Baden-Württemberg: 1440 unbesetzte Lehrerstellen entdeckt

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Acht Monate vor der Landtagswahl in Baden-Württemberg müssen zwei von grünen Politikern geführte Ministerien den Eltern eine unschöne Mitteilung machen und Fehler ihrer Verwaltungen eingestehen: In den vergangenen zwanzig Jahren sind offenbar frei gewordene Lehrerstellen mit der Software „DIPSY-Lehrer“ fehlerhaft verwaltet worden, so dass 1440 eigentlich zu besetzende Lehrerstellen unbesetzt blieben. Das Verwaltungssystem ist unübersichtlich, weil die Schulen, wenn ein Lehrer in Rente geht, einen Nachfolger aus einem Pool von Lehrkräften zugewiesen bekommen.

Das Computersystem „DIPSY-Lehrer“ wurde 2005 eingeführt, verantwortlich für die Beschaffung und die Implementierung der Software waren die damaligen Kultusminister Annette Schavan und Helmut Rau (beide CDU). Der Fehler fiel aber auch ihren Nachfolgern und Nachfolgerinnen, die von der CDU, der SPD gestellt wurden, nicht auf. Auch Theresa Schopper (Grüne), die seit 2021 im Amt ist, fiel der Fehler erst spät auf. Auch Finanzminister Danyal Bayaz (Grüne) und sein Ministerium tragen eine Mitverantwortung, weil ihm das „Landesamt für Besoldung und Versorgung“ (LBV) untersteht ist; es verwaltet die Personaldaten der Lehrer und wickelt die Stellenverwaltung ab.

Vom Kultusministerium werden 95.000 Stellen verwaltet – 1,5 Prozent der Stellen können jetzt also besetzt werden, weil sie im Haushalt ohnehin vorgesehen und etatisiert waren. „Wir werden jetzt verstärkt Lehrer für die Grundschulen, für die Sekundarstufen 1, sofern sie nicht zu den Gymnasien gehören, für die Krankheitsreserve und für den Auf des neunjährigen Gymnasiums einstellen“, sagte ein Sprecher des Kultusministeriums der F.A.Z..

Schon 2005 könnte der Fehler passiert sein

Das Kultusministerium ist der Auffassung, dass schon 2005 ein Fehler passiert sein könnte, weil es damals bei der Umstellung auf den Tarifvertrag für den Öffentlichen Dienst (TV-L) Probleme gegeben habe. Diese Probleme hätten zum Anwachsen der „fehlerhaften IST-Zahlen“ geführt.

An der Leistungsfähigkeit der baden-württembergischen Kultusverwaltung gibt es schon seit vielen Jahren große Zweifel, der frühere Ministerpräsident Günter Oettinger (CDU) war sogar der Auffassung, das Problem ließe sich nur durch die Neugründung des Ministeriums lösen, auch der amtierende Ministerpräsident Winfried Kretschmann (Grüne) hat sich über die Jahre gerade über die Lehrerstellenverwaltung und die Trägheit der Schulverwaltung immer wieder kritisch geäußert.

Erst am 7. Juli hatten die Landesvorsitzenden der GEW, Monika Stein und Michael Hirn, an Kretschmann, die Kultusministerin und den Finanzminister geschrieben und das strukturelle Fehlen von Lehrer-, Vertreterlehrerstellen und auf die schwerwiegenden Folgen für die Unterrichtsversorgung verwiesen. Die Stellen müssten nun bis zum Beginn des Schuljahres am 15. September besetzt werden, fordert die GEW.

SPD und FDP kritisieren das Versagen des Kultusministeriums

Der bildungspolitische Sprecher der CDU-Landtagsfraktion, Andreas Sturm, griff die grünen Minister Schopper und Bayaz an, obwohl Grüne und CDU noch gemeinsam regieren: „Das ist nicht einfach nur eine Ungereimtheit. Vieles deutet auf ein strukturelles Problem im Kultusministerium, der Schulverwaltung und im Finanzministerium hin. Das betrifft sowohl die Personalverwaltung als auch das Haushaltscontrolling.“ Aus Sicht der CDU sein noch einmal deutlich geworden, dass die „Staatsmodernisierung, insbesondere auch im Bereich der Bildungsverwaltung“ dringlicher denn je sei.

Die Oppositionsparteien SPD und FDP kritisierten das offensichtliche Versagen des Kultusministeriums: Während die FDP von einem „bildungspolitischen Super-GAU von Ministerin Schopper“ sprach, forderte der SPD-Fraktionsvorsitzende Andreas Stoch eine schnelle Aufklärung und die schnelle Besetzung der Stellen. Stoch war von 2013 bis 2016 selbst Kultusminister. Für einfache Schuldzuweisungen ist das Thema folglich eher nicht geeignet.