Wie gefährlich sind Tropenkrankheiten in Deutschland?

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Stand: 17.07.2025 05:14 Uhr

Infektionen unter Reiserückkehrern aus tropischen Ländern gibt es seit Jahren. Immer häufiger infizieren sie sich aber auch direkt in Europa. Tropenkrankheiten – wie hoch ist die Gefahr in Deutschland?

Melina Runde

Dass Menschen sich bei einer Reise ins ferne Ausland mit einer tropischen Krankheit infizieren, kann vorkommen und gilt als nicht ungewöhnlich. Immer häufiger infizieren sich Menschen aber direkt in Europa. Erst vergangene Woche meldete das Robert Koch-Institut (RKI) eine sogenannte autochthone Infektion mit dem Chikungunya-Virus nahe der deutschen Grenze in Frankreich.

Autochthone Infektion bedeutet: Vor Ort hat eine Mücke eine infizierte Person gestochen, das infizierte Blut dieser Person aufgenommen und mit einem weiteren Stich eine gesunde Person mit dem Erreger infiziert.

In den vergangenen Wochen waren bereits sechs weitere solcher lokalen Fälle in Frankreich entdeckt worden, die meisten davon in der Nähe der Mittelmeerküste.

Immer mehr Ausbrüche

“Wir beobachten das im südlichen Europa schon in den letzten Jahren, dass es dort immer wieder lokale Ausbrüche von Chikungunya-Fieber, Dengue-Fieber, teilweise auch Malaria gibt”, sagt Epidemiologe Hendrik Wilking in einem Presse-Briefing des Science Media Centers. Er ist stellvertretender Leiter des Fachgebiets Gastrointestinale Infektionen, Zoonosen und tropische Infektionen am RKI. “Und wir beobachten in den letzten Jahren auch, dass diese lokalen Ausbrüche sich immer weiter nach Norden verbreiten.”

Infektionen unter Reiserückkehrern aus tropischen Ländern gebe es seit Jahren und auch deren Anzahl steige, so der Epidemiologe. “Aber was besorgniserregend ist, ist dass wir mit solchen Ausbrüchen, die nicht reiseassoziiert sind, auch in Deutschland rechnen müssen.” Das liege etwa am Klimawandel.

Mehr Mücken durch Klimawandel

Übertragen wird das Chikungunya-Virus – wie viele andere Tropenkrankheiten auch – über Mücken, insbesondere die asiatische Tigermücke (Aedes albopictus). Neben Chikungunya kann die asiatische Tigermücke auch andere Viruserkrankungen wie Dengue oder Zika übertragen.

Ursprünglich stammt sie aus tropischen und subtropischen Gebieten. Mittlerweile siedelt sie immer mehr auch in Europa an, auch in Deutschland. Laut RKI ist sie in Baden-Württemberg und im Rhein-Main-Gebiet von Hessen und Rheinland-Pfalz weit verbreitet. Punktuell ist sie demnach aber auch in Bayern, Thüringen, Berlin und Nordrhein-Westfalen zu finden.

“Die asiatische Tigermücke ist eine wärmeliebende Stechmückenart, die sich eigentlich in Deutschland gar nicht wohlfühlt”, erklärt Helge Kampen, Leiter des Labors für Medizinische Entomologie am Institut für Infektionsmedizin des Friedrich-Loeffler-Instituts. “Sie wird hier immer neu eingeschleppt, vor allem über die Eier, aber auch aus Südeuropa über Mückenweibchen.”

Durch die Erderwärmung fühlen sich wärmeliebende Mückenarten allerdings in immer mehr Teilen Europas wohl. Hinzu kommt, dass Insekten ectotherme Tiere sind. “Das heißt, sie sind abhängig von der Umwelttemperatur. Man kann sagen: Je höher die Außentemperaturen ist, desto schneller entwickeln sie sich”, erklärt Forscher Kampen. Durch die Klimaerwärmung seien häufiger nicht reiseassoziierte Fälle zu erwarten. “Da müssen wir uns drauf einstellen.”

Diagnose häufig schwierig

Dabei sind die tropischen Virusinfektionen nicht immer einfach zu erkennen. “Es gibt bestimmt eine große Dunkelziffer”, sagt Peter Kremsner, Direktor des Instituts für Tropenmedizin, Reisemedizin und Humanparasitologie des Universitätsklinikums Tübingen. Viele Erkrankungen, wie das Chikungunya- oder das Dengue-Fieber, hätten ähnliche Symptome. Ohne eine erweiterte Diagnostik, etwa durch Labortests, blieben sie beim Hausarzt oder bei der Hausärztin häufig unerkannt.

