Nach dem Abgang des Italieners Luca De Meo zum Luxusgüterkonzern Kering hat Renault am Dienstagabend Duncan Minto als neuen Interimchef präsentiert. Der gebürtige Schotte, Jahrgang 1975, verantwortet bislang die Finanzgeschäfte des französischen Autoherstellers – und hat gleich alle Hände voll zu tun. Nach überraschend schlechten Halbjahreszahlen ging der Aktienkurs am Mittwochmorgen auf Talfahrt. Zwischenzeitlich lag er mehr als 18 Prozent im Minus. Der Börsenwert schrumpfte auf knapp zehn Milliarden Euro.
Renault schockte die Märkte mit einem massiv verschlechterten freien Cashflow. Der fiel auf 47 Millionen Euro, einschließlich einer, wie der Konzern einräumt, „deutlich negativen Veränderung“ des Betriebskapitalbedarfs von 900 Millionen Euro. Zum Vergleich: Im ersten Halbjahr 2024 hatte der freie Cashflow noch bei 1,3 Milliarden Euro und im Gesamtjahr 2024 mit 2,9 Milliarden Euro sogar deutlich über der anvisierten Zielmarke von 2,5 Milliarden Euro gelegen.
Die Geschäftsführung verwies auf drei ungünstige Entwicklungen im Juni, die die Ergebnisse belasteten. Das seien unter den Erwartungen liegende Stückzahlen und „ausstehende Forderungen, die durch Abrechnungszeitpunkte in den letzten Tagen des Monats beeinflusst wurden“. Zudem habe man es mit einem „zunehmenden Wettbewerbsdruck infolge des anhaltenden Rückgangs im Privatkundenmarkt und einer unterdurchschnittlichen Performance im Nutzfahrzeuggeschäft in einem stark rückläufigen europäischen Markt“ zu tun.
Von den Handelskonflikten verschont
Das allein erklärt aber nicht, warum der Betriebskapitalbedarf von Renault so überraschend stark gewachsen ist. Folgt man der Darstellung der Geschäftsführung weiter, gibt es für diese so starke Veränderung zwei Gründe: ein höheres Produktionsniveau zum Jahresende 2024 im Vergleich zum Niveau Ende Juni 2025 zum einen und einen im Vergleich zum Jahresende 2024 höheren Lagerbestand infolge schwächerer Volumina im Juni zum anderen. Der Gesamtfahrzeugbestand habe Ende Juni 530.000 Fahrzeuge betragen, mehr als fünf Prozent weniger als noch im März.

„Angesichts der sich verschlechternden Marktentwicklung mit steigendem Wettbewerbsdruck“ hat Renault seine Finanzziele für das Gesamtjahr nun deutlich zurückgeschraubt. Statt der geplanten mehr als zwei Milliarden Euro strebt der Konzern nun nur noch einen freien Cashflow von einer bis 1,5 Milliarde Euro an. Die operative Marge soll statt sieben nur 6,5 Prozent betragen. Vergangenes Jahr hatte sie mit 7,6 Prozent die 5,9 und 5,5 Prozent der Wettbewerber Volkswagen und Stellantis überflügelt. Renault hatte sich damit gerühmt, der einzige große europäische Autohersteller zu sein, der seine Finanzziele nicht kappen musste.
Der Schock über die schlechten Halbjahreszahlen ist umso größer, da viele Beobachter Renault nach vielen Krisenjahren unter De Meo auf nachhaltigem Erfolgskurs sahen. Nach dem Drama um den langjährigen Konzernchef Carlos Ghosn, der Fast-Insolvenz in der Corona-Pandemie und dem teuren Abschied vom vormals zweitwichtigsten Absatzmarkt Russland hat der Italiener die Modellpalette grundlegend erneuert und den Konzern beherzt saniert.
Renault kommt zupass, von den derzeitigen Handelskonflikten weitgehend verschont zu bleiben. Anders als die deutsche Konkurrenz und Stellantis verkaufen die Franzosen weder in den USA noch in China Autos. Die Abhängigkeit vom europäischen Heimatmarkt ist mit einem Umsatzanteil von zwei Dritteln dafür umso größer. Wer bei Renault langfristig den Chefsessel übernimmt, bleibt offen. Als Favorit galt zuletzt der Chef der rumänischen Konzernmarke Dacia, Denis Le Vot.