Benjamin Netanjahu kam am Montagabend nicht mit leeren Händen nach Washington. Vor Beginn eines Dinners im Weißen Haus sagte der israelische Ministerpräsident, neben seiner Frau Sara und seiner Delegation sitzend, er schlage Donald Trump für den Friedensnobelpreis vor. Er überreichte dem Gastgeber einen Brief und sagte, er habe diesen auch ans Nobelpreiskomitee nach Oslo geschickt. Netanjahu weiß, wie man Trump schmeichelt.
Der Ministerpräsident lobte Trumps „Streben nach Frieden und Sicherheit“, das dieser in vielen Ländern und insbesondere im Nahen Osten einbringe. Der Präsident habe den Preis verdient. „Wow“, entgegnete Trump. „Gerade von dir ist das sehr bedeutungsvoll.“ Schon bei seinem Abflug in Israel hatte Netanjahu gesagt: Die erfolgreichen Luftangriffe in Iran ermöglichten es, „den Kreis des Friedens auszudehnen, weit über das hinaus, was wir uns früher vorzustellen vermochten“. Die veränderten Realitäten brächten Israel und dem gesamten Nahen Osten eine „große Zukunft“.
Im „Blue Room“ des Weißen Hauses folgte eine Pressebegegnung, bevor das Abendessen serviert wurde. Iran? Selbstredend bekräftigte Trump seine Behauptung, die amerikanischen B-2-Bomber hätten die iranischen Atomanlagen „völlig vernichtet“. Er hoffe nicht, dass er noch einmal eingreifen müsse. Ihn habe der Angriff an ein anderes Ereignis erinnert, sagte er noch und verwies auf Präsident Harry S. Truman. Schon vorher hatte er den Angriff mit dem Abwurf der Atombombe auf Japan verglichen, der den Zweiten Weltkrieg beendete. Die Iraner hätten um ein Treffen gebeten, bemerkte Trump. Sonderberater Steve Witkoff konkretisierte, es werde „nächste Woche oder so“ stattfinden. Die Forderung Trumps ist klar: Verzicht auf jegliche Urananreicherung.
Trump drängt auf Waffenruhe in Gaza
Der Zwölf-Tage-Krieg zwischen Israel und Iran, den Washington zunächst verhindern wollte, bevor es selbst militärisch intervenierte, hat auch die Dynamik zwischen Trump und Netanjahu verändert. So dankbar der Ministerpräsident dem Präsidenten dafür ist, seine bunkerbrechenden Bomben über Fordo, Natans und Isfahan abgeworfen zu haben – Trump drehte hernach den Spieß einfach um und setzte Israel unter Druck, einem Waffenstillstand mit Teheran zuzustimmen. Und Trump will zudem, dass der Gazakrieg beendet wird. Hier wird die Sache delikat für Netanjahu, auch wenn beide Seiten versuchten, beim dritten Besuch des Ministerpräsidenten in Washington seit Trumps Rückkehr ins Weiße Haus den Eindruck von Differenzen in dieser Sache zu zerstreuen.
Der Präsident sagte, er glaube nicht, dass es Verzögerungen bei den Waffenstillstandsverhandlungen zwischen Israel und der Hamas gebe. Dann übergab er Witkoff das Wort, der bekräftigte, es gebe die Gelegenheit für einen „Friedensdeal.“ Er hoffe, dass dieser schnell komme. Das Weiße Haus hatte vorher mitgeteilt, Witkoff werde im Laufe der Woche nach Doha fliegen, um die Waffenstillstandverhandlungen zu führen.
Grundlage der Gespräche in Qatar ist schließlich ein Plan aus seiner Feder: Er sieht eine sechzigtägige Waffenruhe vor. Die israelischen Streitkräfte sollen sich umgehend aus einem großen Teil des Gazastreifens zurückziehen. Die Hamas soll im Gegenzug in mehreren Schritten weitere Geiseln übergeben. Israel soll dafür palästinensische Häftlinge freilassen. Während der Waffenruhe sollen beide Seiten über ein dauerhaftes Ende des Krieges verhandeln.
