„Den Protest führe ich selbst an, bevor ich in den Aufsichtsrat gehe“

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Die Unruhe in der Belegschaft beim kriselnden Automobilzulieferer ZF nimmt zu. Nach Betriebsversammlungen an verschiedenen Standorten des Unternehmens mit Sitz in Friedrichshafen am Bodensee erklären Arbeitnehmervertreter, Gespräche über weitere Sparbeiträge der Mitarbeiter vorerst nicht mehr führen zu wollen. Auslöser waren vor allem Aussagen von Personalvorständin Lea Corzilius, die nach Angaben des Betriebsrats nun auch betriebsbedingte Kündigungen nicht mehr ausschließt.

Die Vorständin hatte am Montag vor den Mitarbeitern der Zentrale gesprochen. Für große Empörung sorgte beim zuständigen Betriebsrat, dass sich Corzilius nicht ohne Vorbehalte zu der im Sommer 2024 ausgehandelten Zielvereinbarung bekannte, die betriebsbedingte Kündigungen bis Juni 2028 ausschließt. „Es kam die Aussage, dass die Zielvereinbarung natürlich eingehalten wird – wenn es möglich ist“, sagt Franz-Josef Müller, der Vorsitzende des Standortbetriebsrats. Aufgrund der schwierigen konjunkturellen Lage habe die Vorständin in ihrer Rede in der Messehalle von Friedrichshafen stattdessen weitere Sparbeiträge von den Mitarbeitern gefordert. Nach Angaben Müllers geht es unter anderem um Entgeltkürzungen von übertariflichen Leistungen. „Im Gegenzug etwas angeboten hat Corzilius uns aber nicht, das ist der Grund, warum wir nun keine Gespräche mehr mit dem Unternehmen führen werden, bevor wir wissen, wohin die Reise geht“, berichtet Müller weiter. „Es war für uns ziemlich überraschend, wie offensiv der Arbeitgeber auf uns zugekommen ist und weitere Beiträge fordert, dafür aber nichts geben will.“

„Klar unter unseren Planungen“

Hintergrund für die neuen Forderungen des Vorstands sind die schwachen Absatzzahlen in der Automobilindus­trie. Zwar hat ZF zuletzt die Kosten gedrückt und seit Sommer 2024 mehr als 5700 Vollzeitstellen abgebaut, doch das reicht nicht aus. „Wir liegen klar unter unseren Planungen“, sagte Finanzvorstand Michael Frick vor wenigen Tagen der „Wirtschaftswoche“. Die sinkende Zahl produzierter Autos eliminiere „ein Stück unserer eigenen Sparerfolge“.

Bei einer weiteren Betriebsversammlung am Dienstag forderte auch Produktionsvorstand Peter Laier weitere Sparbeiträge vor den Mitarbeitern und kündigte an, dass das „Unternehmen alle übertariflichen Leistungen beschneiden will“, wie Achim Dietrich, Vorsitzender des Spartenbetriebsrats und gleichzeitig Gesamtbetriebsratschef erklärte. „Wir haben nicht damit gerechnet, dass diese Forderung auch bei uns erhoben wird, da das Lastwagengeschäft zuletzt sehr gut gelaufen ist.“ Dietrich kritisierte vor allem den Zeitpunkt der Forderung, da in den vergangenen Monaten an vielen deutschen Standorten Gespräche über die Zukunft geführt worden waren. ZF will alle Fabriken in Deutschland schließen, deren Fabrikmarge unter zehn Prozent liegt. „Wir haben es geschafft, diese Liste zu halbieren – mit zum Teil heftigen Beiträgen der Beschäftigten“, er-läuterte Dietrich. „Nach der Arbeit an vielen Standorten kommt nun aus heiterem Himmel dieser Angriff.“

Während Betriebsratschef Müller die Stimmung in der Betriebsversammlung am Montag in Form „einer Sinuskurve“ beschrieb, die „zwischen Resignation und Totenstille einerseits und Empörung andererseits schwankte“, haben die Beschäftigten nach Angaben Dietrichs am Dienstag ihrem Unmut mit Pfiffen und lauten Rufen Ausdruck verliehen.

Das Unternehmen reagierte auf Anfrage zurückhaltend. „Die Belegschaft weiß, dass ZF auf das schwierige wirtschaftliche und geopolitische Umfeld mit weiteren Einschnitten reagieren muss. Welcher Art die Einschnitte sind, werden wir mit der Arbeitnehmervertretung besprechen“, sagte ein Sprecher. Vorerst will der Betriebsrat aber nicht sprechen. Gesamtbetriebsratschef Dietrich kündigte für den 29. Juli vor der ZF-Zentrale eine große Protestveranstaltung an, „die ich anführen werde, bevor ich in den Aufsichtsrat gehe“. Das Kontrollgremium will bei seiner Sitzung an diesem Tag die nächsten Einschnitte bei dem Zulieferer beschließen.