Deutlich mehr Rechtsextremisten in Brandenburg

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In Brandenburg ist die Zahl der Rechtsextremisten im vergangenen Jahr stark gestiegen. Das geht aus dem brandenburgischen Verfassungsschutzbericht für 2024 hervor, der am Mittwoch in Potsdam vorgestellt wurde. Demnach stieg die Zahl binnen eines Jahres um rund 18 Prozent – von 3085 Rechtsextremisten im Jahr 2023 auf 3650 im Folgejahr. Damit ist der Rechtsextremismus der größte und zudem am stärksten wachsende Phänomenbereich in dem Bundesland. Von ihm gehe „die größte Bedrohung für die freiheitliche demokratische Grundordnung aus“, sagte der parteilose Innenminister René Wilke bei der Vorstellung des Berichts. Von den Rechtsextremisten werden rund 40 Prozent als „gewaltorientiert“ eingeschätzt.

Der kommissarische Leiter der Verfassungsschutzabteilung im Innenministerium, Axel Heidrich, wies auf die besondere Rolle der AfD hin. Sie habe abermals „Anhaltspunkte dafür geliefert, dass sie eine extremistische Bestrebung ist“, sagte er. Im Bericht wird dem Landesverband der Partei „eine überaus enge Zusammenarbeit mit rechtsextremistischen Vorfeld-Akteuren“ als charakteristisch zugeschrieben. Sie verstehe sich als „Bewegungspartei“ gegen den „Parteienstaat“ und trete offensiv für „ethnisch-homogene“, fremdenfeindliche und auch offen rassistische Positionen ein.

Innenminister bricht Lanze für Verfassungsschutz

Der Verfassungsschutzbericht führt die Partei allerdings als rechtsextremistischen Verdachtsfall, nicht als gesichert rechtsextremistisch. Im Mai hatte der Brandenburger Landesverfassungsschutz den AfD-Landesverband zwar hochgestuft. Die AfD reichte aber eine Klage und einen Eilantrag gegen die Hochstufung ein; daraufhin gab der Nachrichtendienst eine Stillhalteerklärung ab, die impliziert, dass sie die AfD weiter als Verdachtsfall behandelt, bis über den Eilantrag entschieden ist. Darum wird auch das Gutachten, das zur Hochstufung der AfD führte, vorerst nicht veröffentlicht.

Die Hochstufung hatte außerdem zu Verwerfungen innerhalb des Innenministeriums geführt. Der damalige, langjährige Leiter der Verfassungsschutzabteilung war entlassen worden, weil ihm die damalige Innenministerin von der SPD vorwarf, er habe sie übergangen. Infolge der dadurch ausgelösten Debatte trat sie selbst zurück. Der neue Innenminister Wilke ist erst einige Wochen im Amt, der neue Chef des Verfassungsschutzes tritt seinen Dienst kommende Woche an. Deshalb sollte der Bericht, der nun Monate in der Schublade gelegen hatte, noch vorher veröffentlicht werden. Der neue Leiter sollte nichts präsentieren müssen, an dessen Erarbeitung er gar nicht beteiligt war.

Wilke sprach diese Causa, „den rosa Elefanten im Raum“, auch gleich zu Beginn der Veranstaltung an; er lobte Heidrich dafür, wie er die Übergangszeit mit seinem Team gemeistert habe. Er betonte außerdem, er wolle sich dem „bewusst erzeugten Framing“ entgegenstellen, der Verfassungsschutz verenge den Meinungskorridor, indem er unliebsame Positionen brandmarke. Es gehe nicht darum, „sehr konservative“ oder „linke“ Meinungen auszugrenzen, sondern darum, Gefahren für die Demokratie und die Bürger zu identifizieren. Diese rufe er daher auf, sich zum Verfassungsschutz „zu bekennen“.

Netz als „digitales Warenhaus“ von Ideologien

Als besonderes Problem identifizierten die Verfassungsschützer die Radikalisierung Jugendlicher. Seit vergangenem Sommer schreite diese „in einer unfassbaren Geschwindigkeit voran“, warnte Wilke. Man habe darum eine Arbeitsgruppe „Schule“ eingerichtet, um Wege zu erarbeiten, Lehrer für das Problem zu sensibilisieren. Heidrich beschrieb das Phänomen, dass gerade Jugendliche Bausteine verschiedener Ideologien unreflektiert miteinander kombinierten. Im Netz sei ein „digitales Warenhaus“ entstanden, in dem sich Jugendliche ihre Weltanschauung „frei zusammenbauen“.

Unterdessen blieb die Zahl der Extremisten in anderen Phänomenbereichen stabil oder veränderte sich nur leicht. Unverändert blieb die Zahl der Reichsbürger und Selbstverwalter bei 1000, die Zahl der Linksextremisten bei 550. Auch die Zahl der Protagonisten beim auslandsbezogenen Extremismus stagnierte bei 80. Die Zahl der Islamisten wuchs leicht, um fünf Personen auf 220.

Ein besonderes Augenmerk lenkte der Innenminister Brandenburgs auf das Thema Spionageabwehr. Er erwähnte Drohnen, die über seinem Ministerium gesichtet worden seien, auch solche, die vor den Fenstern in der Luft gestanden hätten. Hauptakteure bei der Spionage seien 2024 Russland, China, Iran und die Türkei gewesen. Die „zunehmend komplexe Bedrohungslage“ erfordere es, die Spionageabwehr ständig weiterzuentwickeln. Gerade Cyberbedrohungen machten dies nötig.

Wilke erinnerte auch an die Gefahren der Desinformation insbesondere durch russische Akteure. So zeigte er ein gefälschtes Foto von Bundeskanzler Friedrich Merz (CDU) in der Kluft eines Jägers in Kanada, der angeblich eine Eisbärin, zwei ihrer Jungen und eine Robbe erschossen habe. Nach Abschluss des Koalitionsvertrags habe die Falschmeldung kursiert, der Vertrag schreibe fest, dass die zweite Amtssprache in Deutschland künftig Arabisch sei. Das seien keine Streiche Jugendlicher, mahnte Wilke. Dahinter stecke System.