Letzteres ist der eigentlich kritische Punkt: Die Hamas fordert, dass Israel sich verpflichtet, die Angriffe nicht wieder aufzunehmen, sollte es in dieser Frist keine Einigung über ein Nachkriegsarrangement geben. Ein erstes Waffenstillstandsabkommen, das Witkoff und dessen Vorgänger unter Präsident Joe Biden, Brett McGurk, im Januar ausgehandelt hatten, brach im März an Differenzen über die Implementierung einer nächsten Phase. Diesmal will die Hamas Garantien – und zwar von Trump.
Netanjahus ausweichende Taktik
Israel wiederum will sich das Recht vorbehalten, weiter militärisch im Gazastreifen vorgehen zu können. Netanjahu hatte vor dem Treffen im Weißen Haus schon vielsagend bemerkt: „Wir arbeiten daran, den vieldiskutierten Deal zustande zu bringen, zu den Bedingungen, denen wir zugestimmt haben.“ Die Bedingungen der Hamas hatte er freilich als „inakzeptabel“ abgelehnt. Beim Dinner mit Trump, vor dem er schon Begegnungen mit Witkoff und Außenminister Marco Rubio hatte, blieb er bei seiner ausweichenden Taktik. Als Trump gefragt wurde, was aus seinen Umsiedlungsplänen für die Palästinenser im Gazastreifen geworden sei, erteilte der Präsident Netanjahu das Wort. Der Ministerpräsident führte aus, die Vision des Präsidenten sei Entscheidungsfreiheit. Gaza dürfe kein Gefängnis sein. Wenn Leute bleiben wollten, könnten sie bleiben. Wenn sie aber gehen wollten, sollte sie dazu in der Lage sein. Israel arbeite eng mit den Vereinigten Staaten daran, Länder zu finden, die das realisierten, wovon sie immer redeten: dass die Palästinenser eine bessere Zukunft hätten. Er glaube, dass man dem Ziel näherkomme, mehrere Länder zu finden, die willige Palästinenser aufnähmen.
Trump hat aber in den vergangenen Wochen – konkret: nach seiner Reise in die Golfstaaten – seine Tonlage verändert. Er spricht nun häufiger davon, dass das Elend der Palästinenser enden müsse. Auch gab es in der Regierung Kritik an den zurückgehaltenen Hilfslieferungen für die Bevölkerung im Gazastreifen durch Israel. Der Druck auf Netanjahu, den Krieg zu beenden, bringt den Ministerpräsidenten aber in Gefahr, da ultrarechte Partner seine Koalition verlassen könnten, sollte dieser sich aus dem Gazastreifen zurückziehen.
Auch als Trump nach einer Zwei-Staatenlösung gefragt wurde, verwies er auf Netanjahu. Der Ministerpräsident mäanderte: Die Palästinenser sollten die Macht haben, sich selbst zu regieren, aber nicht, Israel zu bedrohen. Das würden die Israelis nicht akzeptieren. Und: „Wir wollen keinen Selbstmord begehen.“ Es werde Leute geben, die sagten, das sei kein vollständiger Staat (für die Palästinenser). Sodann: „Das ist uns egal.“
Eine Zwei-Staatenlösung gehört gewiss auch nicht zu Trumps Prioritäten. Ein Waffenstillstand hingegen schon. Er will der Präsident sein, unter dem das Sterben aufhört. Und gegen den Friedensnobelpreis, dem einst Barack Obama verliehen wurde, hätte er gewiss auch nichts einzuwenden.
Iran zeigt sich bereit zu Verhandlungen
Aus Teheran kamen unterdessen bemerkenswerte Signale: Der iranische Präsident Massud Peseschkian sagte in einem Interview mit dem früheren Fox-News-Moderator Tucker Carlson, der Trumps Eingreifen in den Iran-Krieg scharf kritisiert hatte: „Ich bin der Überzeugung, dass wir unsere Differenzen und Konflikte mit den Vereinigten Staaten sehr leicht durch Dialog und Gespräche beilegen könnten“. Nach den Angriffen auf sein Land werde es jedoch ein Problem mit dem Vertrauen geben. „Wie sollen wir Amerika wieder vertrauen?“ Er forderte Trump auf, sich nicht von Netanjahu in einen Krieg hineinziehen zu lassen.