Was das Raketensystem der USA kann

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Dass Deutschland und Europa über mehr als eine Lücke in der Abschreckung verfügen, ist seit langem klar. Im Bereich der konventionellen Waffensysteme mit mehr als 2000 Kilometern Reichweite wurde im vergangenen Jahr zumindest ein Entwicklungsauftrag gegeben. Doch bevor es so weit ist, kann es Jahre dauern. Deshalb hat Verteidigungsminister Boris Pistorius (SPD) bei seinem Besuch in den Vereinigten Staaten in dieser Woche dem Pentagon den Wunsch übermittelt, das Raketensystem Typhon zu erwerben. Erst wenn die Amerikaner signalisieren, dass ein Verkauf in Frage komme, werde in Berlin die Entscheidung getroffen, ob der Kauf wirklich getätigt werde, sagte Pistorius. Typhon sei eine Brückenlösung und rein zur Abschreckung gedacht.

Bei Typhon handelt es sich um ein vertikales Raketenabschusssystem. Es besteht aus einem Auflieger aus vier 12 Meter langen Abschusscontainern auf einem Transport-Lkw. Laut amerikanischen Armeeangaben setzt sich eine Batterie aus vier Aufliegern, einer Lkw-gestützten Einsatzzentrale, einem Nachschub-Lkw sowie einem Unterstützungsfahrzeug zusammen.

Mit dem Typhon können Raketen vom Typ SM-6 verschossen werden, die eine Reichweite von bis zu 500 Kilometern gegen Landziele erreichen, aber auch als Flugabwehr gegen feindliche Raketen eingesetzt werden können – dann sinkt allerdings die Reichweite. Darüber hinaus können auch Marschflugkörper vom Typ Tomahawk eingesetzt werden. Diese erreichen je nach Ausführung bis zu 2500 Kilometer Reichweite – von Deutschland aus wäre Moskau damit erreichbar. Mit welchen Geschossen Deutschland seine Typhon ausstatten möchte, sagte Pistorius nicht. Die Kosten für das System sind unklar. Im Pentagon-Budget für dieses Jahr waren 233 Millionen Dollar für den Kauf von 32 Tomahawks sowie einer Typhon-Batterie vorgesehen.

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Das System wurde vom amerikanischen Rüstungsunternehmen Lockheed Martin für die amerikanische Armee entwickelt, um eine Fähigkeitslücke zu schließen. Es beruht auf einem vertikalen Startsystem, das auf Schiffen der amerikanischen Marine im Einsatz ist. Das System soll Ziele hochpräzise im mittleren Reichweitenbereich treffen. Wie die amerikanische Armee mitteilte, habe sie erfolgreiche Tests auch gegen bewegliche Ziele am Boden durchgeführt.

Die Vereinigten Staaten haben die erste Batterie, die sie in Dienst gestellt haben, auf der philippinischen Insel Luzon stationiert. Von dort kann das System sowohl Taiwan als auch Teile Japans abdecken. Je nach Standort könnte es sogar knapp die cinesische Hauptstadt Peking erreichen. China, das über ähnliche Fähigkeiten schon verfügt, protestiert gegen die Stationierung immer wieder und wirft Amerika eine Militarisierung des südchinesischen Meeres vor.

Der damalige amerikanische Präsident Joe Biden hatte im vergangenen Jahr zugesagt, neben einer noch in Entwicklung befindlichen Langstreckenrakete sowohl SM-6 als auch Tomahawks in Deutschland zu stationieren. Dabei könnte es sich um Typhon-Systeme handeln. Dies wird von der neuen amerikanischen Regierung überprüft. Ein Ergebnis könnte im September vorliegen. Ob die deutsche Kaufanfrage etwas mit der Überprüfung zu tun hat, ist unklar.