Pierre Dominique Prümm steht beinahe etwas verlassen im Terminal eins des Frankfurter Flughafens. Dabei dürften viele Passagiere nach seinem Geschmack sein. Denn dann verdient ein Flughafen mehr. Doch nun kommt dem Fraport-Vorstand, der für Infrastruktur, für Aus- und Umbauten, zuständig ist, zupass, dass rund um ihn herum keine lange Reihe wartender Menschen zu sehen ist.
Für Flughäfen und erst recht für Passagiere ist der Airport ohne Warteschlangen eine große Vision. Und für die ist in Frankfurt Prümm zuständig. Dabei geht es nicht nur um Sicherheitskontrollen, wo Reisende in der Vergangenheit über Anstehzeiten geschimpft haben. Es geht um Automaten, Check-in-Schalter sowie um Kameras und Künstliche Intelligenz auf dem Vorfeld, wo die Flugzeuge stehen.
„In der Vergangenheit war die erste Schlange vor dem Check-in-Schalter“, sagt Prümm. Nun hat er 70 neue Theken in die Hallen stellen lassen, 20 bestehende wurden aufgerüstet. Und wenn 2026 das dritte Terminal eröffnet, kommen dort noch mal 112 neue Schalter dazu. Der auf Anhieb sichtbare Unterschied: Den Passagieren, die ihren Koffer aufgeben, sitzt meist kein Mensch mehr gegenüber. Der Reisende steht vor einem Bildschirm, klebt den typischen Papieranhänger selbst an und stellt am Ende den Koffer in ein Fach.
„Weniger Fehleingaben von Koffern“
„Das neue System verkürzt die Wartezeiten für die Reisenden. Und es stabilisiert auch die Abläufe insgesamt“, sagt Prümm: „Es gibt weniger Fehleingaben von Koffern ins Gepäcksystem als früher.“ Denn der neue Automat ruckelt die Koffer in die optimale Position. Das ohnehin kleine Risiko, dass der angeklebte Code falsch gescannt und der Koffer auf Abwege geschickt wird, sei abermals wesentlich geringer geworden.
Dazu komme noch ein „großer Vorteil“ für Reisende: „Sie müssen nicht mehr erst auf der Anzeigetafel und dann nach den angegebenen Nummern suchen, wo der richtige Check-in-Schalter für ihren Flug ist.“ Die neuen Fächer schlucken Koffer nicht nur für eine Airline, sondern für zahlreiche.

„Im vergangenen Jahr haben die ersten neuen Schalter im Check-in-Bereich der Lufthansa ihren Härtetest bestanden – erst mal nur für Passagiere einer Fluggesellschaft“, sagt Prümm: „Die neuen Schalter für mehrere Airlines zugleich anzubieten, ist daher nun der nächste Schritt.“ Auch der zweite Härtetest ist geglückt.
Der Sommerferienauftakt 2025, der für Fraport Hochlasttage mit bis zu 230.000 Passagieren bringt, sorgte für keine Schlagzeilen. Dabei erscheinen die Reisenden nicht gleichmäßig über den Tag verteilt, sondern schubweise, was an den Abflugzeiten liegt. Für die Airlines bringt die neue Technik noch eine Umstellung. Bislang mussten diese von Fraport Schalter mieten, künftig rechnet der Airport seine Dienste je Koffer ab.
Trend zu mehr Selbstbedienung
Und der Passagier muss etwas mitarbeiten. Eine internationale Entwicklung. „Der Trend geht dahin, dass Economy-Reisenden mehr Selbstbedienungseinrichtungen angeboten werden, während Businessclass- und First-Class-Reisende weiterhin eine Produktdifferenzierung durch mehr Service erfahren werden“, erklärt Prümm: „Ein Beispiel dazu: Lufthansa erhält einen neu gestalteten Bereich für Premiumreisende, der wird neben Schaltern mit Servicepersonal auch eine Lounge-Atmosphäre bieten.“
An den Sicherheitskontrollen sorgen derweil schon seit dem vergangenen Jahr Scanner mit Computertomographie-(CT)-Technik für Entlastung. Die Zahl der neuen Geräte ist aber – auch an anderen Flughäfen – gegenüber 2024 gestiegen. „Bei den Handgepäckkontrollen hat auch für Verzögerungen gesorgt, dass Passagiere elektronische Geräte und Flüssigkeiten auspacken mussten. Das ist mit der neuen CT-Technik vorbei“, sagt Prümm.

