Noch ringen die USA und die Europäische Union miteinander. Bis zur ursprünglichen Deadline am 9. Juli gab es keinen Deal im Zollstreit. Aber es könnte bald und klar vor Ende der gesetzten neuen Frist am 1. August so weit sein. „Es dauert wahrscheinlich noch zwei Tage, bis wir Ihnen einen Brief schicken“, sagte Präsident Donald Trump am Dienstag. Das heiße in diesem Fall eine Einigung. Kurz darauf ergänzte Handelsminister Howard Lutnick, die EU habe bedeutende Zugeständnisse gemacht. Der Deal liege nun auf dem Tisch des Präsidenten.
So könnte der Zollbrief mit einem Grundsatzabkommen schon an diesem Donnerstag in Brüssel eintreffen – auch wenn man es bei Trump nie genau weiß. Seine Zölle werden auch mit dem Brief nicht verschwinden. Der von Trump am sogenannten „Befreiungstag“, am 2. April, weltweit ausgerufene Basiszollsatz von zehn Prozent für die meisten Waren bleibt. Das war klar. Trump will damit seine Steuerreform finanzieren.
Hoffen aber darf man, dass mit dem Brief eine weitere Eskalation des Handelskonflikts erst einmal vermieden wäre. Die Zölle springen nicht wieder auf die im April verhängten 20 Prozent oder gar auf die später angedrohten 50 Prozent.
Für Deutschland sind die Sektorzölle entscheidender
Für Deutschland ist es ohnehin viel entscheidender, was mit den schon zu zahlenden Sektorzöllen von 50 Prozent auf Stahl und 25 Prozent auf Autos geschieht. Hier sah es bis zuletzt nicht ermutigend aus. Im Gegenteil: Trump droht nun auch noch mit einem Zoll von 200 Prozent auf Pharmaprodukte. Auch das träfe Deutschland hart.
Was ein erster Deal mit den USA wert ist und ob sich die Zugeständnisse der EU auszahlen, muss sich zeigen. Bis aus einem Grundsatzabkommen ein klarer Vertrag geworden ist, dürften Monate vergehen. Die Briten mussten nach ihrem Grundsatzabkommen mit den USA Wochen warten, bis wichtige Punkte klar waren. Das britische Grundsatzabkommen ist die Messlatte für die EU. Die Europäische Kommission hat oft betont, die EU habe als ungleich gewichtigerer Handelspartner Anspruch auf ein umfassenderes und besseres Abkommen.
Bisher ist das Bild unklar. Auf die von den USA geforderte Entschärfung der Regulierung der Digitalkonzerne hat sich die EU offenkundig nicht eingelassen. Inwieweit sie sich von Trump auf die Seite der USA gegen China zwingen lässt, ist offen.
Kommen Zollnachlässe für Flugzeuge und Spirituosen?
Europäische Flugzeuge und Spirituosen dürften Zollnachlässe bekommen. Bei den Sonderzöllen auf die Einfuhr von Autos hingegen, sah es noch am Wochenende schlecht aus. Die USA haben zwar die von Mercedes und BMW vorgeschlagene „Offset-Idee“ aufgegriffen: Die von europäischen Herstellern in US-Werken produzierten und dann exportierten Fahrzeuge sollen mit den aus der EU in die USA eingeführten Autos verrechnet werden. Das hilft VW oder Volvo allerdings kaum, auch für BMW und Mercedes sind die Bedingungen wohl hart. Da klingt die von den Briten für ihre Autoexporte ausgehandelte Quote besser.
Die Kommission kann sich aber zugutehalten, dass ihre Strategie grundsätzlich aufzugehen scheint. Sie hat darauf gesetzt, Ruhe zu bewahren, Trumps Provokationen abperlen zu lassen, nicht gegenzuhalten, sondern nüchtern und konsequent zu verhandeln. Dass dies als Duckmäuserei wahrgenommen wird, nahm die Kommission in Kauf. Einkalkuliert hat sie, dass Trump aus einem Deal als Sieger hervorgeht und einige Trophäen präsentieren kann.
Für das europäische Selbstwertgefühl ist das schmerzhaft. Die EU hätte einen Konfrontationskurs aber anders als China schwer durchhalten können, aus verschiedenen Gründen. So fehlt ihr das Arsenal kritischer Erden als Druckmittel, und sicherheitspolitisch ist sie von den USA abhängig.
Dennoch hätte die EU mit Gegenzöllen und der so provozierten Reaktion der Finanzmärkte erfolgreich sein können. Trump kann nicht unbegrenzt eskalieren. „Trump always chickens out“ (Trump kneift immer, wenn es hart auf hart kommt), nannte Robert Armstrong von der „Financial Times“ das Vorgehen des Präsidenten, als der nach der heftigen Marktreaktion auf seine im April verhängten Zölle eine Zollpause ausrief.
Die Kommission jedoch wollte keinen Handelskrieg riskieren, auch da sie dafür keine Unterstützung der EU-Staaten hat. Selbst Frankreich war nie konsequent für eine harte Linie. In der Debatte möglicher Gegenzölle unter den EU-Staaten ging es stets darum, abzurüsten, um Trump nicht zu provozieren. Am Ende aber bleibt jeder Deal der Deal der EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen. Erfolg oder Misserfolg werden für die Bewertung ihrer zweiten Amtszeit entscheidend sein.