Der Vorstoß von Bundeskanzler Friedrich Merz (CDU), die Mindeststeuer in Europa auszusetzen, hat keine 24 Stunden überlebt. „Der Bundeskanzler unterstützt, was wir mit den Amerikanern vereinbart haben“, betonte Bundesfinanzminister Lars Klingbeil (SPD) in Genshagen bei Berlin, als er nach dem Treffen mit seinem französchen Amtskollegen Éric Lombard auf die Meldung vom Vortag angesprochen wird. Da hatte die Deutsche Presse-Agentur aus Bayern berichtet, dass Merz die Mindeststeuer in Europa aussetzen wolle.
Sie zitierte ihn mit den Worten, er teile die Einschätzung von Bayerns Finanzminister Albert Füracker (CSU). Dieser habe „aus der Sicht der Finanzpolitik darum geworben, dass wir diese sogenannte Mindestbesteuerung in Europa nicht aufrechterhalten, weil die Amerikaner ausgestiegen sind und dieses Konzept ohnehin keine Zukunft hat“. Merz kündigte an, dass sich die Bundesregierung „jetzt“ mit dieser Frage befassen werde. Nach der Darstellung Klingbeils sprach er darüber Mittwoch Vormittag mit dem Kanzler. Man sei sich einig, an der Mindeststeuer festzuhalten.
Ein Aussetzen der Mindeststeuer wäre aus mehreren Gründen schwierig. Im Koalitionsvertrag von Union und SPD ist von einem Abschaffen oder Aussetzen der Mindeststeuer keine Rede. Im Gegenteil, dort heißt es explizit: „An der Mindeststeuer für große Konzerne halten wir fest.“ Die Partner versprechen, die Arbeiten auf internationaler Ebene für eine einfachere Mindeststeuer zu unterstützen. Weiter heißt es, man wolle sich auf europäischer Ebene dafür einsetzen, dass deutsche Unternehmen nicht benachteiligt würden, wenn andere Länder vom globalen Konsens abrückten. Vermutlich dürfte dies der Bundeskanzler im Hinterkopf gehabt haben, als er über eine Aussetzung der EU-Richtlinie räsonierte. Doch in der Praxis ist das kaum möglich. Sie kann nur einstimmig geändert oder ausgesetzt werden.
Die Mindeststeuer war Teil eines großen Reformprojekts zur Neuverteilung des Steueraufkommens, auf das sich etwa 140 Länder verständigt hatten. Amerikas Präsident Donald Trump kündigte die Vereinbarung nach seiner Rückkehr ins Weiße Haus auf, nach der alle internationalen Unternehmen mit mehr als 750 Millionen Euro Jahresumsatz mindestens 15 Prozent Steuern zahlen sollten – direkt oder indirekt über höhere Belastungen ihrer Muttergesellschaft oder anderer Tochtergesellschaften. Trump drohte mit Gegenmaßnahmen, wenn US-Unternehmen im Ausland belastet würden.
Ende Juni gab es einen Konsens in der Gruppe der sieben westlichen Industrieländer. Nun sollen die Gewinne von US-Firmen im In- und Ausland nur in den Vereinigten Staaten versteuert werden. Klingbeil hob anschließend hervor, der Kompromiss erlaube es, den Kampf gegen Steuerflucht und Steuerdumping weiter voranzutreiben.