Trump will „nationalen Champion“ für Seltene Erden

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Die USA waren einmal der wichtigste Lieferant von Seltenen Erden auf der Welt. Das mag angesichts der heutigen Dominanz Chinas schwer vorstellbar sein. Aber von den Sechziger- bis in die Neunzigerjahre des vergangenen Jahrhunderts kam die Mehrheit dieser Metalle aus Kalifornien. Sie wurden in der Mountain-Pass-Mine in der Mojave-Wüste abgebaut, rund eine Autostunde südlich von Las Vegas. Inmitten zunehmender Konkurrenz aus China verloren die Amerikaner aber ihre beherrschende Position in dem Geschäft. 2015 wurde der Betrieb der Mine eingestellt, nachdem ihr Betreiber Insolvenz angemeldet hatte. Damit verabschiedeten sich die USA aus dem Markt und ebneten China den Weg, sich eine unangefochtene Führungsrolle zu erarbeiten, die einer ihrer wichtigsten Trümpfe in den gegenwärtigen Handelskonflikten ist.

Nun aber nimmt auf einmal ein Comebackversuch Amerikas rasant Fahrt auf. MP Materials, ein Unternehmen, das die Mine in Mountain Pass reaktiviert hat, hat innerhalb weniger Tage zwei spektakuläre Allianzen geschlossen. Erst gab es eine ungewöhnliche und weitreichende Partnerschaft mit dem amerikanischen Verteidigungsministerium bekannt. Sie wird dafür sorgen, dass die Regierung sein größter Aktionär wird und ihm offenbar sogar bei der Suche nach Aufträgen hilft. Dann verbündete es sich mit dem Elektronikgiganten Apple , der künftig die von ihm mit Seltenen Erden produzierten Magneten in seinen Produkten nutzen will. Der Wert dieser Vereinbarung wird auf 500 Millionen Dollar beziffert.

Abbau und Verarbeitung Seltener Erden schwierig

Die Allianzen bescherten MP Materials Kursfeuerwerke an der Börse. Nach der Ankündigung mit dem Pentagon gewann die Aktie mehr als 50 Prozent an Wert, die Nachricht vom Bündnis mit Apple sorgte für ein weiteres Plus von 20 Prozent. Seit Jahresbeginn hat sich der Kurs nun fast vervierfacht; das Unternehmen wird jetzt mit knapp zehn Milliarden Dollar bewertet.

Seltene Erden sind eine Gruppe von 17 Metallen. Sie sind nicht so selten, wie es ihr Name suggeriert, sondern kommen sogar recht häufig in der Erdkruste vor. Ihr Abbau und ihre Verarbeitung sind aber schwierig und teuer. Sie werden oft zu Magneten weiterverarbeitet und sind unverzichtbare Bestandteile in einer ganzen Reihe von Produkten, von elektronischen Geräten über Autos, Drohnen und Flugzeuge bis zu Windturbinen.

China kontrolliert die Seltene-Erden-Industrie fast komplett. In der Weiterverarbeitung einiger schwerer Seltener Erden, die für den Bau von Magneten notwendig sind, hat die Volksrepublik derzeit ein Monopol. Im Handelsstreit zwischen den USA und China spielen die Substanzen eine zentrale Rolle. Als Vergeltung für Zölle, die der amerikanische Präsident Donald Trump angekündigt hat, haben die Chinesen im April den Export Seltener Erden in die USA enorm eingeschränkt, und das hatte gravierende Konsequenzen. Ford musste nach eigener Aussage die Produktion in mehreren US-Werken mangels Magneten drei Wochen einstellen, Tesla fehlten die Magneten in der Entwicklung seines Roboters Optimus. Im Zuge einer vorläufigen Einigung zwischen den beiden Ländern wurden die Exportkontrollen im Juni zumindest vorerst wieder gelockert. Die USA heben im Gegenzug Restriktionen für Computerchips auf.

