Das Europäische Parlament hat mit klarer Mehrheit einen Misstrauensantrag gegen die EU-Kommission abgelehnt. Gegen den Antrag, der von einem rumänischen Rechtspopulisten gestellt worden war, stimmten 360 Abgeordnete, dafür 175, bei 18 Enthaltungen. Insgesamt gaben 553 von 719 Abgeordneten ihre Stimme ab.
Um erfolgreich zu sein, hätte der Antrag zwei Hürden nehmen müssen. Zum einen hätte die absolute Mehrheit aller Abgeordneten dafür stimmen müssen, also mindestens 360. Zum anderen hätten zwei Drittel der tatsächlich abgegebenen Stimmen darauf entfallen müssen.
Doch stimmten lediglich die beiden Rechtsaußenfraktionen Patrioten für Europa und Europa der Souveränen Nationen geschlossen für den Antrag, außerdem die Hälfte der mehrheitlich nationalkonservativen Fraktion Europäische Konservative und Reformer. Aus ihren Reihen war der Antrag lanciert worden, der von 77 Abgeordneten eingereicht wurde. Die Abgeordneten der Fratelli d’Italia, die ihn nicht unterstützt hatten, gaben keine Stimme ab.
Es war der vierte Misstrauensantrag seit 1999, als die Kommission einem mutmaßlich erfolgreichen Antrag mit ihrem Rücktritt zuvorgekommen war. Alle Anträge scheiterten.
Von der Leyen machte politische Zusagen
Im Ergebnis fiel die Unterstützung des Parlaments etwas schwächer aus als bei der Abstimmung, mit der die Kommission Ende November ins Amt gehievt worden war. Seinerzeit hatten 370 Abgeordnete für die 27 Kommissare gestimmt. Dabei gab es in allen Fraktionen nationale Delegationen, die gegen die Empfehlung der Vorsitzenden stimmten, etwa die Spanier bei der Europäischen Volkspartei (EVP) oder die deutsche SPD bei den Sozialdemokraten.
Die drei Fraktionen im Zentrum des Parlaments – EVP, Sozialdemokraten und Liberale – stellen zusammen 399 Abgeordnete. Am Donnerstag lehnten 331 davon den Antrag ab, neun stimmten dafür. Die anderen nahmen nicht an der Abstimmung teil: 19 Christdemokraten, 25 Sozialdemokraten und 13 Liberale.
Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen hatte sich vor der Abstimmung am Donnerstag mit zwei politischen Zusagen den Rückhalt vor allem von Sozialdemokraten gesichert, die gedroht hatten, sich insgesamt zu enthalten, statt den Antrag abzulehnen. Zum einen soll der Europäische Sozialfonds Plus, aus dem Maßnahmen zur Beschäftigungsförderung und sozialen Integration finanziert werden, auch in den Jahren 2028 bis 2034 als eigenständiger Fonds erhalten bleiben. Ursprünglich hatte die Kommission ihn in einen Fonds zur Förderung der Wettbewerbsfähigkeit integriere wollen. Ob von der Leyen auch Zusagen zur künftigen Mittelausstattung machte, blieb jedoch offen. Im laufenden Finanzrahmen sind es 143 Milliarden Euro. Zum anderen will die Kommission nächste Woche eine Anti-Diskriminierungs-Richtlinie vorlegen, die sie bisher zurückgehalten hatte. Dafür hatten sich linke und liberale Kräfte im Parlament stark gemacht.
„Das sind Zugeständnisse, die sie nicht hätte machen müssen“, sagte René Repasi, der die Delegation der 14 SPD-Abgeordneten leitet. Deshalb sei man bereit gewesen, über diese Brücke zu gehen, und gegen den Misstrauensantrag zu stimmen. Bei der Debatte darüber waren am Montag die politischen Differenzen zwischen der EVP einerseits, Sozialdemokraten und Liberalen andererseits deutlich hervorgetreten. Sie hatten im November eine Zusammenarbeit vereinbart, doch stimmte die EVP danach mehrmals mit den Kräften von rechts außen ab.
Repasi sprach von einem „Denkzettel für Ursula von der Leyen“. Er äußerte zugleich die Hoffnung, dass man nach der Sommerpause wieder zu einer vertrauensvollen Zusammenarbeit finden werde und dann auch Gesetzespakete schnüren könne, die Prioritäten aller Partner berücksichtigten.