120 Züge täglich, Zehntausende Reisende, 62 Minuten Fahrzeit, 300 km/h Höchstgeschwindigkeit – das sind die Normwerte der ICE-Strecke zwischen Köln und Frankfurt. Doch seit mehr als zwei Wochen erleben viele Reisende eine andere Realität: Dutzende Zugausfälle täglich, deutlich längere Fahrzeiten und abschnittsweise nur Tempo 160. Ein Stellwerk, das für die Steuerung des Zugverkehrs zuständig ist, sorgt seit Wochen immer wieder für Ausfälle auf einer der wichtigsten Bahnverbindungen Deutschlands.
An sieben der vergangenen 18 Tage war die Strecke beeinträchtigt. Aktuell fällt mehr als ein Drittel der Züge aus. Sämtliche ICE-Verbindungen aus Brüssel enden schon in Köln. Viele der noch verkehrenden ICEs legen zusätzliche Zwischenstopps in Siegburg, Montabaur und Limburg ein. Dadurch sind die Züge noch voller und fahren zusätzlich langsamer. Fernzüge verspäten sich laut Bahn um bis zu 45 Minuten, im günstigsten Fall beträgt die Verspätung 20 Minuten. Gegen Abend verschlechtert sich die Situation durch Rückstaus meist dramatisch – Verspätungen von zwei Stunden sind dann keine Seltenheit.
Probleme bringen Bahnnetz ins Wanken
Die Probleme betreffen das gesamte deutsche Bahnnetz. Fällt von den 120 Zügen pro Tag ein Drittel aus und verspätet sich der Rest, gerät das fein austarierte System bundesweit ins Wanken. Zusätzlich war die langsame Ausweichstrecke am Rhein wegen Bauarbeiten gesperrt – dadurch fehlte eine wichtige Alternative für den Fernverkehr.
Die Deutsche Bahn informiert ihre Kunden nur spärlich. An den Bahnhöfen finden sich vereinzelt Hinweise auf Zugausfälle zwischen Siegburg/Bonn und Montabaur. In der App „DB Navigator“ wird lediglich ein defektes Stellwerk in Siegburg/Bonn erwähnt. Informationen über die voraussichtliche Reparaturdauer, genauere Ursachen oder Alternativen suchen Reisende vergebens.
Informationspolitik der Bahn sorgt für Frust
Laut eines Bahn-Pressesprechers soll ein Softwareupdate die Störung verursacht haben; man arbeite „mit Hochdruck“ an der Behebung. Am Dienstagnachmittag rechnete ein Sprecher noch damit, dass die Störung bis Mittwochmorgen behoben sein könnte – doch das war nicht der Fall. Weitere Informationen waren trotz Nachfragen von der Pressestelle der Deutschen Bahn nicht zu erhalten. Auch bei der Infrastrukturgesellschaft DB Infrago finden sich anders als sonst keine konkreteren Angaben.
Die Probleme ähneln denen vom letzten Mal, als ein Stromausfall die Strecke lahmlegte. Zwischen der Überleitstelle Willroth und Siegburg/Bonn ist die „Linienzugbeeinflussung“, das zentrale elektronische Sicherungssystem, betroffen. Daher sind nur Fahrten im sogenannten „Ganzblockbetrieb“, also mit deutlich eingeschränkter Streckenkapazität, möglich. ICE-Züge können die Strecke nur unter Beachtung stationärer Lichtsignale und mit verminderter Geschwindigkeit befahren. Konkret bedeutet das: Auf 40 Kilometern kann nur mit 160 km/h statt mit 300 km/h gefahren werden, was die Streckenkapazität erheblich begrenzt.
In Fachforen wie „Drehscheibe Online“ wird derweil über die Ursachen spekuliert – vereinzelt ist sogar von russischer Sabotage die Rede. Nach jetzigem Stand gibt es dafür aber keine Belege. Ein offensichtlich gut informierter Nutzer erklärte am Mittwochmorgen detaillierter: Die Lösung dauere aufgrund der Lokalisierung und Analyse des komplexen Systems lange. „Die Schwierigkeit liegt in der neuen Software und den drei beteiligten Firmen“, so der Insider. Die Abstimmung sei sehr aufwendig. Von der gesamten Software sei nur ein Bruchteil betroffen, der Fehler müsse erst gefunden werden. Selbst dann sei nicht sicher, dass keine Folgefehler auftreten oder weitere unerkannte Probleme bestehen. Die Bahn betonte, zu Spekulationen keine Stellung zu nehmen, und rechnet auch am Mittwoch noch mit Einschränkungen.