Das Militärdefilee auf den Champs-Elysées gehört zum französischen Nationalfeiertag wie das abendliche Feuerwerk, Musik und Tanz. Doch über dem militärischen Spektakel mit Panzern, Flugzeugen und marschierenden Soldaten lag am Montag ein ungewohnter Ernst. „Noch nie war unsere Freiheit seit 1945 so bedroht“, warnte Präsident Emmanuel Macron beim traditionellen Empfang für die Streitkräfte am Sonntagabend in Paris. Er zeichnete ein alarmierendes Bild der Gefahren insbesondere mit Blick auf Russland und kündigte 3,5 Milliarden Euro Mehrausgaben für die Verteidigung im Haushalt 2026 an. Dabei muss Frankreich eigentlich sparen.
Premierminister François Bayrou steht jetzt vor der Herausforderung, zusätzlich zu den erforderlichen 40 Milliarden Euro Einsparungen im Haushalt 2026 3,5 Milliarden für die Verteidigung aufzutreiben. Macron hat nicht dargelegt, wie die Mehrausgaben finanziert werden sollen, aber kategorisch ausgeschlossen, sie wie Deutschland über neue Kredite zu finanzieren. Auch für 2027 sind zusätzliche Militärausgaben von drei Milliarden Euro geplant. Damit will Macron sicherstellen, dass sich zum Ende seiner zehnjährigen Amtszeit die Verteidigungsausgaben verdoppelt haben. Drei Jahre früher als ursprünglich geplant soll der Verteidigungshaushalt 2027 auf 64 Milliarden Euro angestiegen sein. 2017 lag er bei 32 Milliarden Euro.
Als wichtigsten Grund für diese Verteidigungsanstrengung bezeichnete Macron den russischen Imperialismus. Auch der Generalstabschef der Armee, Thierry Burkhard, warnte vor Russland, das „weiter aufrüsten“ und „bei diesem Tempo“ bis 2030 eine Streitmacht aufgebaut habe, die „eine echte Bedrohung für unsere Grenzen an der Ostflanke Europas darstellen wird“. Moskau habe Frankreich als „seinen Hauptgegner in Europa“ bezeichnet, sagte Burkhard bei einer Pressekonferenz in Paris.
Russland als größte Bedrohung
Die detaillierten Gründe für die französische Verteidigungsanstrengung werden in der aktualisierten Nationalen Sicherheitsstrategie (Revue stratégique nationale) dargelegt, die am Montag in französischer, englischer und deutscher Sprache veröffentlicht wurde. Ein 2022 veröffentlichtes Grundsatzpapier wurde von Fachleuten kritisiert, da es die Auswirkungen des russischen Angriffskriegs auf die Ukraine nicht hinreichend berücksichtigte. Die „Nationale Strategische Überprüfung 2025“ korrigiert diese Versäumnisse.
Russland wird darin als größte Bedrohung für Frankreich und die Europäer beschrieben. Es drohe „in den kommenden Jahren und bis 2030“ ein offener Krieg „gegen das Herz Europas“, heißt es in dem 112 Seiten langen Dokument. Die von Russland verfolgten Ziele blieben maximalistisch und ideologisch, und seine Vorgehensweise sei ungezügelt. Sie stellten eine beispiellose und dauerhafte Bedrohung für Frankreich und Europa dar. Im Vorwort schreibt Macron: „Die Europäer haben sich daran gewöhnt, dass andere ihre Sicherheit gestalten (…) und im Grunde genommen die wichtigsten Entscheidungen für sie treffen. Diese Zeiten sind vorbei.“
Militärparade soll „operative Glaubwürdigkeit“ demonstrieren
Die Militärparade mit 7000 Soldaten, 65 Flugzeugen, 250 Militärfahrzeugen und 200 Pferden der Republikanischen Garde stand auch deshalb ganz im Zeichen der „operativen Glaubwürdigkeit“. Die Soldaten der 7. Panzerbrigade rollten in ihren Schützenpanzern nicht in Paradeuniform, sondern in Kampfanzügen über die Champs-Elysées. Damit wollte Frankreich an sein Versprechen erinnern, bis 2027 innerhalb von zehn Tagen eine Brigade von 7000 Mann und innerhalb eines Monats eine Division von 20.000 Soldaten verlegen zu können.
Die logistischen Herausforderungen könnten nur durch mehr Munition und modernes Material, Drohnen und Luftverteidigung bewältigt werden, wie Macron in seiner Rede betonte. Er wiederholte seine Forderung, dass Europa seine Verteidigung selbst in die Hand nehmen und gemeinsam in eigene Waffensysteme investieren müsse. Zu den Gefahren zählte er auch, dass die transatlantische Beziehung eine „Phase der Ungewissheit“ erlebe. Der von Donald Trump verhängte Handelskrieg und die Perspektive eines amerikanischen Rückzugs aus Europa rechtfertigten die Stärkung der französischen Verteidigung. „In dieser Welt muss man gefürchtet sein, um frei zu sein, und um gefürchtet zu sein, muss man mächtig sein“, sagte Macron.
Mehr denn je setzt er auf die Partnerschaft mit Deutschland und Großbritannien, damit Europa sich militärisch behaupten kann. Macron verwies auf die französisch-britische Vereinbarung von Northwood zu einer verstärkten Kooperation bei der nuklearen Abschreckung und erwähnte auch das für den 17. Juli geplante deutsch-britische Sicherheitsabkommen. Er bestätigte, dass beim Deutsch-Französischen Ministerrat Ende August „neue Entscheidungen“ getroffen werden sollten.
Aufmerken lassen in diesem Zusammenhang die Anmerkungen zur nuklearen Abschreckung in dem Grundsatzpapier. So wird darin eine Überprüfung der Zahl der atomaren Sprengköpfe angeregt sowie vorgeschlagen, auch die konventionelle Unterstützung neu zu dimensionieren. Die jüngsten Entwicklungen verstärkten die Notwendigkeit, die strategische Debatte über den Schutz der Verbündeten auf dem europäischen Kontinent zu eröffnen, heißt es.
Bundeskanzler Friedrich Merz (CDU) hatte bei seinem Antrittsbesuch in Paris seine Bereitschaft bekundet, mit Paris und London über nukleare Abschreckung sprechen zu wollen. Bei der Militärparade flogen Rafale-Kampfflugzeuge über den Triumphbogen, die mit Atombomben bestückt werden können. Auch deutsche, britische, italienische und spanische Flugzeuge waren eingeladen, um die Bedeutung der Bündnispartner zu unterstreichen.