Carsten Günther, bisher Richter am Bundesverwaltungsgericht in Leipzig, soll neuer Präsident des Oberverwaltungsgerichts (OVG) für Nordrhein-Westfalen in Münster werden. Das hat das schwarz-grüne Landeskabinett am Dienstag in Düsseldorf entschieden. Sollte ein zweiter Bewerber – der aber in wenigen Wochen die Pensionsgrenze erreicht – keine Konkurrentenklage anstrengen, könnte der seit Mai 2021 vakante Präsidentenposten besetzt werden. Erst vor wenigen Tagen hatte die von Schwarz-Grün und Justizminister Benjamin Limbach (Grüne) favorisierte Kandidatin ihre Bewerbung zurückgezogen. Die Juristin war bis vor Kurzem Abteilungsleiterin im nordrhein-westfälischen Innenministerium und ist mittlerweile auf eine Stelle in ein Bundesministerium gewechselt.
Um den Top-Posten in der Landes-Justiz war sei Jahren heftig politisch und juristischen gerungen worden. Mehrere Gerichte und ein Untersuchungsausschuss im Düsseldorfer Landtag befassten oder befassen sich mit der Besetzung. Dabei geht es um die Frage, ob die Bewerberin aufgrund von Vettern- und Parteibuchwirtschaft von Schwarz-Grün bevorzugt wurde, obwohl ihre beiden männlichen Bewerber bessere Voraussetzungen vorzuweisen hatten.
Mit Günther soll nun just jener Kandidat zum Zuge kommen, der in dem langwierigen Konkurrenten-Klageverfahren besonders schwere Vorwürfe gegen Justizminister Limbach und die schwarz-grüne Landesregierung erhoben hatte. Der Höhepunkt des Konflikts war ein kurioser schriftlicher Wortwechsel an Eides Statt, in dem der Bundesrichter dem Justizminister vorhielt, in seiner eidesstattlichen Versicherung objektiv falsche Angaben gemacht zu haben.
SPD und FDP loben Carsten Günther
Durch diverse Befragungen kamen im Untersuchungsausschuss tatsächlich bereits zahlreiche Indizien für eine illegitime Einflussnahme auf das Besetzungsverfahren zutage, das nach den strikten Regeln der Bestenauswahl stattzufinden hat. Als ein von SPD und FDP beauftragter Gutachter erhebliche Fehler im Bewerbungsverfahren entdeckte, nahm die Landesregierung im November ihre Kabinettsentscheidung, die Abteilungsleiterin aus dem Innenministerium an die Spitze der Verwaltungsgerichtsbarkeit in Nordrhein-Westfalen zu berufen, zurück.
Carsten Günter kennt sich in der Verwaltungsgerichtsbarkeit des bevölkerungsreichsten Bundeslands gut aus. Seine erste Richterstelle trat er im Jahr 2000 am Verwaltungsgericht Köln an. Nach Abordnungen ins Landes- und Bundesjustizministerium sowie die Staatskanzlei in Düsseldorf war Günter von 2009 bis 2013 Richter am OVG Münster, danach war er bis zu seiner Berufung ans Bundesverwaltungsgericht im Jahr 2015 Vorsitzender Richter am Verwaltungsgericht Düsseldorf.
Die SPD zollte Günther „Respekt für seinen Mut und seine Energie, mit der er sich für seine Rechte bei der Besetzung der OVG-Präsidentenstelle eingesetzt“ habe. Justizminister Limbach habe sich im eigenen Beziehungsgeflecht verheddert, sagte Nadja Lüders, die SPD-Obfrau im Untersuchungsausschuss. Der rechtspolitische Sprecher der FDP-Fraktion, Werner Pfeil, sagte, Günther habe mit großem Einsatz und juristischer Klarheit für sein Recht gekämpft und damit auch rechtsstaatliche Grundprinzipien verteidigt. „Es war letztlich sein Verfahren, das dazu führte, dass das Bundesverfassungsgericht die Auswahlpraxis des Justizministeriums deutlich gerügt hat.“ Pfeil forderte eine Reform der Besetzungsverfahren von Spitzenposten in der NRW-Justiz. „Die Bestenauslese darf in Nordrhein-Westfalen nicht länger Theorie sein – sie muss zum verpflichtenden Maßstab werden.“