Kommt bald wieder ein Berlusconi in die italienische Politik? Es ist nicht die Rede von Silvio Berlusconi, der starb im Juni 2023 im Alter von 86 Jahren. Sondern vom möglichen Einstieg Pier Silvio Berlusconis, Jahrgang 1969, zweitältestes der fünf Kinder des milliardenschweren Unternehmers und mehrfachen Ministerpräsidenten.
Pier Silvio und dessen ältere Schwester Marina, die beide aus der ersten Ehe Silvio Berlusconis mit Carla Dall’Oglio von 1965 bis 1985 stammen, führen nicht nur das vom Vater errichtete Wirtschaftsimperium weiter. Sie sind unter den fünf Geschwistern auch die am stärksten politisch engagierten und verfügen über erheblichen Einfluss in der christdemokratischen Partei Forza Italia, die Silvio Berlusconi 1994 gegründet und bis zu seinem Tod vor gut zwei Jahren geführt hatte.
Bei einer Begegnung mit Journalisten in Mailand stellte Pier Silvio Berlusconi jüngst die Geschäftszahlen von Media For Europe (MFE) vor, des größten Anbieters von kommerziellem Fernsehen und Radio in Italien (und Spanien). MFE verfüge in Italien über einen Marktanteil von gut 37 Prozent, weit mehr als jeder andere europäische Fernsehkonzern in dessen Heimatmarkt, sagte Berlusconi.
Bei der Begegnung wurde Pier Silvio Berlusconi gefragt, ob er eines Tages auch politisch in die Fußstapfen seines Vaters treten wolle. Antwort: „Ich habe derzeit keine solchen Pläne, will es für die Zukunft aber nicht ausschließen. Mein Vater war 58, als er in die Politik ging. Ich bin jetzt 56.“ Derzeit sei er aber „glücklich mit dem, was ich tue“, fügte er hinzu. Die Andeutung, dass irgendwann – womöglich schon in zwei Jahren – wieder ein Berlusconi in der italienischen Politik mitmischen könnte, wurde in Rom mit spitzen Ohren aufgenommen. Schon jetzt geht ohne die stille Zustimmung von Pier Silvio und Marina Berlusconi nichts in der Partei Forza Italia, die seit dem Tod Silvio Berlusconis von Antonio Tajani geführt wird.
Berlusconi lobt Meloni
Forza Italia ist in der Mitte-rechts-Koalition von Ministerpräsidentin Giorgia Meloni die drittstärkste Kraft, Tajani ist Außenminister und Vizeregierungschef. Die Regierung Meloni sei „eine der besten in Europa“, lobte Berlusconi die seit Oktober 2022 amtierende Koalition. Die 48 Jahre alte Ministerpräsidentin führe das Land „mit Kompetenz und Entschlossenheit“, wie es „für Italien am besten“ sei. Für Außenminister Tajani hatte Berlusconi weniger Lob übrig. Dessen Vorstoß zur beschleunigten Einbürgerung von Migrantenkindern mit Schulabschluss – das sogenannte „ius scholae“ – betrachte er als „nicht prioritär“, sagte Berlusconi. Zwar bescheinigte er Tajani, der demnächst 72 Jahre alt wird, dieser leiste in Partei und Regierung gute Arbeit, doch Forza Italia müsse „nach vorne schauen“ und brauche dazu bald „neue Gesichter“.
Die Botschaft Berlusconis lautet: Meloni und ihre rechtskonservative Partei Brüder Italiens sind die Zukunft für bürgerliches Regierungshandeln in Italien, während Tajani spätestens nach den Parlamentswahlen vom Herbst 2027 der Vergangenheit angehören könnte. Was aber die Zukunft von Forza Italia betreffe, so müsse diese eine „liberale und gemäßigte Kraft“ sein, die sich „zur rechten Mitte hin orientiert und mit Blick auf die Bürgerrechte einen Schuss Progressivismus bewahrt“, forderte Pier Silvio Berlusconi.
Das klingt wie eine Einladung an Meloni, die sich in zwei Jahren um eine zweite Amtszeit von fünf Jahren bewerben will, sich mit ihrer Partei noch weiter zur politischen Mitte zu bewegen und den rechten Rand Matteo Salvini und dessen rechtsnationaler Partei Lega zu überlassen. Sollte er sich zum Einstieg in die Politik entscheiden, stünden Themen wie „Wohlfahrt, Arbeit und Löhne, Schulen, Gesundheitsversorgung und innere Sicherheit sowie mehr Anreize für Wirtschaft und Unternehmen“ im Mittelpunkt. Klingt wie das Anforderungsprofil für einen Kabinettsposten mit Portfolio für Wirtschaft oder Finanzen. Vorausgesetzt, Pier Silvio Berlusconi würde sich mit weniger als dem Chefposten in einer künftigen Regierung zufriedengeben. Was sein Vater niemals tun musste und wohl niemals getan hätte.