MP Materials wurde 2017 mit dem Ziel gegründet, die Mine in Mountain Pass wiederzubeleben. Schon im Jahr danach begann das Unternehmen mit dem Verkauf von dort geförderten Metallen, 2020 ging es an die Börse.

MP Materials als vertikal integrierter Anbieter

Mittlerweile baut es die Seltenen Erden in Kalifornien nicht mehr nur ab, sondern trennt sie auch und verarbeitet sie weiter. Im texanischen Fort Worth hat es zudem eine Fabrik gebaut, in der Magneten aus Seltenen Erden hergestellt werden. Sie wird „Independence“ genannt, einerseits weil sie an einer Straße namens Independence Parkway liegt, andererseits weil darin das Ziel zum Ausdruck kommen soll, Amerika wieder unabhängiger von anderen Ländern zu machen. In diesem Jahr will das Unternehmen beginnen, von dort aus Magneten an den Autokonzern General Motors zu liefern, mit dem es schon vor einiger Zeit ein umfassendes Abkommen geschlossen hat.

MP Materials ist damit ein vertikal integrierter Anbieter im Geschäft mit Seltenen Erden. Die Amerikaner kämpften in den vergangenen Jahren aber auch mit einigen Herausforderungen, nicht zuletzt dem Preisdruck durch die chinesische Konkurrenz. 2024 mussten sie einen Umsatzrückgang um 20 Prozent hinnehmen. Sie weisen derzeit auch Verluste aus.

Die Vereinbarungen mit der US-Regierung und mit Apple sind Meilensteine für MP Materials. Die Allianz mit dem Pentagon hat eine ganze Reihe von Dimensionen, das Unternehmen spricht von einem „Multimilliarden-Dollar-Paket an Investitionen und langfristigen Zusagen“. Das Ministerium will nicht nur einen Anteil von 15 Prozent an MP Materials kaufen, es hat auch umfangreiche Garantien zugesagt. Es verspricht für Produkte mit Neodym und Praseodym, zweien der bedeutendsten Seltenen Erden, einen Mindestpreis von 110 Dollar je Kilogramm über einen Zeitraum von zehn Jahren. Das ist mehr als doppelt so viel, wie MP Materials mit diesen Elementen in seinem vergangenen Geschäftsquartal aus eigener Kraft eingenommen hat.

Pentagon als eine Art Vertriebsarm für MP Materials

Ebenso bemerkenswert ist, dass das Pentagon künftig offenbar eine Rolle als eine Art Vertriebsarm für MP Materials übernehmen will. Mithilfe der Regierung will das Unternehmen neben dem Standort in Texas noch eine zweite Magnetfabrik bauen, mit der sich die bisherige Produktionskapazität verzehnfachen soll. Sie soll 2028 ans Netz gehen. Das Pentagon hat nun zugesagt, dass 100 Prozent aller Magneten aus diesem neuen Werk auch einen Abnehmer finden – ob unter Rüstungspartnern oder in anderen Branchen aus der Privatindustrie.

Die Kundensuche hat offenbar schon begonnen: „Ich höre, dass sich das Pentagon bei europäischen Unternehmen meldet und fragt, ob sie nicht bei MP Materials bestellen wollen“, sagt Jost Wübbeke, Chef des auf China spezialisierten Beratungshauses Sinolytics. „Das US-Verteidigungsministerium will die westliche Aufholjagd bei Seltenen Erden koordinieren.“ Cory Combs, Seltene-Erden-Fachmann in der Denkfabrik Trivium China, meint, es sei eine erhebliche Hilfe für MP Materials, wenn das US-Verteidigungsministerium für das Unternehmen werbe. „Das ist gar nicht so unähnlich vom chinesischen Ansatz.“ Gerade für Rüstungskonzerne könne es Vorteile mit sich bringen, auf das Angebot des Pentagons einzugehen.

