EU macht russisches Militär für Jamming verantwortlich

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Die EU-Staaten haben weitere neun russische Personen und sechs Einrichtungen wegen hybrider Kriegsführung mit Sanktionen belegt. Sie richten sich nicht nur gegen Propaganda und gezielte Desinformation, sondern auch gegen elektronische Kampfführung. Staaten im Ostseeraum beklagen seit Langem und in jüngerer Zeit zunehmend die gezielte Störung von satellitengestützten Positionsdaten und des Funkverkehrs („Jamming“), was den Flug- und Schiffsverkehr gefährdet. Teilweise werden sogar gezielt falsche Daten gesendet („Spoofing“), um Piloten und Navigatoren zu verwirren.

Die EU macht dafür nun gezielt zwei Personen und eine Einheit der russischen Streitkräfte verantwortlich: das 841. Zentrum für elektronische Kampfführung der Ostseeflotte, das im Gebiet Kaliningrad sitzt, seinen Kommandeur Oberstleutnant Vitaly Kulikow sowie den Chef der russischen Truppe für elektronische Kampfführung, Generalleutnant Juri Lastochkin. Sie werden mit Einreise, Vermögens- und Geschäftssperren belegt. Das dürfte zwar keine direkten Auswirkungen haben. Doch erfolgt damit erstmals eine eindeutige Attribution.

Zur Begründung heißt es: „Das 841. Separate Zentrum für elektronische Kampfführung im Gebiet Kaliningrad hat unter dem Kommando von Las­tochkin Störgeräte erhalten und Übungen unter Verwendung fortgeschrittener Systeme durchgeführt, die in der Lage sind, Kommunikationen über weite Gebiete zu stören; es ist zudem beteiligt an der Planung, Unterstützung und Ausführung von koordinierter Informationsmanipulation und Einflussnahme, die sich unmittelbar auf die Mitgliedstaaten der Union auswirken.“

Russischer General: Elektronische Kampfführung werde „über das Schicksal aller Militäreinsätze entscheide“

Das Zentrum selbst sei eine der stärksten Gruppierungen für elektronische Kampfführung in Russland und „verantwortlich für den Einsatz von Technologien zur Störung aller Arten von Systemen für Kurzwellenkommunikation, für die Durchführung von Übungen der elektronischen Kampfführung zur Störung feindlicher Navigation und Funkkommunikation sowie für die Sammlung und Analyse nachrichtendienstlicher Informationen, die durch die Überwachung elektromagnetischer Strahlung im Kurz- und Ultrakurzwellenbereich erhalten werden“.

Lastochkin ist in den vergangenen Jahren immer wieder mit Interviews in russischen Militärzeitschriften aufgefallen, in denen er die zentrale Bedeutung und Strategie der elektronischen Kampfführung darlegte. So äußerte er 2018 die Einschätzung, dass sie aufgrund qualitativer Fortschritte „in naher Zukunft über das Schicksal aller Militäreinsätze entscheiden wird“. Ziel sei „die Desorganisation der feindlichen Truppen- und Waffenführung“ und die Störung seiner Aufklärungsfähigkeiten. Man sei inzwischen technisch in der Lage, eine schützende „Kuppel“ über einem Raketenkomplex oder einem wichtigen Kommandoposten zu errichten.

Russland glaubt, dass es so die westliche Überlegenheit bei der Informationsgewinnung und bei präzisionsgesteuerten Waffensystemen kompensieren kann. Nach Einschätzung westlicher Dienste nutzen die Russen ihre Ausrüstung, um insbesondere Kommunikation und Geolokation im baltischen Raum zu stören. Dies geschieht, wie Wissenschaftler nachweisen konnten, von Sankt Petersburg und von Kaliningrad aus. Auf Satellitenbildern ist etwa zu erkennen, dass in der Exklave das Murmansk-Störsystem mit 32 Meter hohen Antennen stationiert ist, das Signale in einem Radius von mehr als 5000 Kilometern beeinträchtigen kann.

Mit den jüngsten Listungen steigt die Gesamtzahl von Personen, die der Destabilisierung von EU-Staaten bezichtigt werden, auf 47, die Gesamtzahl von Einrichtungen auf 15.