Einigung im Tarifstreit – VW will mehr als 35.000 Stellen abbauen

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Nach wochenlangem Ringen haben sich Volkswagen und die IG Metall auf ein umfangreiches Sparprogramm verständigt. Der Kompromiss enthält nach Informationen der F.A.Z. umfassende Eingriffe in das Produktionsnetz und einen erheblichen Stellenabbau, aber auch eine neue Beschäftigungsgarantie, die betriebsbedingte Kündigungen ausschließt.

Auf zwei separaten Pressekonferenzen wollen Gewerkschaft und Konzern am Abend über die Lösung informieren, um die sie zuvor in einem beispiellosen Verhandlungsmarathon gerungen hatten. Der Abschluss sei „historisch“ und für die Zukunft des Konzerns außerordentlich wichtig, so die Einschätzung in Konzernkreisen.

Massiver Stellenabbau in den nächsten fünf Jahren

Konkret sieht die Einigung vor, bis zum Jahr 2030 mehr als 35.000 Stellen abzubauen. Rein rechnerisch entspricht das etwa einem Drittel der Belegschaft in der Volkswagen AG, einem organisatorischen Überbau des Konzerns, der mehrere Standorte in Niedersachsen und ein Komponentenwerk im hessischen Baunatal umfasst.

Gleichzeitig wird die Beschäftigungsgarantie wieder in Kraft gesetzt, die VW zuvor gekündigt hatte, um im Streit um Einsparungen den Druck auf die Gewerkschaft zu erhöhen. Der Abbau soll daher ohne betriebsbedingte Kündigungen und so weit wie möglich über Abfindungsprogramme, Altersteilzeit und andere sozialverträgliche Instrumente erfolgen.

Mit einem solchen Vorgehen hatte Europas größter Autokonzern in der Vergangenheit durchwachsene Erfahrungen gemacht, aber diesmal seien die Programme mit verbindlichen Zielen unterlegt, heißt es.

VW hatte im September angekündigt, seine laufenden Effizienzprogramme zu verschärfen und auch die Schließung ganzer Standorte zu prüfen. Parallel wurde über einen neuen Haustarif verhandelt, über den die Gewerkschaft jetzt ebenfalls informieren will.

Käufer für Werk Osnabrück gesucht

Laut dem Kompromiss werden keine Standorte unmittelbar geschlossen, aber zumindest will VW in zwei vergleichsweise kleinen Werken künftig nicht mehr produzieren, wie zuvor schon bekanntgeworden war. Für die Fabrik in Osnabrück soll ein Käufer gesucht werden. Die „Gläserne Manufaktur“ in Dresden könnte mit örtlichen Partnern zu einem Zentrum für Halbleitertechnik und autonomes Fahren umgebaut werden.

Beide Standorte stehen schon länger auf der Kippe, genau wie das Audi-Werk in Brüssel. Dessen Schließung hat die Premiummarke Audi gerade auf den Weg gebracht. Wie die F.A.Z. zuvor berichtet hatte, dürfte der ostdeutsche Standort Zwickau Modelle verlieren und dadurch stark belastet werden. Eine Recycling-Anlage für Batterien soll neue Arbeit bringen, wird aber die Verluste wohl nur zum Teil ausgleichen, hatte es am Nachmittag geheißen.

Die Standorte in Niedersachsen, so argwöhnt die Belegschaft im Osten, genießen dagegen größeren Schutz durch das am Konzern beteiligte Bundesland, dessen Ministerpräsident Weil auch im Aufsichtsrat sitzt. Emden kann möglicherweise mit noch mehr Volumen für den elektrischen Stadtgeländewagen ID.4 rechnen.

Auch Wolfsburg dürfte wohl einen Teil der Fahrzeuge aus Zwickau übernehmen. Gleichzeitig drohen auch dem Stammsitz des VW-Konzerns am Mittellandkanal große Umbrüche, denn die Produktion des Verbrennermodells Golf dürfte vom Jahr 2027 an nach Mexiko verlagert werden.

VW kämpft mit erheblichen Problemen und will die Rendite seiner Stammmarke VW erhöhen, um sich für Nachfrageschwäche und verschärften Wettbewerb zu rüsten. Im Tarifkonflikt hatten sich Zehntausende Mitarbeiter an Warnstreiks beteiligt. Im nun aufkommenden Wahlkampf mischte sich zunehmend auch die Politik ein. Vor allem die SPD forderte, dass VW keine Werke schließt und auf Entlassungen verzichtet.