Der eine Partner macht seine Hausaufgaben, der andere nicht: Der baden-württembergische Versorger Energie Baden-Württemberg ( EnBW ) hat mit dem Abschluss der geplanten Kapitalerhöhung weitere Voraussetzungen geschaffen, um die für die Energiewende notwendigen Investitionen im Südwesten Deutschlands stemmen zu können – wartet aber nach eigenen Angaben weiter auf die Gesetze der Bundesregierung, damit diese Investitionen überhaupt sinnvoll geplant werden können.
Die Aktionäre haben nach Angaben des Unternehmens von Dienstag das Angebot angenommen und damit 53,6 Millionen neue Aktien zu einem Bezugspreis von 58 Euro je Aktie erworben. Der Erlös aus der Transaktion beträgt 3,1 Milliarden Euro. Mit dem Geld verbessert der Energieversorger seine Eigenkapitallage, um am Finanzmarkt die für die Investitionen notwendigen Mittel aufnehmen zu können.
„Die Kapitalerhöhung ist für uns sehr wichtig und verschafft uns größere finanzielle Handlungsspielräume über alle Geschäftsfelder“, sagt Finanzchef Thomas Kusterer der F.A.Z. „Mit der Kapitalerhöhung stärken wir unsere Eigenkapitalbasis und die Kreditwürdigkeit unseres Unternehmens.“ Im Zusammenspiel mit operativen Erträgen, Beteiligungsmodellen und der Aufnahme von Fremdkapital habe das Unternehmen damit die Grundlage für die geplanten Investitionen bis zum Ende dieser Dekade.
Klar ist für Kusterer aber auch, dass nicht nur Unternehmen ihre Hausaufgaben müssen, sondern auch die Bundesregierung das Ihrige tun muss, indem sie den politischen Rahmen für die Energiewende vorgibt. „Die Energiebranche steht mitten in einem tiefgreifenden Systemumbau. Gleichzeitig sind Investitionen in Milliardenhöhe ohne klare Rahmenbedingungen schwer möglich“, erklärt Kusterer. „Vor diesem Hintergrund ist es höchste Zeit für eine bedarfsgerechte Kraftwerksstrategie und einen funktionierenden Kapazitätsmechanismus. Beides sollte effizient umgesetzt werden. Hier dürfen wir es uns nicht zu kompliziert machen, sonst verlieren wir nur Zeit.“
Historisch großes Investitionsprogramm
Die Kapitalerhöhung ist die Basis für das größte Investitionsprogramm in der Geschichte von EnBW. Zwischen 2024 und 2030 plant das Unternehmen Bruttoinvestitionen in Höhe von bis zu 50 Milliarden Euro in den klimaneutralen Umbau des Energiesystems. Rund 60 Prozent der Investitionen fließen nach Angaben in den Ausbau der Netze und etwa 30 Prozent in den Ausbau von Wind- und Solarparks sowie in den Bau von klimafreundlichen, wasserstofffähigen Kraftwerken. Den verbleibenden Betrag von rund zehn Prozent steckt das Unternehmen in den Ausbau der Elektromobilität. Allein im Zeitraum von 2025 bis 2027 will der Versorger fast 26 Milliarden Euro ausgeben.
Für eine sinnvolle Planung der Investitionen mahnt EnBW-Chef Georg Stamatelopoulos seit Monaten das versprochene Kraftwerksgesetz an, das klärt, wo und wie die als Absicherung für Windräder und Photovoltaikparks benötigten Gaskraftwerke gebaut werden. Sie sollen zuerst mit Gas und später perspektivisch mit Wasserstoff laufen und dann anspringen, wenn bei Dunkelflauten kein Wind weht und die Sonne nicht scheint. Zudem müsse die neue Bundesregierung möglichst schnell die Vorgaben für den geplanten Kapazitätsmarkt festlegen. Auch den macht die Energiewende nötig, denn da die neuen Kraftwerke nur wenige Tage im Jahr laufen werden, müssen die Energieversorger für die bereitgestellte Leistung entlohnt werden und nicht für die gelieferten Mengen.
