. Der Kongress hatte jedoch zunächst vor, in der „One Big Beautiful Bill“ nahezu jegliche KI-Regulierung in den Bundesstaaten grundsätzlich für zehn Jahre zu verbieten. Die Republikaner planten, dass Bundesstaaten nur dann Geld aus dem 42 Milliarden großen Fördertopf für den Breitbandausbau in ländlichen Regionen erhalten, wenn sie das Moratorium beachten. Dieser Fördertopf war noch unter Joe Biden beschlossen worden. Nach öffentlichen Druck hat der Senat das Regulierungsmoratorium aber aus dem Gesetz gestrichen, die KI kann damit weiterhin reguliert werden.
Die KI-Branche hatte auf das Moratorium gesetzt, um unbeschwerter an neuen Modellen zu arbeiten und nicht einen Flickenteppich an regionalen Regulierungen beachten zu müssen. Der Druck auf die amerikanischen Entwickler ist gewachsen, seit in China das alternative KI-Modell Deepseek R1 präsentiert wurde, das erheblich weniger Rechenressourcen zu benötigen scheint als jene aus dem amerikanischen Silicon Valley.
Mit dem jetzigen Gesetz stellen die Republikaner zusätzliche Milliarden Dollar zur Verfügung, um KI-Entwicklung in den USA staatlich zu fördern, unter anderem für militärische Drohnen, Grenzkontrollen und Überwachungssysteme.
Was sonst in der „One Big Beautiful Bill“ steht
Die Steuerreform verlängert die Steuersenkungen für mittlere und hohe Einkommen sowie Unternehmen, die Trump in seiner ersten Amtszeit eingeführt hatte, aber dieses Jahr ausgelaufen wären. Unternehmen können höhere Ausgaben für Investitionsanschaffungen, Foschung und Entwicklung sowie für Zinskosten abschreiben. Die steuerfreien Grundfreibeträge für Privatpersonen werden auf 16.000 Dollar (32.000 für Paare) angehoben, dazu steigt der Freibetrag für Kinder und Senioren.
Um all ihre Steuergeschenke zumindest teilweise gegenzufinanzieren, reduziert die US-Regierung die Finanzierung der Gesundheitsversicherung für niedrige Einkommen (Medicaid) um 700 Milliarden Dollar, kürzt ihren Zuschuss zu Lebensmittelmarken für Arme um die Hälfte (Supplemental Nutrition Assistance Program, SNAP) und beendet die von Biden eingeführte Entlastung von Studentenkrediten in Höhe von 320 Milliarden Dollar. Zudem werden zahlreiche bürokratische Hürden für die Anmeldung und Erneuerung der Krankenversicherung „Obamacare“ eingeführt, mit der Millionen Versicherte, darunter viele legal im Land lebende Migranten und Teilzeitbeschäftigte, aus dem Versichertenschutz fallen könnten. Der Bund hofft, dadurch 270 Milliarden Dollar über fünf Jahre einzusparen. Über die staatliche Obamacare können sich bisher alle Bürger krankenversichern, die nicht über ihren Arbeitgeber eine Gesundheitsvorsorge erhalten.
Die Mehrheit der US-Wähler lehnt das Gesetz ab: 55 Prozent der Befragten kritisieren es, hauptsächlich Anhänger der Demokraten und Unabhängige, 29 befürworten es laut einer Umfrage der Quinnipiac University vom 26. Juni. Fast zwei Drittel gestehen aber auch ein, die Details des Gesetzes nur teilweise oder gar nicht zu kennen.