Wer den Verdacht hat, sich mit einer tropischen Krankheit infiziert zu haben, kann sich auch direkt an ein Tropeninstitut in der Nähe wenden.

Tropenkrankheiten in Deutschland
Name Fälle in 2025
(bis 30. Juni)
Symptome Überträger Impfstoff
Chikungunya-Fieber

84
(Vorjahreszeitraum: 23)

hohes Fieber und starke Gelenkschmerzen, können über Wochen und Monate anhalten;
schwere Verläufe selten 

Aedes-Mücke, vor allem asiatische Tigermücke

Ja, für Reisende in betroffene Gebiete empfohlen

Dengue-Fieber

545 (Vorjahreszeitraum: 1.173)

milde Grippesymptome, schwerer Verlauf selten, u. a. mit Bauchschmerzen, Erbrechen, blutende Schleimhäute bis zum Schock 

Aedes-Mücke, vor allem asiatische Tigermücke

Ja, für Reisende in betroffene Gebiete empfohlen

Zikavirus

6
(Vorjahreszeitraum: 25)

meist keine und wenn dann eher milde, grippeähnliche; bei Schwangerschaft sind jedoch Fehlbildungen beim Fötus möglich

Aedes-Mücke, vor allem asiatische Tigermücke

Nein

Malaria

421
(Vorjahreszeitraum: 396)

je nach Malaria-Art grippeähnlich, Fieber in unregelmäßigen oder auch regelmäßigen Abständen, auch Durchfälle, bei schwerem Verlauf Krampfanfälle, Bewusstseins­Trübungen bis zum Koma 

Anopheles-Mücken

Ja, verimpft wird aber nur in betroffenen Gebieten, nicht in Deutschland

West-Nil-Fieber

1
(Vorjahreszeitraum: 2)

grippeähnlich, plötzliches Fieber, Hautausschlag; schwere Verläufe selten 

In Deutschland heimische Culex-Mücken

Nein

Quelle: RKI

Informieren vor Reisen

Auch wenn das Chikungunya-Fieber häufig mild verlaufe, für Kinder und ältere Menschen können die Viren gefährlich werden, sagt Kremsner. Bei ihnen könnten auch schwere Verläufe auftreten. Für Chikungunya aktualisierte die Ständige Impfkommission (STIKO) erst vergangene Woche ihre Impfempfehlung: Nun empfiehlt sie sie für Menschen zwischen 12 und 59 Jahren, die in betroffene Gebiete reisen. Kremsner rechnet damit, dass auch eine Empfehlung für unter 12 Jährige folgen wird. Dazu liefen aktuell Studien. Für über 60 Jährige gebe es zu häufig schwere Nebenwirkungen durch den Impfstoff.

Vor Reisen ins Ausland ist es also wichtig, sich über die Verbreitung bestimmter Tropenkrankheiten und mögliche empfohlene Schutzimpfungen zu informieren. Dazu bietet etwa das Auswärtige Amt auf ihrer Internetseite zu jedem Land Informationen.

Dennoch sieht Tropenmediziner Kremsner Nachholbedarf in Deutschland: “Da ist viel zu wenig Entwicklung”, sagt er, sowohl bei der Vorbeugung als auch bei Therapeutika. “Wir haben fast keine guten Therapieoptionen, also keine einzige bei Dengue, keine einzige bei Chikungunya, um nur zwei Beispiele zu nennen.” Dafür brauche es etwa mehr Geld für den Bereich.

Bekämpfung vom eigenen Garten bis global

Zur Vorbeugung gibt es auch noch eine andere Möglichkeit. So sollten sich die Menschen etwa informieren, ob in ihren Gebieten die asiatische Tigermücke vorkommt, rät Wilking vom RKI. “Und dann sollte man auch diese Mückenbrutgebiete im persönlichen Umfeld, in seinem Garten bekämpfen beziehungsweise an lokalen Initiativen mitmachen, die diese invasiven Mücken bekämpfen”, erklärt er. “Damit wir aus einem momentan noch kleinen Problem kein mittelgroßes Problem machen.”

Mückenforscher Kampen kartiert daher unter dem Projekt Mückenatalas Stechmücken in Deutschland. Dort kann jeder und jede Mücken fangen und einsenden.

Dennoch betont Tropenmediziner Kremsner: “Tropenkrankheiten sollte man global sehen und nicht mit der nationalen Brille.” Denn die Mücken ließen sich schließlich nicht von Landesgrenzen aufhalten.