„Wohnungsmarkt für Flüchtlinge hat sich null entspannt“

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Ständig steigende Flüchtlingszahlen, kaum noch Notunterkünfte und zudem ein sehr angespannter Wohnungsmarkt: Diese Mischung gefährde den sozialen Zusammenhalt – so warnten Thorsten Stolz (SPD), Landrat im Main-Kinzig-Kreis, Michael Cyriax (CDU), Landrat im Main-Taunus-Kreis, und Jan Weckler (CDU), Landrat im Wetteraukreis, im Gespräch mit der F.A.Z. vor zwei Jahren. In diesen Wochen sieht die Lage ungleich entspannter aus. Statt mehr als 70 neue Schutzsuchende in der Woche wie ehedem weist das Land etwa dem Wetteraukreis derzeit weniger als zehn Männer, Frauen und Kinder zu.

Die im Sommer 2023 angesichts des Zustroms mitten in Friedberg eingerichtete kreiseigene Erstaufnahmeeinrichtung ist nicht einmal annähernd ausgelastet. Etwa 25 statt der möglichen 200 Flüchtlinge leben dort. Im ersten Quartal hat der Wetteraukreis sogar von einer sogenannten Nullzuweisung profitiert. Das Land schickte ihm im ersten Vierteljahr planmäßig keine weiteren Schutzsuchenden.

Der Grund: „Wir melden dem Land fleißig die Ukrainer nach, die selbst bei Einwohnermeldeämtern vorstellig geworden sind“, erläutert Weckler. Gleichwohl spricht er derzeit mit dem Land, um eine günstigere Regelung für seine Region zu erreichen. Denn der Wetteraukreis sieht sich im Vergleich mit anderen Kreisen und den kreisfreien Städten besonders belastet. Die Erstaufnahmen des Landes seien ungleich verteilt, sagte der Landrat der F.A.Z. zur Begründung. Schließlich betreibe das Land in der Wetterau gleich zwei solcher Einrichtungen, in Büdingen und in Friedberg. An jedem dieser Standorte leben nach Angaben des Regierungspräsidiums Gießen jeweils gut 700 Schutzsuchende.

„Das war immer noch viel“

Zwei Erstaufnahmeeinrichtungen hat in Hessen sonst nur Darmstadt, insgesamt 1300 Männern, Frauen und Kinder sind dort registriert. Die andere Einrichtungen liegen in Bad Arolsen, Feldatal und Neustadt. In allen hat das Land derzeit rund 5600 Flüchtlinge untergebracht; hinzu kommt die zentrale Erstaufnahme in Gießen. Mithin lebt derzeit etwa ein Viertel der in Erstaufnahmen des Landes untergebrachten Flüchtlinge im Wetteraukreis, der 2024 zudem 1500 neue Schutzsuchende zugewiesen bekam. „Das war immer noch viel“, meint Weckler.

Außerdem sieht der Landrat wie seine Amtskollegen mit Blick auf die Unterbringungen und die Integration nach wie vor viel Arbeit für die Kreise und ihre Kommunen. Noch stellt längst nicht jede Stadt und Gemeinde in der jeweiligen Region so viele Plätze für Flüchtlinge bereit, wie sie angesichts der Einwohnerzahl müsste. Dagegen gehen andere Kommunen weiter in Vorleistung und nehmen über das erwartete Maß Flüchtlinge auf. Je näher ein Ort an Frankfurt liegt, desto schwieriger finden Flüchtlinge selbst eine Wohnung. „Der Wohnungsmarkt hat sich null entspannt“, sagt Main-Taunus-Landrat Cyriax. Auch Kriminalität sei ein Thema.

Nicht zuletzt sehen sich die Kreise und Kommunen von Land und Bund nicht hinreichend finanziell unterstützt. So weist Main-Kinzig-Landrat Stolz auf die 54 Millionen Euro hin, die sein Kreis im Jahr 2023 für die Betreuung von Asylbewerbern und Flüchtlingen ausgegeben habe. Die Erstattungen seien aus dieser Summe herausgerechnet. Wenn das Land nun Geld vom Bund für die Flüchtlingsbetreuung nicht an die Kommunen gebe, sei das „eine Riesensauerei“, schimpft Stolz.