Trumps Zoll-Deal mit Vietnam macht Asien Angst

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Auf diesen „Deal“ schaut ganz Asien: Auf dem größten und bevölkerungsreichsten Kontinent der Welt hat Vietnam als erstes Land nach China im Streit mit den USA um Handelsüberschüsse eine Einigung erzielt. Kurz bevor in der kommenden Woche eine Frist ausläuft, nach der die 100 Millionen Einwohner zählende Nation auf ihre Ausfuhren in die USA einen „reziproken Zoll“ in Höhe von 46 Prozent hätte zahlen müssen, verkündete US-Präsident Donald Trump, dass der Zollsatz auf 20 Prozent gesenkt wird. In umgekehrter Richtung müssen amerikanische Unternehmen für ihre Exporte nach Vietnam demnach gar keinen Zoll mehr zahlen.

Trump feierte sich am Mittwochabend auf seiner Plattform Truth Social mit den Worten selbst, das Land gebe den USA „KOMPLETTEN ZUGANG“ (total access), was es noch nie zuvor getan habe. Der US-Präsident hatte persönlich am Telefon mit Vietnams Führer To Lam verhandelt, dem Generalsekretär der herrschenden Kommunistischen Partei. Nun sei der Weg nach Vietnam frei für etwa starkmotorige amerikanische SUV, schrieb Trump. Bisher hat nur Ford als einziger amerikanischer Hersteller mit neun Prozent einen nennenswerten Marktanteil in dem Land, in dem japanische und koreanische Autobauer dominieren.

Da amerikanische Unternehmen jedoch in umgekehrter Richtung viel in Vietnam für den Heimatmarkt produzieren lassen, bedeutet der „Deal“, dass sich in den USA wohl die Preise etwa für Nike-Turnschuhe verteuern dürften. Der Hersteller aus dem US-Bundesstaat Oregon lässt in Vietnam rund die Hälfte seiner Schuhe nähen und ein Viertel seiner sonstigen Bekleidung herstellen. Auch Adidas aus Herzogenaurach, das in den USA rund 40 Prozent seiner Schuhe verkauft, lässt in keinem anderen Land auf der Welt so viel fertigen wie in Vietnam.

Für die deutschen Unternehmen sei der Zollsatz von 20 Prozent zunächst einmal besser als die zuvor angedrohten 46 Prozent, sagte der Leiter der Auslandshandelskammer in Ho-Chi-Minh-Stadt, Peter Kompalla, im Gespräch mit der F.A.Z. Unter den zuvor diskutierten Szenarien für das Ergebnis der Verhandlungen sei diese noch das beste. Ebenfalls positiv sei, dass die „lange Phase der Unsicherheit“ nun vorbei sei, die auf der Wirtschaft des Landes gelastet habe, seitdem Trump im April im Rosengarten des Weißen Hauses seine Zolltafel in die Kameras gehalten und besonders in Südostasien Schockwellen ausgelöst hatte. Sechs von zehn südostasiatischen Staaten waren von den USA damals mit Einfuhrzöllen von 32 bis 49 Prozent (im Fall Kambodschas) belegt worden. Auch in Indien hatte der Zollsatz von 26 Prozent für Entsetzen gesorgt, war Ministerpräsident Narendra Modi doch zuvor stets als „Freund“ Trumps und der USA bezeichnet worden.

Noch viele Fragen offen

Der deutsche Textilunternehmer Thomas Hebestreit, der mit seinem Unternehmen deutsche „Deutsche Bekleidungswerke“ in Ho-Chi-Minh-Stadt vor allem Kleidung für den amerikanischen Markt fertigen lässt, sagte der F.A.Z., er könne mit dem Zollsatz von 20 Prozent „leben“. Wichtig sei, dass US-Zollsatz für Importe aus China mit 30 Prozent höher liege, was Vietnam einen Wettbewerbsvorteil verschaffe. Allerdings sei das Verhandlungsergebnis für das südostasiatische Land „nicht der große Wurf“.

Tatsächlich sind auch laut Auslandskammerchef Kompalla noch viele Fragen offen. So wollen die USA nach der von Trump verkündeten Einigung auf Waren, die in Vietnam nur „umgeschlagen“ würden (transshipment) und in Wahrheit woanders produziert worden seien, einen Zoll in Höhe von 40 Prozent erhöhen. Diese Regelung zielt auf China, das seit den in seiner ersten Amtszeit von Trump eingeführten Handelsbeschränkungen Vietnam tatsächlich in vielen Fällen als Umschlagplatz für seine Exporte in die USA genutzt hat, die im Land nur umetikettiert wurden. „Die Frage ist, ob die Definition, was ‘transshipment’ ist, von den US-Behörden eng oder weit ausgelegt wird“, sagte Kompalla. Es gehe dabei vor allem um Elektroprodukte, Automobilzulieferer, Holzwaren wie Möbel, Schuhe und Textilgüter. „Es könnte sein, dass Waren schon dann als „transshipment“ angesehen werden, die irgendeinen chinesischen Zulieferer in ihrer Lieferkette haben“, sagte Kompalla. Zumindest sei wohl das im Vorfeld viel diskutierte Schreckensszenario vom Tisch, dass die USA selbst vietnamesische Unternehmen bereits dann als „chinesisch“ ansehen würde, sobald diese über eine Finanzbeteiligung aus China verfügten.

Klar sei, dass es für die Kunden am Ende teurer werde, sagte Textilunternehmer Hebestreit. „Nachdem Vietnam stark bei Sportartikeln vertreten ist wie Nike, Adidas und Puma, gehe ich davon aus, dass es große Preiserhöhungen in dem Segment Bekleidung, Schuhe und Sport geben wird.“ Er selbst beliefert unter anderem die hochwertige US-Bekleidungsmarke „Theory“ aus Vietnam. Er wisse noch nicht, wie stark sich der Zoll in Höhe von 20 Prozent auf den Warenpreis im Landen auswirken werde, sagte Hebestreit. Vielleicht werde es Zwischenschritte gebe, an denen sich die Industrie in den USA kurzfristig beteiligen werde. „Aber letztlich wird der amerikanische Konsument die Zeche bezahlen.“