Bundesverfassungsgericht: Landesminister gegen SPD-Kandidatin

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In mehreren Landesregierungen gibt es Vorbehalte gegen die Pläne von Union und SPD im Bundestag, die Staatsrechtsprofessorin Frauke Brosius-Gersdorf zur Verfassungsrichterin zu wählen. Der F.A.Z. gegenüber zeigten sich mehrere Landesminister der Union verärgert über den Vorschlag aus Berlin. Eine CDU-Landesjustizministerin sagte: „Frau Brosius-Gersdorf hat sich in der Vergangenheit pointiert zu sensiblen Themen wie dem § 218 und dem Tragen religiöser Symbole in der Justiz geäußert. Vor diesem Hintergrund stellt sich die Frage, ob es in der aktuellen gesellschaftlichen Lage klug ist, eine so polarisierende Kandidatin für das Amt der Verfassungsrichterin zu benennen.“

Unter den Landesministern gehen die Meinungen dazu auseinander, welchen Einfluss die Länder auf die Richterwahl im Bundestag haben. Ob dort die erforderliche Zweidrittelmehrheit steht, ist unklar. Die Koalition ist dafür auf Stimmen der Grünen und der Linken angewiesen, wenn auch nicht auf alle. Offiziell sprechen Union und Linke nicht miteinander. Nachdem in der F.A.Z. mehrere Unionsabgeordnete angekündigt hatten, nicht für Brosius-Gersdorf zu stimmen, warf die Linken-Fraktionsvorsitzende Heidi Reichinnek ihnen am Donnerstag eine „unwürdige Schlammschlacht“ vor.

FDP warnt vor „Politisierung“

Zuvor hatte die rechtspolitische Sprecherin der Fraktion, Clara Bünger, in der F.A.Z. „perspektivisch ein eigenes Vorschlagsrecht für die Linke zur Verfassungsrichterwahl“ gefordert. Das könnte auf Kosten der FDP gehen, die bisher aufgrund einer Absprache mit Union, SPD und Grünen zwei von 16 Verfassungsrichtern vorschlug. Deren Amtszeit läuft zwar erst 2033 und 2035 ab. Trotzdem wäre ein solcher Deal mehreren Unionspolitikern zufolge nicht akzeptabel.

Der einzige FDP-Landesjustizminister, Philipp Fernis aus Rheinland-Pfalz, findet die Forderung der Linken „wenig überraschend“. „Das mit den Mehrheitsverhältnissen im Bundestag zu begründen, halte ich aber für gefährlich. Der Linken müsste dann auch klar sein: Jede neue Vereinbarung, die für Richterposten greift, die erst nach der nächsten Bundestagswahl vakant werden, würde unter dem erneuten Vorbehalt des Wählers stehen“, sagte er. Eine „Politisierung“ der Richterwahl sei zu vermeiden. Zur SPD-Richterkandidatin Brosius-Gersdorf äußerte sich Fernis zwar nicht direkt. Er sagte aber, dass die Wahl des Vizepräsidenten des Verfassungsgerichts durch den Bundesrat „keine bloße Formalie“ sei.

Vizepräsident erst im September?

Fernis spielte darauf an, dass Brosius-Gersdorf von Schwarz-Rot für dieses Amt vorgesehen ist und später zur Präsidentin des Bundesverfassungsgerichts aufrücken könnte. Die Richterwahl im Bundestag ist für Freitag terminiert. Zunächst war der Donnerstag genannt worden. Die Verschiebung soll organisatorische Gründe haben, könnte den Ländern aber Spielraum verschaffen: Manche Landesminister meinen, die Vizepräsidentenwahl solle nicht in der Bundesratssitzung am selben Tag erfolgen. Setzen sie sich durch, würde erst im September abgestimmt.

Zuvor finden am Montag die Unionsfraktionssitzung und die Sitzung des für die Richterwahl zuständigen Bundestagsausschusses statt. Wie zu hören ist, könnte dort ein Festschriftbeitrag von Brosius-Gersdorf aus dem vergangenen Jahr diskutiert werden. Darin schreibt sie, der Rechtsphilosoph Horst Dreier habe beim Thema Menschenwürde „Meilensteine in der rechtswissenschaftlichen Diskussion“ gesetzt. Dreiers Wahl zum Verfassungsrichter war 2008 wegen seiner umstrittenen Kommentierung des Menschenwürde-Artikels im Grundgesetz gescheitert. „Der Fall Brosius-Gersdorf erinnert mich an Horst Dreier“, sagt ein CDU-Bundestagsabgeordneter.

Am Donnerstag hat die Bundesleitung des Malteser Hilfsdienstes allen Unionsabgeordneten einen Brief in „Sorge um den Lebensschutz“ geschrieben. Darin warnen die Unterzeichner davor, dass durch die „Neubesetzung des Bundesverfassungsgerichts“ die Rechtslage beim Schwangerschaftsabbruch „zur Disposition stehen könnte“.