Gesetz im Ampel-Aus
Das Kraftwerkgesetz war fast fertig, ging jedoch im Ampel-Aus unter. Den darin vorgesehenen Zubau von 20 Gigawatt Kraftwerksleistung aus wasserstofffähigen Gaskraftwerken, bis 2030 und über ganz Deutschland verteilt, bezeichnete Stamatelopoulos als „extrem ambitioniertes Ziel“. Tatsächlich ließ er auf der Bilanzpressekonferenz des Unternehmens im März durchblicken, dass es in der vorgegebenen Zeit kaum möglich sein werde, die erforderlichen Kapazitäten aufzubauen. Aber auch sieben oder zehn Gigawatt würden schon helfen, sagte er: „Wichtig ist, wir müssen starten.“
Im Gespräch mit der F.A.Z. vor wenigen Monaten hatte der EnBW-Chef außerdem eine Korrektur der Energiewende gefordert. „Wir haben uns in Deutschland in der Vergangenheit zu einseitig auf das Thema Klimaschutz konzentriert. Dabei muss erfolgreiche Energiepolitik zwei weitere grundsätzliche Aspekte berücksichtigen: Versorgungssicherheit und Bezahlbarkeit.“
Vor diesem Hintergrund hat EnBW von Aurora Energy Research berechnen lassen, wie die Energiewende günstiger gestaltet werden könnte. In der im April veröffentlichten Studie kommt die Energieberatungsagentur zu dem Ergebnis, dass die Kosten sich drastisch senken lassen. Hauptpunkt ist die Forderung, dass sich die Dimensionierung des Energiesystems am Strombedarf ausrichten muss. „Dieser steigt laut zahlreichen Studien weniger stark als ursprünglich erwartet. Dimensioniert man das System kleiner, um auf ein geringeres Nachfragewachstum einzugehen, und optimiert es dabei technisch, lassen sich die Kosten um bis zu 700 Milliarden Euro bis 2045 senken“, schreibt der Konzern.
Baden-Württemberg unterstützt
Das neue Geld für EnBW kommt zum allergrößten Teil und je zur Hälfte von den beiden Hauptaktionären: dem Land Baden-Württemberg und den Oberschwäbischen Elektrizitätswerken (OEW), einem Zweckverband mit Sitz in Ravensburg, hinter dem neun baden-württembergische Landkreise stehen. Land und OEW halten je 46,75 Prozent, der Rest der Aktien ist in Streubesitz. An der Verteilung der Mehrheiten ändert sich durch die Kapitalerhöhung nichts.
„Die EnBW verfolgt eine ambitionierte Investitionsagenda in den nächsten Jahren. Die Kapitalerhöhung ist definitiv eine Investition in die Zukunft“, sagt Baden-Württembergs Finanzminister Danyal Bayaz (Grüne) der F.A.Z. „Das Unternehmen spielt bei der Energiewende eine zentrale Rolle. Insofern ist das Engagement des Landes bei der EnBW wichtig für Klimaschutz und für die Energiewirtschaft der Zukunft.“
Auch OEW befürworten die Wachstumsstrategie des Energieversorgers. „Als Ankeraktionär unterstützen wir das Unternehmen bei der Umsetzung der notwendigen Investitionen in die Gewährleistung der Versorgungssicherheit und die Umsetzung der Energiewende“, sagt die Landrätin des Kreises Sigmaringen, Stefanie Bürkle, als Vorsitzende von OEW. Baden-Württemberg nutzt für die Kapitalerhöhung Darlehen, die die Beteiligungsgesellschaft Neckarpri am Kapitalmarkt aufnimmt, und bürgt mit dem Landeshaushalt für die Kredite. Der Zweckverband nutzt dafür die OEW-Energie-Beteiligungs GmbH. Finanziert werden soll die Beteiligung hier wie dort mit Dividenden von EnBW.
Finanzminister Bayaz, der das Land Baden-Württemberg im Aufsichtsrat von EnBW vertritt, unterstützt die Forderung des Vorstands nach einer zügigen Klärung der offenen Fragen zur Umsetzung der Energiewende. „Die EnBW hat immer wieder darauf hingewiesen, dass die energiewirtschaftlichen Rahmenbedingungen gerade in Bezug auf den Kraftwerksbau verlässlicher und besser gestaltet werden müssen“, sagte Bayaz. „Die EnBW verfolgt dabei eine klare Strategie, wie der Umbau unserer Energieversorgung gelingen kann. Nun sind der Bund und die neue Energieministerin am Zug, dafür auch schnell die Voraussetzungen zu schaffen.“