Dalai Lama wird 90: Vom Bauernjungen zum Friedensnobelpreisträger

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Im Schutz der Dunkelheit verließ Tenzin Gyatso, der 14. Dalai Lama, am 17. März 1959 Lhasa. Nach zwei Wochen Flucht vor der chinesischen Armee erreichte er Indien – und konnte seitdem nicht mehr nach Tibet zurückkehren. Die Volksrepublik China sieht ihn als gefährlichen Separatisten an, als „Wolf in Mönchskutte“. So wurde sein Leben vom Bemühen geprägt, sich im Exil für die Auto­nomie und den Fortbestand seines Volks einzusetzen.

Im Alter von zwei Jahren wurde der Sohn einer Bauernfamilie aus dem osttibetischen Dorf Taktser als Wiedergeburt des verstorbenen 13. Dalai Lama ausgemacht. Als ein Suchtrupp von vier Mönchen anhand von Visionen und anderen Zeichen zu seinem Elternhaus kam, habe er einen als Diener verkleideten hohen Geistlichen wiedererkannt und mehrere Gegenstände des 13. Dalai Lama als sein Eigentum ausgemacht. So berichtet es die tibetische Exilregierung im indischen Dharamsala. Im Februar 1940, im Alter von vier Jahren, wurde er in Lhasa als 14. Dalai Lama inthronisiert.

Als ihm im Alter von 15 Jahren die weltliche Herrschaft über Tibet übertragen wurde, war die Volksrepublik China bereits im Begriff, sich das Gebiet einzuverleiben. Der Dalai Lama musste sich mit seinem Regierungsstab in Dromo (chinesisch Yadong) an der indischen Grenze in Sicherheit bringen und konnte erst nach Lhasa zurückkehren, nachdem die tibetische Regierung im Mai 1951 das „17-Punkte-Abkommen zur friedlichen Befreiung Tibets“ mit Peking unterzeichnet hatte.

Optimismus, Fröhlichkeit und Zugewandtheit

Es sollte Tibet innenpolitische Autonomie und Religionsfreiheit sichern, während China die Außenpolitik, den Außenhandel und militärische Angelegenheiten übernahm. Doch friedlich wurde die Lage nicht: Vor allem in den Grenzgebieten gerieten Widerstandskämpfer und die chinesische Volksbefreiungsarmee weiter aneinander, bis die Unzufriedenheit 1959 im Tibetaufstand mündete, in dessen Zuge der Dalai Lama nach Indien floh.

Dort begann der unermüdliche Einsatz für die Rechte der Tibeter, der ihm weltweites Ansehen brachte. Auf unzähligen Reisen sammelte der Dalai Lama Unterstützung für sein Anliegen, traf Staats- und Regierungschefs und begeisterte Tausende für seine Botschaft vom friedfertigen und mitfühlenden Dialog, immer wieder auch in Deutschland. Menschen, die ihm persönlich begegnen, beeindruckt er mit „uneingeschränktem Optimismus, einer immer vorhandenen Fröhlichkeit und außergewöhnlicher Zugewandtheit“. So beschreibt ihn der ehemalige hessische Ministerpräsident Roland Koch, den der Dalai Lama als „guten Freund“ bezeichnet, gegenüber der F.A.Z.

In China kann solche Nähe heftige Reaktionen auslösen: Nach einem Besuch bei Angela Merkel im Kanzleramt im Jahr 2007 sagte Peking mehrere Treffen auf Minister- und Diplomatenebene ab. Im Jahr 1989 erhielt der Dalai Lama „für das Eintreten für friedliche Lösungen auf der Grundlage von Toleranz und gegenseitigem Respekt, um das historische und kulturelle Erbe seines Volkes zu bewahren“, den Friedensnobelpreis.

Als zweiter großer Verdienst kann gelten, dass er die tibetische Politik umgekrempelt hat. Ein vormals theokratisches System machte er mit Reformen Zug um Zug und seinem Rückzug aus der Politik im Jahr 2011 zu einer Demokratie. Das gewählte Parlament in Dharamsala vertritt die weltweite Exilgemeinde und spendet Zusammenhalt. Mit der Gründung politischer Institutionen, eines Sozialsystems und verschiedener Bildungseinrichtungen hat die weltweite tibetische Gemeinde eine Form, die nicht mehr an seiner Person hängt. Womöglich müssen die Tibeter so bald gar nicht von ihm Abschied nehmen. Er habe geträumt, dass er 113 Jahre alt werde, sagte er vor einigen Jahren. An diesem Sonntag feiert der 14. Dalai Lama seinen 90. Geburtstag.