Lars Klingbeil beim G-20-Gipfel: Der Bundesaußenfinanzminister

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Mehr Süden geht nicht, mehr Einsatz geht kaum: zwei Nachtflüge, um eineinhalb Tage mit den Amtskollegen aus der Zwanzigergruppe beraten zu können. Lars Klingbeil fliegt, andere kneifen: Der Amerikaner Scott Bessent fehlt im südafrikanischen Durban wie schon beim ersten Treffen der G-20-Finanzminister der Industriestaaten und Schwellenländer in diesem Jahr. Dass die Regierung in Washington nicht viel von dem G-20-Gastgeberland hält, war deutlich geworden, als Präsident Donald Trump seinen Besucher aus Pretoria vor laufenden Kameras demütigte. Er warf Cyril Ramaphosa mit merkwürdigen Belegen Rassismus gegen Weiße vor.

Der Franzose Éric Lombard wollte eigentlich mit Klingbeil nach Südafrika fliegen, aber die aktuelle Lage in Paris legte einen schnellen Rückflug nahe. Auch die Kollegen aus Spanien und Italien fehlen. So ist der SPD-Politiker auf einmal der einzige Vertreter aus den großen EU-Ländern. Dass Klingbeil seine Sonderrolle als große Last empfunden hätte – diesen Eindruck konnte man allerdings keinen Moment gewinnen. Vielmehr scheint er den Auftritt auf der internationalen Bühne zu genießen – auch wenn diese in Wahrheit gar nicht so groß ist, denn auch die Minister aus Russland und Indien schwänzen.

Klingbeil ist „auf der Suche nach neuen Partnern“ im Globalen Süden

Wenn der Bundeskanzler Friedrich Merz (CDU) vor allem Außenpolitik macht und das Auswärtige Amt zugleich mit dessen Parteifreund Johann Wadephul besetzt ist, will der SPD-Vorsitzende nicht außen vor bleiben. Bei erster Gelegenheit hebt er daher in Südafrika hervor, von welch enorm hoher Bedeutung das G-20-Treffen für ihn ist. Zwei Botschaften hat er. Für die regelbasierte, multilaterale Ordnung sei dies ein sehr wichtiges Format. Das zweite Si­gnal geht an den Globalen Süden. „Das ist die erste afrikanische Präsidentschaft im G-20-Format. Auch deswegen ist es für mich wichtig, hier zu sein“, betont Klingbeil. „Wir stehen sehr eng an der Seite Südafrikas, und wir sind auch auf der Suche nach neuen Partnern.“

Deutschland sei eng eingebunden im transatlantischen Verhältnis, aber wolle auch neue Partnerschaften erschließen. „Dafür war ich die letzten Jahre schon viel unterwegs: in Lateinamerika, in Afrika, in Asien.“ Nun führe er diese Arbeit als Finanzminister und Vizekanzler fort. Gerade im Globalen Süden teilt man nach Klingbeils Einschätzung das Interesse an belastbaren Handelsbeziehungen und der Achtung des Völkerrechts. Deutschland habe diese Beziehungen zu lange vernachlässigt, während Russland und China ihren Einfluss vergrößert hätten. „Das müssen wir ändern.“

Nach Ende von USAID: Deutschland ist zum größten Geber aufgestiegen

Der Ausflug in die Weltpolitik ist zwar stressig, hat aber – auch jenseits des besten Winterwetters – durchaus seine schönen Seiten, zum Beispiel eine informative Hafenrundfahrt in Durban. In Berlin ist es weniger schön. Da muss Klingbeil regelmäßig überbordende Ausgabenwünsche von Kabinettskollegen abwehren, weil trotz der jüngsten kreditweitenden Grundgesetzänderung die Möglichkeiten im Kernhaushalt begrenzt bleiben. Das trifft nicht zuletzt seine Parteifreundin Reem Alabali Radovan. Die Entwicklungsministerin muss entgegen allen Bekenntnissen zum Globalen Süden mit weniger Geld auskommen. Deutschland steigt zwar in absoluten Zahlen zum größten Geber in der Welt auf, nachdem Trump die Hilfsorganisation USAID abwickeln ließ, aber die internationale Zielquote von 0,7 Prozent der Wirtschaftsleistung wird Deutschland nicht so bald wieder erreichen.

Auch sonst ist in der Heimat die Lage für die Koalition im Allgemeinen und Klingbeil im Besonderen nicht gerade rosig. Die verkorkste Richterwahl dominiert über Tage die Debatte. Der SPD-Parteitag brachte für den mächtigsten Mann der Partei ein demütigendes Wahlergebnis. Da geriet es fast zur Petitesse, dass der Kanzler bei seinem Abstecher nach Bayern meinte, die globale Mindeststeuer abräumen zu können, obwohl sie ein Herzensanliegen des Koalitionspartners ist und sie in Europa mit einer kaum änderbaren Richtlinie gleichsam einbetoniert wurde. Nach kurzer Rücksprache mit Merz konnte der Minister vor seinem Abflug den Kanzler korrigieren: Man sei sich einig, die Mindeststeuer bleibe. Zumindest die Achse Merz-Klingbeil scheint alles in allem noch zu funktionieren. Doch sollten beide mit ihren Ausflügen in die Weltpolitik nicht übertreiben – offenkundig bedarf die heikle Lage im Innern liebevoller Aufmerksamkeit.