Der Aufwärtstrend im deutschen Start-up-Sektor festigt sich. Deutsche Start-ups haben im ersten Halbjahr Risikokapital in Höhe von knapp 4,6 Milliarden Euro eingesammelt – und damit gut ein Drittel mehr als noch im ersten Halbjahr des vergangenen Jahres. Das Finanzierungsvolumen ist nun im dritten Halbjahr in Folge gestiegen. Das geht aus dem Start-up-Barometer des Beratungskonzerns EY hervor. Die aktuelle Summe stellt demnach den dritthöchsten Wert für ein erstes Halbjahr seit 2015 dar. Auch die Anzahl der Finanzierungsrunden legte um 7 Prozent auf 391 zu.
Die vergangenen Jahre seien für die deutsche Start-up-Szene teilweise nicht einfach gewesen, kommentiert EY-Partner Thomas Prüver. „Auf das Rekordjahr 2021 folgte eine verhältnismäßig unsanfte Landung.“ Aktuell zeige die Tendenz aber wieder deutlich nach oben – und das trotz der „zahlreichen geopolitischen, gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Herausforderungen“. Das Start-up-Ökosystem sei offenbar gestärkt aus der schwierigen Phase hervorgegangen.
Die Anzahl der Finanzierungsabschlüsse stieg EY zufolge in fast allen Größenkategorien, prozentual am stärksten aber die Anzahl der besonders großen Runden. Hier hatte es nach den corona- und niedrigzinsbedingten Ausnahmejahren 2020 und 2021 eine besonders große Dürre gegeben. Erhielten im ersten Halbjahr 2024 noch fünf Jungunternehmen Finanzspritzen über mehr als 100 Millionen Euro, waren es im vergangenen Halbjahr schon elf. Diese großen Finanzierungsrunden sind besonders wichtig für den deutschen Start-up-Standort. Bislang gibt es hierzulande vor allem in der frühen Phase genügend Geld für Start-ups. Wer Erfolg hat und auf der Suche nach größeren Summen für die Expansion ist, hat es hingegen oft noch schwer.
Bayern baut seinen Vorsprung gegenüber Berlin aus
Insbesondere bayrische Start-ups trugen im ersten Halbjahr zum Aufschwung bei. Sie konnten in den ersten sechs Monaten des Jahres 2,1 Milliarden Euro an Wagniskapital einwerben. Das entsprach einem Anstieg um 262 Prozent im Vergleich zum ersten Halbjahr 2024 und war beinahe so viel wie im gesamten Jahr 2024, als 2,3 Milliarden Euro in den Freistaat flossen. Bayern festigte damit auch seinen Vorsprung gegenüber Berlin. Berliner Gründer sammelten im ersten Halbjahr 1,5 Milliarden Euro ein. Auch das waren 41 Prozent mehr als im Vorjahreshalbjahr.
Sechs der zehn größten Finanzierungsrunden gingen aber an bayrische Jungunternehmen, nur drei an Berliner Start-ups. Die größte Finanzierung erhielt das Münchener KI-Rüstungs-Unternehmen Helsing mit 600 Millionen Euro, gefolgt von dem Batteriespeicheranbieter Green Flexibility aus Kempten im Allgäu mit 400 Millionen Euro und dem Berliner Software-Start-up Amboss mit 240 Millionen Euro. Mit 1,5 Milliarden Euro floss die größte Summe in Software-Start-ups, gefolgt vom Energiesektor mit 922 Millionen Euro sowie Finanz- und Versicherungs-Start-ups mit 453 Millionen Euro.
Investoren setzen andere Schwerpunkte
Das Start-up-Ökosystem in Deutschland habe sich in den vergangenen zwei Jahren deutlich verändert, sagt EY-Fachmann Prüver. Zwar gäbe es in Berlin nach wie vor die meisten „Deals“ und die Hauptstadt bleibe etwa im Onlinehandel führend. Aber: „Infolge neuer Megatrends setzen Investoren andere Schwerpunkte als in den Vorjahren.“ Als neue Schwerpunkte nennt Prüver den Rüstungssektor, die Künstliche Intelligenz und den Umbau der Energieversorgung.
Von den gut 4,6 Milliarden Euro Gesamtinvestitionen flossen knapp zwei Milliarden Euro in KI-Start-ups. „Das bayerische Start-up-Ökosystem hat seine Stärken im Technologie-Sektor – das ist genau der Bereich, der derzeit besonders im Fokus der Investoren steht“, sagt Prüver. Bayrische Start-ups profitierten von dem engen Austausch zwischen etablierten Unternehmen, Forschungseinrichtungen und Start-ups. „Das fördert Innovationen und zieht Kapital an.“