Neuer Streit um Europas teuerstes Rüstungsprojekt

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Die schwierigen Verhandlungen um das Luftkampfsystem FCAS entwickeln sich zur Belastungsprobe für die revitalisierten deutsch-französischen Beziehungen. Bislang zeichnet sich keine Einigung ab, mit der das mit geschätzten Gesamtkosten von bis zu 100 Milliarden Euro teuerste Rüstungsprojekt Europas, bestehend aus hochmodernen Kampfflugzeugen, Drohnenschwärmen und Datenwolken, zur Zufriedenheit aller Beteiligten vorangebracht werden kann. In den vergangenen Monaten ist man sich nach übereinstimmender Quellenlage nicht wirklich nähergekommen. Dabei drängt die Zeit: Die laufende FCAS-Arbeitsphase 1B neigt sich dem Ende zu, und Anfang 2026 soll nach bisheriger Planung die Arbeitsphase 2 und damit der Bau eines Flugdemonstrators beginnen.

Zentraler Streitpunkt in den FCAS-Verhandlungen ist die Frage einer Neujustierung der industriellen Verantwortlichkeiten. Der Vorschlag stammt von französischer Seite und wird damit begründet, dass man angesichts der Bedrohungslage schneller und effizienter vorankommen müsse. Dassault Aviation als federführend beteiligtes französisches Unternehmen soll demnach eine noch stärkere Führungsrolle bei der Flugzeugentwicklung erhalten. Die in Bayern ansässige Airbus -Rüstungssparte als federführend beteiligtes deutsches Unternehmen soll dafür mehr Autonomie für Systemelemente wie die Drohnen erhalten.

Nachdem wegen früherer Reibereien schon die einst für 2040 anvisierte Indienststellung unrealistisch ­geworden ist, müsse das System spätestens 2045 stehen, betont man in Paris. Hintergrund ist nicht zuletzt die nu­kleare Abschreckung. Sie stützt sich in Frankreich neben U-Booten auf Rafale-Kampfflugzeuge der vierten Generation, die künftig sukzessive durch FCAS-Flugzeuge der sechsten Generation ersetzt werden sollen. Zu den technischen Neuerungen gehört die Tarnkappentechnik.

Kein Interesse an weiteren Verzögerungen

Auch Deutschland hat kein Interesse an weiteren Verzögerungen, um seinerseits Eurofighter- durch FCAS-Kampfflugzeuge zu ersetzen. Gleiches gilt für das ebenfalls an dem Projekt beteiligte Spanien. Als inakzeptabel gilt in Berlin wie Madrid jedoch die vorgeschlagene Neujustierung der Arbeitsteilung – selbst wenn Paris sie mit dem Angebot schmackhaft zu machen versucht, Airbus eine beschleunigte Entwicklung der FCAS-Drohnen und deren Integration in die bestehenden Eurofighter-Flotten zu ermöglichen.

Man könne die Kampfflugzeugentwicklung nicht praktisch vollständig in französische Hände geben und damit eine souveräne Kernkompetenz verlieren, heißt es von deutscher Seite. Zudem sei die vergleichsweise simple Drohnenentwicklung in technologischer Hinsicht nicht gleichwertig. Berlin drängt daher auf eine Fortführung der bestehenden FCAS-Arbeitsteilung, in der Dassault zwar eine Führungsrolle in der Kampfjetentwicklung hat, Airbus bei diesem Herzstück des Projekts aber als Partner auf Augenhöhe agiert und adäquate Arbeitsanteile erhält.

Die für kommende Woche geplanten Treffen zwischen Bundeskanzler Friedrich Merz (CDU) und Frankreichs Präsident Emmanuel Macron und den Verteidigungsministern beider Länder sollen den Weg für eine Einigung ebnen. Die Begleitmusik ist nicht vorteilhaft: Das deutsche Fachmedium „Hartpunkt“ sorgte mit einem Bericht für Wirbel, wonach Frankreich einen Arbeitsanteil von gar 80 Prozent für das FCAS-Kampfflugzeug fordere. In Paris beschwichtigt man mit dem Hinweis darauf, dass diese Zahl von Dassault stamme, das wie üblich mit hohen Forderungen in Verhandlungen gehe.

In Teilen der deutschen Politik und Industrie ist jedoch von einer unverhohlenen Provokation die Rede. Das französische Unternehmen sei „der falsche Partner“, sagte der Betriebsratsvorsitzende der Airbus-Rüstungssparte, Thomas Pretzl. Dassault lehnte einen Kommentar ab, Airbus beließ es bei einem allgemeinen Statement, wonach man weiter zu FCAS stehe und die kommenden Monate entscheidend seien.