Es ist viel von Beschleunigung die Rede beim ersten offiziellen Auftritt des neuen Bundesdigitalministers Karsten Wildberger (CDU) in Frankfurt und Hessen: Der Ausbau von Glasfaser- und Mobilfunknetzen muss beschleunigt werden, behördliche Genehmigungsverfahren sowieso, die Stromversorgung des Standorts Deutschland müsste eher gestern als morgen neu aufgestellt sein.
Wie sehr die Wirtschaft bereit ist, am neuen Tempo für Deutschland mitzuwirken, zeigen ihre Vertreter an diesem Donnerstag: Alle sprechen enorm schnell, um dem Gast in zwei Stunden Ministerbesuch all die Anliegen mit auf den Weg zu geben, für die sie sich Unterstützung erhoffen. Wildberger lässt sich von der Eile nicht drängen, hört konzentriert zu, wirkt ziemlich ernst. Er spricht eher leise, stellt Rückfragen und scheint die zügige, klare Art, mit der ihm zunächst Vertreter der Datacenterbranche ihre Themen vortragen, zu schätzen.
Und er erinnert daran, dass er gar kein richtiger Gast ist: Der frühere Manager, zuletzt bei der Media-Saturn-Holding, ist in Gießen geboren und aufgewachsen. Man könnte sagen, Deutschland hat nun zwei hessische Digitalminister.
In der Welthauptstadt des Internets
Seine Amts- und Parteikollegin Kristina Sinemus will Wildberger an diesem Donnerstagvormittag drei Themen präsentieren: Frankfurt als digitale Welthauptstadt und Zentrum der Rechenzentrumsbranche, das Land Hessen als Förderer digitaler Start-ups und die stolze Eintracht, die außer mit Fußball auch mit Software und digitalen Services erfolgreich Geschäfte macht. Das Waldstadion und die Arena of IoT, das Testlabor der 2017 gegründeten Eintracht Tech GmbH, hat sie als Veranstaltungsort für den Austausch ausgesucht.

Ivo Ivanov, Geschäftsführer des weltweit datenstärksten Internetaustauschknotens De-Cix, hat den freundlichsten Part. Er stellt die jüngst veröffentlichte Studie vor, wonach Frankfurt die Welthauptstadt der digitalen Welt ist: Nirgendwo sonst verbinden sich so viele Netzwerke. „Das komplette Who is who der Weltwirtschaft“, fasst Ivanov die rund 4000 Kunden zusammen, die ihre Daten am Frankfurter Knoten tauschen.
Anna Klaft, Vorsitzende der German Datacenter Association, rechnet vor, dass die Branche mehr als zehn Milliarden Euro zum Bundesinlandsprodukt der Republik beitrage und in den nächsten Jahren 24 Milliarden Euro in die digitale Infrastruktur investieren wolle. Sofern die Politik, nun also auch Wildberger, ein entscheidendes Problem in den Griff kriege: Ein flächendeckendes Stromnetz sei für die Branche sehr, sehr relevant, sagt Klaft.
Der Strompreis müsste um wenigstens 20 Prozent sinken, um auf dem Niveau anderer EU-Länder zu liegen, mahnt Volker Ludwig, Geschäftsführer des Datacenter-Betreibers Digital Realty, der im Frankfurter Osten elf neue Rechenzentren baut. Dafür hat das Unternehmen die Installation einer 16 Kilometer langen Stromleitung bezahlt, dazu ein neues Umspannwerk. Konkurrent Cyrus One, der an der anderen Seite der Stadt zwei große Rechenzentren baut, investiert hunderte Millionen in ein Kleinkraftwerk, um die Stromversorgung zu sichern. Manch einer möge sich zwar freuen, dass die Wirtschaft alles selbst mache, sagt Ludwig – das nötige Wachstum gelinge so aber nicht.
Cyrus-One-Chef Carsten Schneider ergänzt: dass solche Investitionen nötig seien, sei wie der hohe Strompreis ein Wettbewerbsnachteil. Die Branche brauche kein Geld, „aber Unterstützung, um ihr Geschäft besser und einfacher betreiben zu können“, sagt Ludwig. Deshalb sollten Auflagen für Rechenzentren aus dem Energieeffizienzgesetz wieder gestrichen werden.
Wildberger deutet Zustimmung an: Die Politik könne wohl keine eierlegenden Wollmilchsäue erwarten, sagt er. Auf mehr legt er sich nicht fest, betont aber, dass er „zugehört und mitgeschrieben“ habe. Das Thema Strompreis werde er mit Wirtschaftsministerin Katherina Reiche (CDU) diskutieren.