Lieferando entlässt bis zu 2000 Kuriere

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Der Lieferdienst Lieferando lagert einen Teil der Auslieferung seiner Bestellungen an Drittunternehmen aus und reduziert deshalb seine Flottengröße in Deutschland um voraussichtlich 20 Prozent. Ab Ende des Jahres will Lieferandos Logistikgesellschaft bis zu 2000 ihrer Kuriere entlassen. Das teilte die deutsche Gesellschaft des niederländischen Konzerns Just Eat Takeaway am Donnerstagnachmittag mit. „Der deutsche Markt ändert sich rasant und tiefgreifend“, sagt Lennard Neubauer, Geschäftsführer von Lieferandos Marktplatzgesellschaft, im Gespräch mit der F.A.Z. Der Wettbewerb mit kapitalstarken Konkurrenten aus den USA sei intensiver als je zuvor. „Es ist mit unserem aktuellen Logistikmodell in einigen Städten unmöglich, wirtschaftlich mit den Wettbewerbern mitzuhalten“, sagt Neubauer und spielt damit auf die Rivalen Uber eats und Wolt an.

Bislang stellt Lieferando anders als die Konkurrenten alle seine Fahrer direkt in seiner Logistikgesellschaft Takeaway Express an. Dieses Beschäftigungsmodell verursache aber einen großen bürokratischen Aufwand, sagt Neubauer. Bis Frühjahr nächsten Jahres sollen rund fünf Prozent aller Bestellungen von zusätzlichen dritten „Flottenpartnern“ ausgeliefert werden. In mehr als 70 Prozent der Städte bleibe die Konzernschwestergesellschaft Takeaway Express Lieferpartner, betont Lieferando. In einigen kleineren Städten würde man komplett auf das Drittanbietermodell umstellen. Vor allem in nachfrageintensiven Gebieten sollen die Partnerunternehmen die fest angestellte Flotte nur flankieren, um agiler auf Nachfragespitzen reagieren zu können. Lieferando hat das Modell in einigen kleineren Märkten getestet und gute Erfahrungen gemacht.

Die „Flottenpartner“ sind örtliche Logistikunternehmen, die ihre Kuriere in der Regel ebenfalls fest beschäftigen sollen. „Die Flotten dieser Anbieter haben eine höhere Abdeckung als unsere, weil sie parallel für verschiedene Auftraggeber ausliefern“, sagt Neubauer. Zudem arbeiten die großen Anbieter schon mit Konkurrenten zusammen. All das mache sie effizienter. „Das erweiterte Logistiknetzwerk hilft uns, in neue Städte zu expandieren und unsere Servicequalität für Kunden und Gastronomen zu verbessern.“ Neubauer sagt, in einigen Städten hätten die Beschwerden von Gastronomen über die Serviceverfügbarkeit und Lieferzeiten zugenommen. Das müsse verbessert werden.

Subunternehmermodell steht in der Kritik

Lieferando betreibt einen Marktplatz, der Gastronomen gegen Provision mit Kunden verbindet, die Essen nach Hause bestellen wollen. Wollen Restaurantbetreiber keine eigenen Lieferanten einstellen, können sie diese Dienstleistung von Lieferando dazubuchen. Während das Marktplatzangebot in ganz Deutschland verfügbar ist, gilt dies für das Logistikangebot noch nicht. Lieferando will expandieren. „Das geht aber nur mit einem nachhaltigen Logistikmodell“, sagt Neubauer.

An dem Subunternehmermodell gibt es nicht nur von Gewerkschaften immer wieder scharfe Kritik. Diese Woche erst bemängelte die Organisation Fairwork, das Subunternehmermodell gewährleiste keine fairen Arbeitsstandards. Zwar würden die Plattformen von den Subunternehmen erwarten, dass diese die Arbeitskräfte in einem Angestelltenverhältnis beschäftigen. Doch die Realität sehe anders aus. Manche Arbeiter seien ganz ohne Vertrag tätig oder würden selbst mit formalem Arbeitsvertrag wie selbständige oder freiberufliche Unternehmer behandelt.

Lieferando verspricht Kontrollen

Neubauer ist sich dieser Kritik bewusst. „Viele kleine Logistikunternehmen arbeiten im Graubereich, mit diesen werden wir nicht zusammenarbeiten“, sagt er. Lieferando wolle nur mit etablierten Anbietern arbeiten. Für ihre Bestellungen müssten die Fahrer bei den Partnern korrekt angestellt sein. Das wolle Lieferando strikt und regelmäßig kon­trollieren.

Das Europäische Parlament hat im vergangenen Jahr in diesem Kontext das „Gesetz zur Plattformarbeit“ beschlossen, wonach sogenannte Plattformarbeiter mit normalen Angestellten gleichzustellen sind. Dafür wird die Beweislast umgekehrt. Die Plattformen müssen belegen, dass sie ihre Arbeiter nicht so wie Festangestellte kontrollieren. Nur dann dürfen sie diese als selbständig einstufen. Innerhalb von zwei Jahren soll die Bundesregierung die Richtlinie in nationales Recht umsetzen. „Wir haben uns immer stark für das Direktanstellungsmodell eingesetzt“, sagt Neubauer. Um einen fairen Wettbewerb zu gewährleisten, müsse sich diese Überzeugung aber als Branchenstandard durchsetzen.

Lieferando will jetzt mit dem Gesamtbetriebsrat der Logistikgesellschaft über einen Sozialplan verhandeln. Die Auslagerung weiterer Bestellungen sei erst mal nicht geplant, sagt Neubauer. Langfristig ausschließen will er einen solchen Schritt aber nicht.