Combs und Wübbeke loben den Vorstoß des Pentagons und die Vereinbarung mit MP Materials. „Man versucht nicht, mit China beim Preis zu konkurrieren. Das wäre auch zum Scheitern verurteilt“, sagt Combs. Stattdessen garantiere man Nachfrage und Umsatz für das Unternehmen, das nun investieren könne. „Das Angebot von MP Materials wird in jedem Fall teurer“, sagt Wübbeke. „Durch eine Marktentwicklung würde sich das Unternehmen nie durchsetzen können.“

Abkommen mit Apple „das erste seiner Art“

James Litinsky, der Mitgründer und Vorstandschef von MP Materials, sagte über die Allianz mit dem Pentagon: „Diese Initiative markiert einen entschlossenen Schritt der Trump-Regierung, um die Unabhängigkeit der amerikanischen Lieferketten zu beschleunigen.“ MP Materials sei Trump „zutiefst dankbar“. In einer Mitteilung hieß es weiter, der Pakt positioniere das Unternehmen als „nationalen Champion“.

Das Abkommen mit Apple wurde als „das erste seiner Art“ beschrieben. Der Elektronikkonzern verpflichtet sich darin, MP Materials Magneten aus der Fabrik in Texas abzukaufen. In dem Werk werden dazu neue Produktionslinien aufgebaut, die speziell für Apple-Produkte gedacht sind. Die Lieferungen sollen 2027 beginnen und Magneten für mehrere Hundert Millionen Apple-Geräte umfassen. MP Materials will in der Fertigung für die Apple-Magneten recyceltes Material einsetzen, das zum Beispiel von alten elektronischen Geräten kommen soll. Apple und MP Materials wollen dafür eine Recycling-Anlage in der Mine in Mountain Pass errichten. Apple-Vorstandschef Tim Cook sagte: „Diese Partnerschaft wird dabei helfen, das Angebot dieser unverzichtbaren Materialien hier in den USA zu stärken.“

Apple beschreibt die Allianz mit MP Materials als ein Element seiner vor wenigen Monaten gemachten Zusage, in den nächsten vier Jahren mehr als 500 Milliarden Dollar in den USA zu investieren. Der Konzern ließ offen, in welchen Produkten die in Texas gefertigten Magneten zum Einsatz kommen sollen und wo. Bislang lässt er die meisten seiner Produkte in Asien produzieren, was ihn zur Zielscheibe für Attacken von Trump gemacht hat. Der Präsident hat oft gesagt, er hätte gerne, dass Apple iPhones in den USA herstellt.

Trotz des nun angekündigten Doppelschlags mit dem Pentagon und Apple dürfte die Aufholjagd der Amerikaner Jahre dauern. „China ist technologisch weit voraus und hat den Export wichtiger Technologien für die Förderung verboten“, sagt Wübbeke. Die Separierung der Seltenen Erden ist enorm aufwendig und umweltschädlich. „Die Raffinerien sind der entscheidende Punkt“, erklärt Wübbeke. MP Materials sei noch sehr neu im Raffineriegeschäft. Bis vor Kurzem habe das Unternehmen noch 80 bis 90 Prozent seines Konzentrats zur Weiterverarbeitung nach China geschickt. „Bisher sehen wir vor allem vollmundige Versprechen. Wenn die Aufholjagd scheitern sollte, wird das an den Raffinerien liegen.“

Das liegt auch daran, dass China in der Vergangenheit Versuche abgewehrt hat, seine Monopolstellung zu brechen. Als es vor anderthalb Jahrzehnten ähnliche Bemühungen im Westen gab, flutete die Volksrepublik die Märkte und verkaufte die Seltenen Erden so günstig, dass niemand mehr mithalten konnte. Die Bemühungen im Ausland versandeten daraufhin, viele Unternehmen gingen in die Insolvenz. „All die Projekte, die man jetzt hat, werden diesem Preiskampf ausgesetzt sein“, sagt Wübbeke. „Es wird nur dann funktionieren, wenn man eine starke staatliche Unterstützung hat.“