Russland greift Westen der Ukraine mit Drohnen und Raketen an

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Russland hat in der Nacht zum Mittwoch vor allem die Westukraine angegriffen, eine Region, in der viele Binnenflüchtlinge leben und die bisher nicht so häufig attackiert wurde wie Kiew und Gebiete in der Ost- und Zentralukraine. Das teilten ukrainische Behörden am Mittwoch mit.

Die ukrainische Flugabwehr zählte in der Nacht 728 Drohnen sowie 13 Raketen und Marschflugkörper, berichtete der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj in den sozialen Medien. „Es war die bisher größte Anzahl an einem einzigen Tag.“ Die meisten davon seien entweder abgeschossen worden oder vom Radar verschwunden. Selenskyj sagte, dass die Streitkräfte mobile Flugabwehr sowie Abfangdrohnen eingesetzt hätten, eine neue Technologie, die weiter ausgebaut werde.

Eine große Anzahl russischer Drohnen und Raketen war auf die nur hundert Kilometer von der polnischen Grenze entfernte Großstadt Luzk gerichtet. Ihor Polischtschuk, der Bürgermeister der 200. 000-Einwohner-Stadt, sprach vom „massivsten russischen Angriff seit Beginn des Krieges“ auf seine Stadt, in deren Gebiet es Explosionen gegeben habe.

Der Gouverneur des Gebiets Wolhynien, in dem Luzk liegt, sagte dem Portal „Kyiv Independent“, dass allein 50 Drohnen und fünf Raketen im Luftraum des Gebiets gezählt wurden, von denen „fast alle auf Luzk“ gerichtet gewesen seien. Die Flugabwehr habe den Großteil unschädlich machen können, dennoch sei – mutmaßlich durch herabstürzende Trümmer – in einem Gewerbegebiet Feuer ausgebrochen. Insgesamt meldeten zehn der 24 ukrainischen Gebiete (Oblaste) Schäden.

Russlands Ziel: Überlastung der ukrainischen Flugabwehr

Die polnische Luftwaffe teilte mit, dass sie während des sieben Stunden dauernden Alarms Kampfflugzeuge gestartet habe, um den eigenen Luftraum zu schützen. Die ukrainische Luftwaffe hatte bereits am Dienstagabend gewarnt, dass russische Kampfflugzeuge mit Raketen von einem Militärflugplatz in der Nähe von Nischni Nowgorod gestartet sowie Schwärme von Drohnen in Richtung Ukraine unterwegs seien.

Mit den seit Monaten zunehmenden Massenangriffen versucht Russland, die ukrainische Flugabwehr zu überlasten und die tödliche Fracht ins Ziel zu bringen. Zuletzt waren bei solchen Angriffen auf Kiew und Charkiw Dutzende Menschen ums Leben gekommen und Hunderte verletzt worden. Diesmal berichteten die Behörden von einer Frau, die im Gebiet Kiew verletzt worden sei.

„Dieser Angriff ist bezeichnend“, erklärte Selenskyj am Mittwoch. „Er kommt zu einem Zeitpunkt, an dem so viele Bemühungen um Frieden und einen Waffenstillstand unternommen wurden, doch nur Russland weist sie zurück.“ Der ukrainische Präsident forderte zum wiederholten Mal schärfere Sanktionen, vor allem „gegen Öl, das Moskaus Kriegsmaschinerie seit mehr als drei Kriegsjahren mit Geld versorgt“. Zudem seien Sekundärsanktionen gegen jene notwendig, die weiterhin russisches Öl kauften „und damit Morde finanzieren“. Zu den größten Abnehmern russischen Erdöls zählen derzeit Indien, China und die Türkei, von wo nach wie vor Öl in EU-Länder verschifft wird, was ein Verstoß gegen die von der EU verhängten Sanktionen ist.

Trump könnte neues Patriot-System schicken

Die Ukraine könnte außerdem für ihre Verteidigung ein weiteres Flugabwehrsystem vom Typ Patriot aus den USA erhalten. US-Präsident Donald Trump erwäge, nicht nur Flugabwehrraketen, sondern ein weiteres komplettes Patriot-System zu liefern, berichtet die „Washington Post“. Bisher verfügt die Ukraine über sieben dieser Systeme, mit denen sich alle russischen Luftangriffswaffen bekämpfen lassen. Jeweils drei davon haben die USA und Deutschland geliefert, ein weiteres Startgerät haben Deutschland und die Niederlande überstellt. Um sich flächendeckend gegen Luftangriffe verteidigen zu können, bräuchte die Ukraine laut eigenen Angaben 25 dieser Systeme.

Deutschland verfügt über zwölf Patriot-Systeme, von denen es besagte drei an Kiew abgegeben hat. Die Bundesregierung erwägt, in den USA weitere Patriots – Stückpreis ab 1,1 Milliarden Dollar je System – für die Ukraine zu kaufen, bestätigte in der vergangenen Woche Regierungssprecher Stefan Kornelius. Zudem soll Bundeskanzler Friedrich Merz in einem Telefonat mit Präsident Trump darauf gedrungen habe, die bereits in Polen lagernden Flugabwehrraketen für die Ukraine freizugeben, berichtet das amerikanische Newsportal Axios. Das hat Trump am Montag getan.