Was der Austritt der Schas-Partei für Netanjahus Regierung bedeutet

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Zwei Parteien sind binnen drei Tagen aus Benjamin Netanjahus Regierung ausgetreten – dennoch steht seine Koalition nicht vor dem Ende. Denn sowohl das Vereinigte Tora-Judentum (UTJ) als auch die Schas-Partei haben klargemacht, dass sie vorerst nicht mit der Opposition stimmen wollen. Im Fall von Schas hieß es am Donnerstag sogar, sie sei nur aus der Regierung ausgetreten, nicht aber aus der Koalition.

In den beiden jüdisch-ultraorthodoxen Parteien herrscht Verärgerung darüber, dass das ihnen versprochene Gesetz auf sich warten lässt, welches die Wehrdienstbefreiung für ultraorthodoxe Religionsstudenten regeln soll. Kaum ein Thema bewegt die strenggläubigen Haredim und ihre politischen Vertreter so sehr. Zumal aufgrund des Gazakriegs der Druck zugenommen hat, dass auch mehr ultraorthodoxe junge Männer die Last des Militärdienstes schultern.

Die Armee und die Justiz drohen inzwischen damit, ultraorthodoxe Wehrdienstverweigerer festzunehmen – bislang war es toleriert worden, dass sie die Einberufung einfach ignorierten. Umso mehr fordern die Abgeordneten von UTJ und Schas, dass die Befreiung gesetzlich verankert wird.

„Schreckliche Verfolgung“

Nachdem am Montagabend schon das UTJ seine Drohung wahrgemacht hatte, andernfalls die Regierung zu verlassen, folgte am Mittwochabend die Schas-Partei. Sie fand dafür drastische Worte. In einer Erklärung des „Rats der Tora-Weisen“, des spirituellen Beratergremiums der Partei, das alle wichtigen Entscheidungen trifft, wurde Netanjahus Likud-Partei eine „anhaltende schreckliche Verfolgung der heiligen Yeschiva-Studenten“ vorgeworfen.

Hinter der religiös verbrämten Rhetorik stecken aber kalkulierte politische Züge. Nicht zufälligerweise erfolgte der Austritt der beiden Parteien keine zwei Wochen vor dem Beginn der parlamentarischen Sommerpause. In den folgenden drei Monaten ruht der legislative Betrieb in der Regel ohnehin. Hinzu kommt, dass die Koalition schon seit Wochen keine Gesetze verabschiedet hat: Die Haredim hatten dies blockiert, um Druck auf Netanjahu aufzubauen.

Somit ändert sich für ihn vorerst nicht allzu viel, außer dass er mehrere Ministerposten – möglicherweise vorübergehend – neubesetzen muss. Die Vorsitzenden mehrerer Knessetausschüsse, die Schas stellt, behalten ihre Posten sogar – ein weiteres Zeichen dafür, dass die Partei den Austritt aus der Regierung nicht als Abschied von der Koalition sieht. Allerdings haben UTJ und Schas mehr oder weniger unverhüllt ein weiteres Ultimatum in den Raum gestellt. Sollte Netanjahu nicht bis zum Ende der Parlamentsferien Mitte Oktober eine Lösung präsentieren, würden sie ein Misstrauensvotum mittragen, heißt es. Das würde eine vorgezogene Wahl nach sich ziehen.

Ob Netanjahu den Konflikt beilegen kann, ist aber ungewiss. Die Forderungen der Haredim mit den rechtlichen Anforderungen in Einklang zu bringen, kommt einer Quadratur des Kreises gleich. Außerdem befürworten auch im Likud manche eine Wehrpflicht für Ultraorthodoxe: etwa Yuli Edelstein, der als Vorsitzender des Knessetausschusses für Verteidigung und Äußeres in der Sache federführend ist. Aus der Sicht der Haredim ist seine Sturheit der Hauptgrund dafür, dass es bislang keine Lösung gibt. Manche fordern von Netanjahu, Edelstein zu entlassen.