Handel kritisiert Kontrollen – erwartet aber keine leeren Regale

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Der deutsche Einzelhandel erwartet ungeachtet der neuen Kontrollen an der deutsch-polnischen Grenze keine leeren Regale in den Geschäften. „Das belastet den Handel“, sagte der Hauptgeschäftsführer des Handelsverbandes Deutschland (HDE), Stefan Genth, am Montag auf einer Pressekonferenz in Berlin und fügte hinzu: „Leere Regale befürchten wir nicht, das muss man heute ganz klar relativieren.“ Es kämen allerdings viele Mitarbeiter täglich oder wöchentlich aus Polen. Auch deshalb sei der Handel für einen freien Binnenmarkt.

Der Deutschen Industrie- und Handelskammer (DIHK) zufolge sorgten die Grenzkontrollen in den grenznahen Regionen für große Verunsicherung. „Wenn Pendler an der deutsch-polnischen Grenze nicht mehr verlässlich und pünktlich zu ihrer Arbeit kommen, steigt die Gefahr, dass sie sich dauerhaft anders orientieren – mit Folgen für den Fachkräftemangel in Regionen wie Brandenburg“, sagte DIHK-Hauptgeschäftsführerin Helena Melnikov. Für Grenzpendler, Dienstleistungserbringer und Kunden aus Nachbarländern sei es wichtig, dass sie ohne größere Einschränkungen mobil blieben. Das betreffe den regionalen Einzelhandel, die grenznahe Gastronomie, den Pflege- und Gesundheitsbereich – aber auch große Industrieunternehmen.

Lieferketten gefährdet

Ähnlich äußert sich der Bundesverband Großhandel, Außenhandel, Dienstleistungen (BGA). „Aus unserer Mitgliedschaft hören wir bisher keine Berichte über Verzögerungen an der Grenze, weder in Richtung Deutschland noch in Richtung Polen“, sagte Präsident Dirk Jandura der Nachrichtenagentur Reuters. „Sollten die Kontrollen so verschärft werden, dass es auch im Güterverkehr zu Verzögerungen in der Abfertigung kommt, würde sich dies auf die Lieferkette auswirken.“ Dies könnte Folgen für Warenverfügbarkeit oder Preise haben. „Aber das sehe ich im Moment nicht.“

Ein größeres Problem sieht der BGA-Präsident in einem Rückfall in ein Europa, das seine Grenzen schließe. „Abschottung löst keine Probleme, sondern schafft neue: für Lieferketten, Beschäftigte und den wirtschaftlichen Zusammenhalt in Europa“, warnte Jandura. „Europa darf nicht wieder zu einem Flickenteppich abgeriegelter Grenzen werden.“ Grenzkontrollen sollten kein politisches Druckmittel sein.

Polen antwortet mit seinen Grenzkontrollen auf die seit 2023 bestehenden und von Bundesinnenminister Alexander Dobrindt (CSU) verschärften Kontrollen der deutschen Grenzbehörden. Der Polen-Beauftragte der Bundesregierung warnte: „Das ist kein guter Tag für das deutsch-polnische Verhältnis“, sagte Knut Abraham (CDU) der Nachrichtenagentur Reuters. „Eine Verdichtung der Kontrollen an der deutsch-polnischen Grenze wird nicht die Lösung des Migrationsproblems sein“, fügte er hinzu.