Manche Menschen rauchen nicht, leben gesund – und bekommen trotzdem Lungenkrebs. Eine neue Studie zeigt, welcher Faktor das Erbgut ähnlich stark schädigt wie Zigarettenrauch.
Lange galt Lungenkrebs als klassische Raucherkrankheit. Doch die Realität hat sich verändert: Immer mehr Menschen erkranken daran, ohne je zur Zigarette gegriffen zu haben. Besonders betroffen sind Frauen.
Eine neue, in der Fachzeitschrift “Nature” veröffentlichte Studie hat jetzt ergeben: Luftverschmutzung hinterlässt deutliche genetische Schäden in den Zellen von Lungenkrebspatienten – Schäden, wie man sie bisher vor allem Rauchern zuschrieb.
Ein internationales Forschungsteam um Bioingenieur Ludmil Alexandrov von der University of California in San Diego (USA) analysierte dafür Tumorgenome von 871 Lungenkrebspatienten aus 28 Ländern – alle hatten nie oder nur sehr selten geraucht. Das Team verglich die Daten zusätzlich mit denen von 345 Rauchern. Das Ergebnis: Je stärker die Feinstaubbelastung am Wohnort war, desto mehr krebstypische Mutationen fanden sich im Tumorgewebe der Nichtraucher.
Besonders auffällig war eine Mutation mit der Signatur SBS4 – ein genetisches Muster, das bisher fast ausschließlich bei Rauchern beobachtet wurde. In der neuen Studie trat es bei Nichtrauchern aus Regionen mit hoher Luftverschmutzung fast viermal so häufig auf wie bei Menschen aus weniger belasteten Gebieten. Auch andere typische Alterungs- und Schadstoffsignaturen, darunter SBS5, waren bei diesen Patienten deutlich häufiger nachweisbar – in diesem Fall um 76 Prozent.
Darüber hinaus beobachteten die Wissenschaftler eine Verkürzung der Telomere – das sind Schutzkappen an den Enden der Chromosomen, die als Indikator für Zellalterung gelten. Kürzere Telomere bedeuten: Die Zellen altern schneller – ein Prozess, der Krebs begünstigen kann.
Auch Passivrauchen galt bislang als wichtiger Risikofaktor für Lungenkrebs bei Nichtrauchern. Doch überraschenderweise fanden sich in den Tumoren von Menschen, die häufig Passivrauch ausgesetzt waren, nur wenige dieser typischen Mutationen. Zwar zeigten sich auch bei ihnen kürzere Telomere, doch es fehlten die signifikanten genetischen Veränderungen, die bei Luftverschmutzung so deutlich zutage traten.
“Sollte Passivrauchen eine Wirkung auf die Gene haben, ist diese möglicherweise zu schwach, um mit unseren derzeitigen Methoden nachgewiesen zu werden”, sagte Studienautor Tongwu Zhang vom National Cancer Institute in den USA.
Die Forscher betonen jedoch, dass die Aussagekraft in Bezug auf das Passivrauchen begrenzt ist – vor allem, weil die Daten häufig ungenau sind. Wie lange war jemand dem Rauch ausgesetzt? Wie oft? Und wie nah? All das lässt sich nur schwer exakt erfassen.
Die Ergebnisse der Studie legen nahe: Luftverschmutzung ist nicht nur ein allgemeines Gesundheitsrisiko, sondern spielt eine direkte Rolle bei der Entstehung von Lungenkrebs – auch ohne Tabak. “Unsere Forschung zeigt, dass Luftverschmutzung stark mit denselben Arten von DNA-Mutationen assoziiert ist, die wir typischerweise mit Rauchen in Verbindung bringen”, so Studienleiter Alexandrov.
Besonders brisant: In den Tumoren der Nichtraucher fanden die Forscher auch eine bislang unbekannte genetische Signatur namens SBS40a. Diese trat in fast 30 Prozent der Fälle auf – bei Rauchern hingegen überhaupt nicht. Noch ist unklar, welche Umweltfaktoren für diese Mutation verantwortlich sind. Doch die Entdeckung eröffnet neue Ansätze in der Krebsforschung.