Kurz vor Ablauf der vom amerikanischen Präsidenten Donald Trump gesetzten Frist für Zollabkommen hofft die Europäische Union immer noch auf eine gütliche Einigung. Aus Verhandlungskreisen hieß es am Montag, Ziel sei weiter, ein Grundsatzabkommen bis zum 9. Juli zu erreichen. EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen habe am Sonntag mit Trump telefoniert, sagte ein Sprecher am Montag in Brüssel. Die Gespräche verliefen gut. Insbesondere in der vergangenen Woche seien erhebliche Fortschritte in Richtung einer grundsätzlichen Einigung erzielt worden. Man sei nun am „Anfang der Schlussphase“, sagte der Sprecher. Die EU sei anfangs „sehr langsam“ an die Verhandlungen herangegangen, mittlerweile gebe es aber „sehr gute Fortschritte“, hatte der amerikanische Finanzminister Scott Bessent am Sonntag gesagt.
Dabei blieb am Montag unklar, wie die Trump-Regierung in den kommenden Tagen und Wochen vorgehen will. Er werde von Montagmittag an Einfuhrzölle für „verschiedene Länder“ bekanntgeben, hatte Trump auf seiner Plattform Truth Social angekündigt. Dabei werde es sowohl Zollabkommen mit Handelspartnern geben als auch „Briefe“, in denen die USA einseitig Zölle verhängten. Am Sonntag hatte Trump vor Journalisten von 12 bis 15 Briefen gesprochen. Er rechne damit, bis zum Ende der Frist am 9. Juli Zölle für die meisten Länder festgelegt zu haben, sagte Trump.
Zugleich könnte es für die EU und andere Staaten auch ohne Einigung bis zum 9. Juli Hoffnung geben, einen Zollkonflikt zu vermeiden. Amerikanische Regierungsvertreter brachten eine neue Frist zum 1. August ins Spiel. Wirtschaftsminister Howard Lutnick sagte, die vereinbarten oder verhängten Zölle träten erst dann in Kraft. Bessent sagte, für Länder, mit denen bis Anfang August keine Einigung erzielt werde, würden die Zölle gelten, die Trump Anfang April angekündigt hat.
„Maximaler Druck“
Trump hatte damals Zölle für die meisten Länder und Regionen bekanntgegeben, darunter einen Zoll von 20 Prozent auf die Einfuhr aus der EU. Wenige Tage später setzte er die Zölle – abgesehen von einem „Basiszollsatz“ von zehn Prozent – für 90 Tage aus. Diese Frist endet am Mittwoch. Später hatte Trump der EU mit einem Zoll von 50 Prozent gedroht. Bessent beschrieb im Fernsehsender CNN die Gespräche mit der EU als beispielhaft für die Strategie der Regierung, „maximalen Druck“ auf die Handelspartner auszuüben.
Vertreter der EU reagierten zurückhaltend auf die Ankündigung, dass die Zölle erst zum 1. August in Kraft gesetzt würden. „Ist das wirklich eine Verlängerung der Deadline, haben wir also drei Wochen mehr Zeit? Wir wissen es nicht“, sagte ein EU-Diplomat.
Parallel zu den Gesprächen sprach Trump am Sonntag eine weitere Zolldrohung aus. Für alle Länder, die auf einer Linie mit der „antiamerikanischen Politik“ der Brics-Staatengruppe liegen, soll danach ein zusätzlicher Zoll von zehn Prozent gelten. Brics ist ein Verbund von zehn Ländern des „globalen Südens“, darunter Brasilien, China, Russland, Indien, Indonesien, Iran, Südafrika und die Vereinigten Arabischen Emirate. Es ist nicht klar, was Trump mit „antiamerikanischer Politik“ meint. Die Brics-Gruppe traf sich am Sonntag und Montag zum Gipfeltreffen in Rio de Janeiro in Brasilien. In einer Stellungnahme erhoben die Länder „ernsthafte Bedenken“ gegenüber der zunehmenden Verbreitung von Zöllen.
Die USA wollen nicht nur niedrige Zölle
Wie nah die Europäer an einer Grundsatzeinigung nach dem Vorbild des US-Deals mit Großbritannien ist, war am Montag unklar. Handelskommissar Maroš Šefčovič hatte in der vergangenen Woche in Washington den Handelsbeauftragten Jamieson Greer, Handelsminister Lutnick und Finanzminister Bessent getroffen. Šefčovič hatte anschließend zwar von einer produktiven Woche gesprochen. Bei einem Briefing der EU-Botschafter über den Besuch sei aber klar geworden, dass sich inhaltlich nur wenig bewegt hat, heißt es. Die Verhandlungen gingen danach weiter.
Erschwert wird eine Einigung dadurch, dass die USA nicht nur niedrige Zölle fordern, sondern auch Ausnahmen für die amerikanischen Konzerne von den EU-Digitalgesetzen, die Befreiung der Konzerne von der Mehrwertsteuer in Europa, die Anerkennung amerikanischer Standards für Agrarprodukte und Autos sowie harte Schritte gegen China.
Der Vorsitzende des Handelsausschusses im EU-Parlament, Bernd Lange (SPD), bezeichnete die Chance auf ein Abkommen als 50:50. „Ich würde auf keinen Ausgang wetten“, sagte ein EU-Diplomat. Ebenso unklar sei, wie konkret ein solches Grundsatzabkommen sein könne. Es könne sein, dass es eher auf „ein Grundsatzabkommen über ein Grundsatzabkommen“ hinauslaufe, sagte ein Diplomat.
Fallen alle Zölle?
Entscheidend sei, dass der Zusatzzoll für die meisten EU-Waren nicht wieder auf 20 Prozent hinaufgesetzt werde, sondern es bei dem Basiszoll von zehn Prozent bleibe. Idealerweise würden die Amerikaner außerdem zusagen, keine weiteren Sektorzölle zu erheben oder sie setzten gar die nach wie vor geltenden Sonderzölle von 50 Prozent auf Stahl und Aluminium und 25 Prozent auf Autos und Autoteile aus, hieß es anderswo. Dann könnten beide Seiten anschließend in den kommenden Monaten in Ruhe über ein umfassenderes Abkommen verhandeln.
Dass am Ende dieser Verhandlungen alle Zölle fallen könnten, gilt in Brüssel seit langem als ausgeschlossen. Der Basissatz von zehn Prozent werde bleiben, schon allein weil Trump die Einnahmen benötige, heißt es. Die Kommission geht davon aus, dass auch die Sektorzölle auf Stahl oder Autos nur schwer weg zu verhandeln sein dürften. Darauf dringt – unterstützt von Italien – Bundeskanzler Friedrich Merz (CDU), weil diese Zölle Deutschland besonders träfen.
Merz hatte sich auf dem EU-Gipfel Ende Juni für einen schnellen und letztlich zur Not auch „dreckigen Deal“ stark gemacht, der die Autohersteller entlastet. Er soll gemeinsam mit den deutschen Autokonzernen Trump einen Ausbau der Produktion in den USA angeboten haben, was in Brüssel auf wenig Gegenliebe stieß. Dort hofft man darauf, wie Großbritannien, mit einer Quotenregelung zumindest einen Teil des Autoexports in die USA von den Zöllen befreien zu können.