Russlands einziger Flugzeugträger vor dem Aus

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Für Russlands einzigen Flugzeugträger, die vor mehr als acht Jahren zur Reparatur geschickte Admiral Kusnezow, zeichnet sich nach vielen Schrecken ein schnödes Ende ab: Das Verteidigungsministerium werde womöglich entscheiden, das Schiff zu verschrotten, berichtete die kremltreue Moskauer Zeitung „Iswestija“ am Freitag.

Noch unter dem Namen „Tbilissi“ lief das in Mykolajiw in der heutigen Ukraine gebaute, 306 Meter lange und 72 Meter breite Schiff im Jahr 1985 vom Stapel. Es wurde offiziell als „Flugdeckkreuzer“ klassifiziert, um die Durchfahrt zwischen Schwarzem Meer und Mittelmeer durch Bosporus und Dardanellen unter den Bestimmungen des Vertrags von Montreux zu ermöglichen. 1990 umbenannt, wurde die Admiral Kusnezow Ende 1991 aus Sewastopol auf der Schwarzmeerhalbinsel Krim nach Murmansk am Nordpolarmeer überführt, um mögliche Ansprüche der nunmehr unabhängigen Ukraine zu vereiteln.

Ihren letzten Einsatz – und zugleich ihre erste Kampfmission überhaupt – hatte die Admiral Kusnezow von November 2016 bis Januar 2017 im Rahmen der russischen Militäroperation zugunsten des Damaszener Gewaltherrschers Baschar al-Assad, der seit seinem Sturz Ende vorigen Jahres in Russland weilen soll. Vor der syrischen Küste stiegen Kampfflugzeuge über eine Art Sprungschanze am Bug des Schiffes auf, um sodann Assads Gegner zu bombardieren.

Missglückte Landeversuche

Dabei war der militärische Nutzen der Präsenz des Flaggschiffes der russischen Nordflotte sekundär. Präsident Wladimir Putin ging es damals vor allem darum, im östlichen Mittelmeerraum – in der Nähe der NATO-Mitglieder Griechenland, der Türkei sowie der britischen Militärstützpunkte auf der Insel Zypern – wachsende Macht zu demonstrieren. Das vermochte ausgerechnet die Admiral Kusnezow allerdings nur begrenzt. Ein MiG-29- sowie ein Su-33-Kampfflugzeug stürzten bei missglückten Landeversuchen ins Meer, die Piloten sollen sich mit Schleudersitzen gerettet haben.

Hinzu kam, dass das Schiff, das mit dem Schweröl Masut als Treibstoff angetrieben wurde, vermutlich aufgrund eines Motorschadens tiefschwarzen Rauch ausstieß, was in sozialen Netzwerken sowie in westlichen Medien hämisch kommentiert wurde. Auf der Rückfahrt, am 11. Januar 2017, wurde, als die Admiral Kusnezow vor der ostlibyschen Stadt Tobruk haltmachte, noch Warlord Chalifa Haftar an Bord mit militärischen Ehren empfangen.

Auch die Reparaturen nach der Rückkehr in den russischen Nordwesten waren von Pannen gekennzeichnet. Ende Oktober 2018 sank das Schwimmdock, auf dem das Schiff lag, ab, ein großer Kran des Docks stürzte aufs Deck und beschädigte es, ein Mechaniker kam ums Leben. Im Dezember 2019 wurden durch einen bei Schweißarbeiten ausgebrochenen Brand an Bord zwei Personen getötet, 14 weitere verletzt. Ein weiteres Feuer im Dezember 2022 blieb ohne Opfer.

Der Kreml will wohl eine Diskussion um Flugzeugträger

Nun schrieb „Iswestija“ unter Berufung auf Fachleute, die Reparaturarbeiten an der Admiral Kusnezow seien schon vor einiger Zeit gestoppt worden, der Flugzeugträger sei „moralisch und physisch veraltet“. Offiziell gibt es noch keine Einlassungen über das voraussichtliche Ende des Flugzeugträgers, doch gewünscht ist offenbar eine Diskussion in den vom Kreml kontrollierten Medien über die Admiral Kusnezow im Allgemeinen und über Bedürfnisse der Flotte im Besonderen. Die Staatsnachrichtenagentur Ria Nowosti zitierte am Mittwoch einen früheren Kommandeur der Nordflotte namens Wjatscheslaw Popow mit der Aussage, man brauche künftig nuklearbetriebene Flugzeugträger, mindestens einen für Russlands Pazifikflotte, einen zweiten für die Nordflotte und womöglich einen weiteren „im Süden“. Alles hänge von der Beurteilung der Bedrohungen ab.

Popow warb für den Fall, dass der Staat entscheide, neue Flugzeugträger zu bauen, dafür, die Admiral Kusnezow nicht zu verschrotten, sondern als Schulschiff zu nutzen. Auch die „Iswestija“ hatte einen Befürworter von Flugzeugträgern zitiert, den Militärfachmann Ilja Kramnik, der sagte, die Tatsache, dass viele Länder, darunter Indien und China, derzeit eine Flugzeugträgerflotte aufbauten, deute darauf hin, dass solche Schiffe benötigt würden. Eine moderne Flotte sei ohne Luftunterstützung „undenkbar“, man brauche einen „Flugplatz zum Mitnehmen“.

Doch zitierte die Zeitung auch Flugzeugträgerskeptiker. Zum Beispiel einen früheren Kommandeur der Pazifikflotte, Sergej Awakjanz. Die russische Marine benötige „Flugzeugträger in klassischer Form“ nicht mehr, „das ist eine zu Ende gehende Epoche“. Solche Schiffe seien riesig und teuer, aber ineffektiv und könnten „innerhalb weniger Minuten mit modernen Waffentypen zerstört werden“. Die Zukunft gehöre den „Trägern robotisierter Komplexe“ und Drohnen. Was Awakjanz nicht ausformulierte, aber gewiss im Blick hatte, war, dass die ukrainischen Verteidiger im russischen Angriffskrieg mit Antischiffsraketen, Luft- und Seedrohnen die russische Schwarzmeerflotte dezimiert und faktisch aus deren Heimathafen Sewastopol vertrieben haben.

In Russlands strategischer Marineplanung bis zum Jahr 2030 sei vorgesehen, dass die Pazifik- sowie die Nordflotte über jeweils eine Flugzeugträgerformation verfügen sollten, zitierte das Blatt den Konteradmiral der Reserve Michail Tschekmassow. Die Frage sei aber, ob die Pläne angesichts der „speziellen Militäroperation“ (SWO), dem Angriffskrieg gegen die Ukraine, zu finanzieren seien. „Jetzt ist der Sieg in der SWO das Wichtigste, dann wird klar werden, was künftig gebaut werden muss“, sagte Tschekmassow.

Von dieser Prioritätensetzung zeugt auch, dass, wie die Zeitschrift „Forbes“ im vergangenen September berichtet hat, aus Teilen der rund 1500 Mann starken Besatzung der Admiral Kusnezow ein Bataillon namens „Fregatte“ gebildet worden ist, das mit einer Panzereinheit in der Ukraine kämpfe. Ihren voraussichtlich letzten Auftritt hat die Admiral Kusnezow im Film „Mission Impossible: The Final Reckoning“ mit dem amerikanischen Schauspieler Tom Cruise, in dem der Flugzeugträger fälschlicherweise als einsatzfähig dargestellt wird.