Wie Deutschland die Musik veränderte

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MP3 statt CD

Diese deutsche Erfindung veränderte die Musikwelt

14.07.2025 – 11:24 UhrLesedauer: 5 Min.

iPod: Mit dem MP3-Player machte Apple Umsätze in Milliardenhöhe.Vergrößern des Bildes

iPod: Mit dem MP3-Player machte Apple Umsätze in Milliardenhöhe. (Quelle: imago-images-bilder)

1995 hatte die Schallplatte fast ausgedient. Musik hörte man im Radio oder vom CD-Player. MP3, eine Erfindung aus Deutschland, sollte das weltweit ändern.

Der historische Erfolg der Erfinder des MP3-Formats war eine Kombination aus Vision, Überstunden und Sturheit – sowie einer gehörigen Portion Glück. Vor 30 Jahren, am 14. Juli 1995, trat mit MP3 ein neues Dateiformat an, die Welt des Musikhörens und des Musikgeschäfts zu revolutionieren.

An diesem Tag trafen Forscher des Fraunhofer-Instituts für Integrierte Schaltungen in Erlangen die Entscheidung, ihre Erfindung zur Audiokomprimierung auf die Dateiendung “.mp3” zu taufen. 30 Jahre später ist Musik-Streaming allgegenwärtig. Doch erst die in Erlangen erfundene Komprimierung machte es möglich, Musik aus dem Internet zu hören.

Die Ursprünge des MP3-Projekts reichen bis in das Jahr 1982 zurück. Damals ging es darum, Musikdateien so kleinzumachen, dass man sie in ordentlicher Qualität über eine digitale Telefonleitung (ISDN) übertragen kann.

Der Student Karlheinz Brandenburg machte die scheinbar unlösbare Aufgabe zum Thema seiner Doktorarbeit am Lehrstuhl für Technische Elektronik in Erlangen.

Brandenburg war sich anfangs über die Tragweite seiner Forschung nicht ganz sicher. Belegt ist ein Ausspruch von ihm aus dem Jahr 1988: “Entweder meine Dissertation verstaubt in der Bibliothek oder die Technik wird ein Standard, der von Millionen Menschen genutzt werden wird.” Tatsächlich hat der von ihm maßgeblich mitentwickelte Standard “MPEG Layer-3” (MP3) den Musikkonsum von Milliarden beeinflusst.

Die Entwicklungsarbeit von Brandenburg und Forschern wie Heinz Gerhäuser, Harald Popp, Stefan Krägeloh, Harmut Schott, Berhard Grill, Ernst Eberlein, sowie Thomas Sporer sollte nämlich nicht nur die Rundfunktechnik grundlegend erneuern, sondern in der Musikindustrie den Anfang vom Ende der Compact Disc (CD) einleiten. Der Erfolg hält bis heute an: ob beim Streaming, im Digitalradio, im digitalen Fernsehen oder bei Videotelefonaten wie Apples FaceTime – überall wird eine Form des MP3-Nachfolgers AAC eingesetzt.

Kritik hagelt es von Musik-Puristen wie dem kanadischen Sänger Neil Young. Sie bestreiten, dass sich der Klang bei MP3 nicht ändert. Karlheinz Brandenburg kann diese Kritik am Original-MP3 noch halbwegs nachvollziehen. Die neuen MP3-Codes wie AAC seien bei höheren Datenraten aber inzwischen so gut, dass sie vom menschlichen Ohr nicht von analogen Soundübertragungen, etwa von Vinyl-Schallplatten, zu unterscheiden seien. Das hätten auch Blindtests mit geübten Hörern erwiesen.

Doch bis in den 1990er Jahren der Klang einer MP3-Datei nur halbwegs mit dem Sound einer CD oder Vinyl-Schallplatte mithalten konnte, mussten die Forscher unzählige Stunden lang experimentieren. Ein Plattenladen in Erlangen profitierte von diesem Forschungsprojekt. Brandenburg kam vorbei, um für rund 1.000 Deutsche Mark Tonträger einzukaufen. “Einfache Stücke, komplexe Stücke, Musik aus allen Genres, querbeet”, erinnerte sich Brandenburg 2020 in einem Zeitungsinterview. “Wir wussten ja nicht, was funktionieren würde und, noch wichtiger, was nicht.”

Als Brandenburg seine Doktorarbeit fast abgeschlossen hatte, las er in einer Audio-Fachzeitschrift, dass der Song “Tom’s Diner” von Suzanne Vega im HiFi-Handel häufig zum Soundtest eingesetzt wird. Ein Kollege beschaffte schnell die CD. Die Experimente mit einer Acapella-Version des Songs aus dem Jahr 1982 fielen zunächst ernüchternd aus: Der erste Versuch mit “Tom’s Diner” habe sich damals noch so angehört, “als ob jemand am linken und rechten Ohr kratzt”, sagte Brandenburg, als die Sängerin aus New York im Jahr 2007 im Institut in Erlangen vorbeischaute.