Andrea Orcel lässt nicht locker. Trotz der Ablehnung der Commerzbank -Übernahme durch die Bundesregierung wendet er sich an Bundesfinanzminister Lars Klingbeil, um für sein Projekt zu werben. In einem Brief, der dieser Zeitung vorliegt, drängt der Vorstandsvorsitzende der italienischen Bank Unicredit dabei auf ein Gespräch mit der Bundesregierung. „Fakten anstelle von Hörensagen“ sollten die Basis für ein solches Treffen sein.
Unicredit besitzt derzeit einen Aktienanteil von knapp zehn Prozent an der Commerzbank und damit etwas weniger als die Bundesregierung mit ihren 12,5 Prozent. Doch die italienische Bank hält Optionen, um ihre Anteile auf knapp 30 Prozent zu erhöhen und damit größter Aktionär zu werden. Dafür erhielt sie bereits die nötigen Genehmigungen der Behörden, sie ist den Schritt der Umwandlung in Aktien jedoch noch nicht gegangen.
Orcel fußt seine Argumentation darauf, dass Unicredit ihre Tochtergesellschaft Hypo-Vereinsbank (HVB) in mehr als 20 Jahren zur „effizientesten, profitabelsten und am besten kapitalisierten Bank“ Deutschlands gemacht habe. Daher biete sich die Chance, einen „neuen nationalen Champion” aufzubauen, der den Wettbewerb zum Wohl der deutschen Volkswirtschaft und besonders seines Mittelstandes nicht mindere, sondern stärke. Der italienische Bankenchef betont, dass die Entscheidungsfindung in einem fusionierten Unternehmen „lokal und marktorientiert“ bleiben solle.
Viele Versprechen
Beschlüsse wie die Kreditvergabe würden „weiterhin von lokalen Teams in Deutschland getroffen, die nach deutschem Recht und deutscher Regulierung arbeiten und von der BaFin unter der Leitung des Finanzministeriums beaufsichtigt werden“. Bei der Frage des Hauptquartiers in Deutschland versucht Orcel mit der Übertragung von Kompetenzen auf die deutsche Politik zu locken. „Im Falle eines erfolgreichen Zusammenschlusses würde die Entscheidung über den Standort des Hauptsitzes im Ermessen der deutschen Regierung und der jeweiligen Bürgermeister liegen“, schreibt er und fügt hinzu, dass die „die Entscheidung in erster Linie davon abhängt, was besser für Deutschland, die deutschen Kunden, Mitarbeiter und Kunden ist“.
Orcel stellt sich für die Commerzbank auch keine rasche, sondern eine „schrittweise“ Integration „über einen mehrjährigen Zeitrahmen“ vor. „Die beiden Banken würden daher nach einem Zusammenschluss zunächst unabhängig voneinander weiterarbeiten, um Zeit und Raum für umfassende Konsultationen mit allen Beteiligten und die Ausarbeitung eines detaillierten Plans zu schaffen“. Die Marken Commerzbank und die HVB blieben während dieses Zeitraums bestehen. Orcel betont, dass er mit Betriebsräten immer respektvoll umgehe und einen offenen Dialog anstrebe, der für beide Seiten vorteilhafte Ergebnisse bringe. So solle es auch bei der Commerzbank sein.
Kalte Schulter
Auch wenn die deutsche Politik der italienischen Bank bisher die kalte Schulter gezeigt hat, so wird sie diese vorerst wohl nicht los werden. „Zum jetzigen Zeitpunkt“ habe Unicredit beschlossen, ein Investor zu bleiben, „der bald in der Lage ist, alle mit seiner Beteiligung verbundenen Rechte auszuüben, um seine Investition zu schützen“. Man wolle „beobachten, wie sich die Commerzbank entwickelt und ihren strategischen Plan umsetzt“. Wobei es beim Beobachten wohl nicht bleiben wird, denn als Großaktionär mit 30 Prozent Anteilen kann die Bank Einfluss ausüben. Doch Orcels bevorzugte Option bleibt weiter die Vollübernahme. „Wir Europäer“ bräuchten diese Fusion, denn in Europa fehle es an „finanzieller Feuerkraft, um es mit den anderen großen Wirtschaftsblöcken aufzunehmen“.
Unterdessen kämpft Unicredit auch an seiner Heimatfront für die Übernahme der drittgrößten italienischen Bank Banco BPM . Die italienische Regierung hat drastische Bedingungen gestellt, die Unicredit für inakzeptabel hält. Die Bank will vor einem italienischen Gericht klären lassen, ob die Konditionen unter der italienischen Gesetzgebung namens „Golden Power“ rechtmäßig sind. Sie sieht etwa vor, dass Unicredit über fünf Jahre ein bestimmtes Verhältnis zwischen Krediten und Einlagen zugunsten von Familien und kleinen bis mittelständischen Unternehmen aufrechterhalten muss – egal ob es etwa eine Wirtschaftskrise gibt oder nicht. Das Portfolio an italienischen Wertpapieren darf auch nicht verkauft werden, und die Bank hat sich aus Russland innerhalb von neun Monaten zurückzuziehen. Bei Verstoß gegen die Vorschriften drohen hohe Milliardenstrafen und etwa die Aussetzung der Stimmrechte von Unicredit. Die italienische Bank hat in Italien mehrere Minderheitsbeteiligungen bis hin zum italienischen Versicherer Generali erworben, um sich strategische Optionen offen zu halten. Einige Analysten fragen sich, wie lange die Strategie aufgehen kann, zumal die Anleger weiterhin hohe Ausschüttungen erwarten.