In Frankreich ist sie eine Delikatesse – die Foie Gras. Mit Tierwohl hat die Gänsestopfleber aber nicht viel zu tun. Forschende haben nun eine Methode ohne Zwangsfütterung entwickelt. Kann sie sich durchsetzen?
Wenn in Frankreich gefeiert wird, darf sie oft nicht fehlen: Foie Gras, die berühmte Gänsestopfleber. Rund 75 Prozent der weltweiten Produktion werden in Frankreich konsumiert. Doch das Luxusprodukt steht seit Jahren in der Kritik wegen der umstrittenen Stopfmast, bei der Gänsen und Enten mehrmals täglich Maisbrei in den Magen gepumpt wird.
In Deutschland ist diese Praxis verboten. Dennoch wird Foie Gras importiert und auch in der deutschen Spitzengastronomie serviert. Tierschutzorganisationen wie Vier Pfoten oder die Albert Schweitzer Stiftung fordern seit Langem ein EU-weites Verbot der Stopfmast. Doch bislang fehlt eine praktikable Alternative.
Foie Gras ohne Zwangsfütterung
Ein Team um den Physiker Thomas Vilgis vom Max-Planck-Institut für Polymerforschung in Mainz und Kollegen der University of Southern Denmark haben eine Methode entwickelt, die ganz ohne Zwangsfütterung auskommt. “Was von der Physik her eine Herausforderung ist, ist für mich immer spannend. Und genau deswegen haben wir das gemacht”, sagt Vilgis.
Statt auf gestopfte Leber setzten die Forscher auf die Verarbeitung natürlicher Zutaten wie Haut und Knochen von Gans und Ente. Der Durchbruch kam durch den Einsatz von Lipasen, die auch im Körper der Tiere vorkommen. “Die Enzyme beeinflussen die Textur, die Elastizität, den Schmelz. Und sie bringen die Aromen gleich mit”, erklärt der Forscher.
Durch die Behandlung des Fetts mit diesen Enzymen konnten Vilgis und sein Team einen Prozess nachbilden, der auch während des Stopfens im Körper der Tiere abläuft. Dabei entstehen Fettpartikel, die das besondere Mundgefühl der Foie Gras ergeben.
Heraus kam eine Foie Gras, die optisch und geschmacklich kaum vom Original zu unterscheiden ist, aber ohne Tierleid auskommt. “Wir bewegen uns definitiv innerhalb der natürlichen Schwankungen, die es bei Foie Gras ohnehin gibt. In einer Blindverkostung würde man keinen Unterschied merken”, so Vilgis.
Tradition gegen Innovation
Doch wie groß sind die Chancen, dass sich das neue Produkt durchsetzt? Der renommierte Restaurantkritiker Jürgen Dollase aus Mönchengladbach ist skeptisch. “Sich ausgerechnet an der Foie Gras zu versuchen, scheint mir mehr eine technische Übung zu sein als etwas, das der Mensch wirklich braucht”, sagt er.
Viele französische Spitzenköche sehen Foie Gras als Teil ihrer kulinarischen Identität und zeigen wenig Interesse an Alternativen. “Das ist ein Teil der Kultur und ich sehe nicht, dass da jemand großartig etwas ändern will”, so Dollase. Dabei gebe es inzwischen auch Leber, die statt von gestopften von normal gemästeten Gänsen stamme. Einige der besten Köche der Welt bevorzugten diese, weil sie geschmacklich feiner sei.
Das Verfahren aus Mainz ist mittlerweile patentiert, aber bislang hat sich kein Hersteller gefunden, der die tierfreundlichere Foie Gras produzieren will. Dabei könnte sie nicht nur ethisch, sondern auch wirtschaftlich interessant sein – gerade für Länder, in denen die Stopfmast verboten ist.
Ein europäisches Thema
Die Diskussion um Foie Gras ist längst nicht nur eine französische Angelegenheit. In der EU ist die Stopfmast zwar nicht generell verboten, aber in vielen Mitgliedsstaaten, darunter Deutschland, Italien und den Niederlanden, untersagt. Eine einheitliche Regelung fehlt bislang. Die EU-Kommission prüft derzeit im Rahmen der Farm-to-Fork-Strategie, wie der Tierschutz in der Lebensmittelproduktion gestärkt werden kann.
Die Entwicklung aus Mainz könnte dabei eine Rolle spielen als Beispiel dafür, wie sich Genuss und Tierwohl vereinen lassen. Ob sich die neue Foie Gras durchsetzt, hängt von der Bereitschaft der Gastronomie und der Politik ab. Und von Kunden, die sie bestellen.