Die schwarz-rote Koalition will einen „neuen attraktiven Wehrdienst“ schaffen. Die Hauptattraktion ist ein deutlich höherer Sold. Doch wird er zusammen mit anderen Verbesserungen ausreichen, damit sich weit mehr junge Männer als bisher freiwillig melden?
Das weiß auch der Verteidigungsminister nicht. Auch Pistorius hält es für möglich, dass die Bundeswehr so nicht auf einen Umfang von 260.000 aktiven Soldaten und 200.000 Reservisten kommt, die Berlin der NATO bis 2035 zugesagt hat. Sonst hätte er in seinen Gesetzentwurf nicht eine Pflicht-Versicherung einbauen müssen: die Reaktivierung der Wehrpflicht, falls die sicherheitspolitische Lage das nach Ansicht der Regierung erfordert.
Widersetzen sich die Wehrpflichtgegner in der SPD weiterhin?
Der Wiedereinführung müsste dann auch der Bundestag zustimmen, das heißt: Auch die Wehrpflichtgegner in der SPD müssten es. Pistorius baut wohl darauf, dass sich bei einer wachsenden russischen Bedrohung jene in seiner Partei nicht mehr widersetzen könnten, denen die Wiederkehr der Wehrpflicht schlimmer erscheint als Putins Feldzüge zur Wiedererrichtung der Moskauer Herrschaft über Osteuropa. Dabei könnte Pistorius jedoch den Willen seiner friedensbewegten Genossen unterschätzen, die Augen vor allem zu verschließen, was ihre letzten Illusionen von der „gemeinsamen Sicherheit“ mit Russland zerstören könnte – siehe das „Manifest“.
Vom linken Flügel in der SPD sollten sich Pistorius, Klingbeil und der Kanzler nicht davon abhalten lassen, im Gesetz einen straffen Zeitplan mit festen Etappenzielen für den Aufwuchs der Truppe festzulegen. Werden sie verfehlt, muss alles bereit sein, was bei der Wiedereinsetzung der Wehrpflicht gebraucht wird. Mit dem Einziehen der Wehrpflichtigen und dem Bau neuer Kasernen dürfte nicht erst begonnen werden, wenn Putins Invasionstruppen schon an den Grenzen der baltischen Republiken stehen. Das klarste Signal an den Kreml wäre jedoch ein anderer Beschluss: die Wehrpflicht so schnell wie möglich zu reaktivieren, ohne weiteres Abwarten. Den höheren Sold würden die Soldaten auch dann verdienen.