Vorerst bleibt aus Reisendensicht das Ärgernis, dass Fläschchen mit mehr als 110 Millilitern nicht mitgenommen werden dürfen. Die Flughäfen sehnen eine Neuregelung der EU herbei, noch gibt es sie aber nicht. Schneller geht es dennoch: „Wir schaffen je Kontrollspur einen sogenannten Durchsatz von über 200 Passagieren je Stunde, mit der konventionellen Technik wurden oft nur knapp 80 erreicht“, sagt Prümm: „Unser Ziel ist es, dass es an den Sicherheitskontrollen keine Wartezeiten von über zehn Minuten mehr gibt. Das haben wir flughafenweit schon fast erreicht.“
Durchgehen statt stehen bleiben
Genug der Anstrengungen ist das für ihn nicht. „Der Einsatz von Künstlicher Intelligenz kann zu weiteren Beschleunigungen führen, wenn nicht mehr jede Scanaufnahme nur von Luftsicherheitsassistenten geprüft wird, sondern ihnen Software bei der Auswertung hilft“, sagt er. Zusammen mit der Bundespolizei laufe aktuell ein Test für entsprechende Systeme.
Allerdings schafft eine Lösung für ein Problem neue Herausforderungen – auch das zeigt sich an den Sicherheitskontrollen. „Mittlerweile laufen die Gepäckkontrollen so schnell, dass eher die Körperscanner zum Nadelöhr werden können, weil Reisende für die Personenkontrolle kurz stillstehen müssen“, räumt Prümm ein.

Und wieder soll es Technik richten. „Seit Februar sind wir der erste Flughafen weltweit, der einen Walk-through-Scanner im Regelbetrieb einsetzt. Reisende gehen nun für die Kontrolle einfach durch den Scanner“, sagt er. Diese Zukunft hat aber zunächst mit nur einem Gerät begonnen, die Mehrzahl der Passagiere erlebt das Gewohnte.
Nicht von allem Neuen bekommt der Reisende etwas mit. Nicht nur im Terminal schreite die Digitalisierung voran, sondern auch auf dem Vorfeld, sagt Prümm. Dass draußen neue Kameras hängen, dürfte den meisten Passagieren entgehen. Die Deutsche Lufthansa hat sich von dem gemeinsam mit Fraport vorangetriebenen Vorhaben aber schon begeistert gezeigt, weil ihre Flugzeuge pünktlicher zum Start gelangen können.
Verzögerungen früher erkennen
„Für die Flugzeugabfertigung kommt KI zum Einsatz, die auf Basis von Kamerabildern in Echtzeit erkennt, wann welcher Dienstleister an einem Flugzeug tätig ist, und dann digitale Zeitstempel setzt“, erklärt Prümm. Rund um das Flugzeug wuseln nämlich Gepäckverlader, Caterer, Betanker und Fahrzeugführer herum, welche die Maschine von der Parkposition auf den Rollweg drücken.
„Wir können früher erkennen, wo Verzögerungen drohen, und darauf reagieren“, sagt der Fraport-Vorstand. Zuvor fiel eine Unregelmäßigkeit erst auf, wenn etwas länger gedauert hatte. Selbst wenn eine Verzögerung doch nicht mehr abgewendet werden kann, lässt sich fortan zumindest vorbeugen, dass sie nicht noch größer wird. „Für den Abflug lässt sich vorab kalkulieren, ob ein Flugzeug um 11.05 oder 11.25 Uhr an der Startschwelle stehen kann. So lässt sich von der Flugsicherung mit Vorlauf der passende Startkorridor zuordnen, was Verzögerungen im weiteren Reiseverlauf vermindert“, sagt Prümm.

Auf dem Rundgang durch den Flughafen kommt aber auch eine Stelle, wo er weniger Begeisterung für Neues zeigt. Würde Prümm nicht vor einer Reihe mit Geräten am Rand eines Gangs haltmachen, blieben sie wohl unbeachtet. Die Bildschirme zeigen, dass die Apparate außer Betrieb sind – noch. „Eine Neuerung steht Reisenden aus Staaten, die nicht zum Schengenraum gehören, zum Jahresende bevor, wenn das neue Ein- und Ausreisesystem EES eingeführt wird“, erklärt er.
Diese Passagiere müssten sich dann bei Ankunft und Abreise mit „Gesichts-Scan“ und Fingerabdruck registrieren. So sollen Reisende, die falsche Identitäten nutzen, oder Besucher, die länger geblieben sind, als ihr Visum es erlaubt, aufgespürt werden. Das Problem: Die Prozedur wird für die betroffene Gruppe bei jeder Reise nötig, digitale Profile lassen sich nicht hinterlegen. „Wir hätten uns einen höheren Digitalisierungsgrad gewünscht“, sagt er kurz.
Dem Reisen ohne Bordkarte oder Check-in-Code auf dem Smartphone bescheinigt der Fraport-Vorstand indes noch ein Reifebedürfnis, obwohl das nach Vorabregistrierung mitunter schon möglich ist. Doch es geht nicht nur um Tempo, sondern auch um Wirtschaftlichkeit. „Die neuen Check-in-Schalter, CT-Scanner und der Einsatz von KI bringen für Reisende spürbare Vorteile. Und für uns als Flughafen bedeuten diese Investitionen Effizienzsteigerungen, sie zahlen sich also aus“, sagt Prümm: „Bei Biometrie-Technik, die Reisen beispielsweise nach einem Gesichtsscan ermöglicht, ist zumindest aktuell noch nicht immer offensichtlich, in welchem Umfang Kosten dadurch sinken werden.“