„Denkraum für Soziale Marktwirtschaft“: Werben um das Vertrauen

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Soziale Marktwirtschaft funktioniert nicht mit Misstrauen gegen Unternehmen und technischen Fortschritt. Vielmehr ist in einer modernen Gesellschaft, in der die Fliehkräfte größer werden, Vertrauen mehr denn je gefragt. Das ist eine der zentralen Botschaften des „Denkraums für Soziale Marktwirtschaft“, einer F.A.Z.-Konferenz, die am Montagabend in Berlin stattgefunden hat.

„Wenn wir die Menschen von den politischen Rändern zurückholen wollen, müssen wir in der Mitte zusammenrücken und vielleicht die Mitte auch etwas breiter und etwas größer machen“, mahnte Bosch-Chef Stefan Hartung. Notwendig sei das richtige Maß zwischen Vielfalt und Freiheit, zwischen Freiheit und Sicherheit. Das Streben nach Ausgleich habe Europa über Jahrzehnte hinweg Stabilität und Wohlstand gesichert. Doch mit Verzerrungen und Polemik hätten es die Gegner der bestehenden Ordnung geschafft, Misstrauen zu säen.

Zudem warb Hartung für mehr Offenheit für Neues. Ohne technologischen Fortschritt werde Deutschland den anstehenden Herausforderungen kaum gewachsen sein: „Vertrauen ist überlebenswichtig. Es ist die entscheidende Kraft, die den Kern der Gesellschaft zusammenhält.“

Äußere und innere Sicherheit als Kernaufgaben

Im „Denkraum zur Sozialen Marktwirtschaft“ – das ist eine Veranstaltungsreihe von Bosch, F.A.Z und der Beratungsgesellschaft Ifok – ging es in diesem Jahr um die Kunst des Miteinanders. Drei prall gefüllte Stunden lang debattierten die Teilnehmer im Atrium der Berliner Dependance der F.A.Z. über die Vertrauenskultur zwischen Zivilgesellschaft, Staat und Wirtschaft.

F.A.Z.-Herausgeber Gerald Braunberger wies eingangs darauf hin, dass ein starker Staat, der dafür sorgt, dass die Regeln eingehalten werden, zu einer offenen Gesellschaft gehört. Kernaufgaben seien die äußere und innere Sicherheit. Aber auch Bildung und Infrastruktur zählten viele dazu. Marode Brücken und verspätete Züge sorgten jedoch schon länger für Schlagzeilen. Zunehmend werde dies nicht als Regierungsversagen, sondern als Staatsversagen gewertet, was unterschiedliche Dinge seien. Letzteres gehe an den Kern des Staates, hob Braunberger hervor.

Von echten und von wahrgenommenen Problemen

Timo Lochocki, Forscher vom Bard College Berlin, erläuterte, der Aufstieg radikaler Parteien habe weniger mit echten als mit wahrgenommenen Problemen zu tun. Zudem sei im In- und Ausland ein klares Muster erkennbar: Wenn bürgerliche Parteien zum Beispiel eine härtere Migrationspolitik versprechen und diese dann nicht einlösen, stärke dies verlässlich die Kräfte am rechten Rand. Sein Rat an die Parteien der Mitte, um den Zuspruch zu Rechtspopulisten drücken: hart über Wirtschafts- und Sozialpolitik streiten. Ein solcher Konflikt sei vertrauensfördernd, weil die Menschen ahnten, dass es unterschiedliche Interessen gebe. „Das ist das beste Gegengift für die These: Alle stecken unter einer Decke.“

Doch so schlecht sieht es um das Vertrauen der Jugend in die Politik gar nicht aus. Dies zeigten eingespielte Interviews von Schülern des Berliner Felix-Mendelssohn-Bartholdy-Gymnasiums. Sie haben ein Grundvertrauen in die Politik, vermissen allerdings das Denken in längeren Zeiträumen statt in Legislaturperioden und fordern: „Aus den vielen Worten müssen am Ende auch Taten folgen – das ist der entscheidende Faktor für wachsendes Vertrauen.“

FDP-Politiker Johannes Vogel haben sie damit an ihrer Seite. Der frühere Ampel-Mann sagte: Politik sollte machen, was nötig sei. Das Kleinmachen, das Denken in Legislaturperioden, sei das Problem. Commerzbank-Chefvolkswirt Jörg Krämer kritisierte die Kluft zwischen Reden und Handeln. Die Politik habe einen Bürokratieabbau versprochen. Doch diesen spürten die Unternehmer nicht, stattdessen ein stetes Misstrauen. Wenn sich der Staat mit der Regulierung zurückhalte, könne neues Vertrauen entstehen.

Wie kann verloren gegangenes Vertrauen zurückgewonnen werden? Heinrich-Böll-Stiftungsvorstand Jan Philipp Albrecht berichtete, wie er als Grünen-Landesminister in Kiel habe lernen müssen, wie wichtig der Dialog vor Ort sei. Man könne sich zwar nicht um jedes Anliegen kümmern, aber wichtig sei, dass Politiker gesehen würden, dass es einen Dialog gebe.

Laura-Kristine Krause vom Bundesfinanzministerium hält Geduld für wichtig. Deutschland wolle mit dem neuen Sondervermögen viel investieren, aber Sanierungen gingen nicht von heute auf morgen. Zudem seien sie mit Belastungen verbunden. Magdalena Rogl von Microsoft Deutschland warnt davor, den Schwarzen Peter hin- und herzuschieben. „Wir sind ein gemeinsames Land, wir haben eine gemeinsame Verantwortung.“ Im politischen Streit dürfe es kein Abkanzeln geben, geboten sei emphatisches Zuhören.